Zinswende der EZB Sparer profitieren kaum von steigenden Zinsen
Auch ein Jahr nach der Zinswende im Euroraum können die meisten Sparer davon nicht profitieren. Allerdings gibt es zwischen Fest- und Tagesgeldkonten durchaus Unterschiede.
Nullzinsen bei jeder fünften Bank: Ein Jahr nach dem Auftakt der rasanten Zinswende durch die Europäische Zentralbank gibt es bei 141 von 738 Geldhäusern in Deutschland auf Tagesgeld nach wie vor Nullzinsen. Das geht aus einer aktuellen Auswertung des Vergleichsportals Verivox hervor.
Zwar hätten fast alle Kreditinstitute ihre Negativzinsen nach dem Wegfall der EZB-Strafzinsen auf Bankeinlagen zügig abgeschafft, so Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich: "Doch auch ein ganzes Jahr später und nach mittlerweile acht Leitzinserhöhungen in Folge bietet ein beträchtlicher Teil der Banken Sparern auf dem Tagesgeldkonto noch immer überhaupt keine Verzinsung."
Viele werben mit neuen Zinsangeboten
Die Zinswende hatte Spargelder für Banken und Sparkassen wieder attraktiv gemacht. Viele Institute werben mit immer neuen Zinsangeboten um Gelder. Der Zins, der im Durchschnitt bundesweit auf Tagesgeldkonten gezahlt wird, liegt der Verivox-Berechnung zufolge aktuell bei 1,31 Prozent.
Vor einem Jahr lagen die Zinsen nur knapp über der Nulllinie: bei 0,05 Prozent Anfang August 2022. "Um sich im Konkurrenzkampf um Spargelder zu behaupten, sehen sich die deutschlandweit tätigen Geldhäuser gezwungen, ihre Konditionen immer wieder nachzubessern", analysierte Maier.
Nullzinsen bei Sparkassen
Vor allem unter regional tätigen Geldhäusern sind Nullzinsen noch weit verbreitet: Von 350 Genossenschaftsbanken weisen 80 für eine Anlagesumme von 10.000 Euro einen Tagesgeldzins von 0,00 Prozent aus. Das ist fast jedes vierte Institut aus der Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken sowie der PSD- und Sparda-Banken. Bei den Sparkassen gehen Tagesgeldanleger bei 58 von 309 Instituten leer aus, das ist ein Anteil von rund 19 Prozent. "Sparkassen und Volksbanken spekulieren viel stärker auf die Treue ihrer Kunden", so der Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich.
Verbraucherschützer aus mehreren Bundesländern forderten kürzlich Sparkassen auf, "Einlagen von Verbrauchern in Höhe der gesetzlichen Einlagensicherung anzunehmen und zu verzinsen". Bei einer Tagung Anfang Juli wehrten sich Bankenvertreter gegen Vorwürfe, die gestiegenen Zinsen würden zu zögerlich an Sparer weitergegeben. "Wir haben die Kunden faktisch zum ganz überwiegenden Teil über viele Jahre vor Negativzinsen geschützt", sagte etwa der Co-Chef der DZ Bank, Cornelius Riese. Nach dem "Paradigmenwechsel" der rasanten Zinswende brauche der Bankensektor "jetzt auch eine gewisse Anpassungsphase, bis das System wieder im Gleichgewicht ist".
Während es auf Tagesgeld noch kaum Zinsen gibt, bringen Festgeldkonten Sparern deutlich bessere Konditionen. Festgeld mit zwei Jahren Laufzeit bringt bei bundesweit aktiven Banken im Schnitt derzeit 2,96 Prozent. Das ist fast vier Mal so viel wie Anfang August 2022, als es gerade einmal 0,82 Prozent gab.
Leitzins bereits bei 4,0 Prozent
Getrieben von der extrem hohen Inflation hatte die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli 2022 erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder erhöht. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Inzwischen liegt der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, bei 4,0 Prozent.
Den Negativzins auf Einlagen, die Banken bei der Notenbank parken, schafften die Euro-Währungshüter vor einem Jahr ab. Inzwischen bekommen Banken wieder 3,5 Prozent Zinsen auf Einlagen. Für die nächste EZB-Sitzung am 27. Juli ist eine weitere Zinserhöhung angekündigt.