Christine Lagarde
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EZB plant Zinserhöhung Sparer können hoffen

Stand: 04.05.2023 06:17 Uhr

Tagesgeldsparer könnten künftig noch mehr Zinsen für ihr Geld bekommen. Denn die heutige Zinserhöhung der EZB unter der Ägide von Christine Lagarde dürfte nicht die letzte sein.

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Seit Juli versucht die Europäische Zentralbank, der Inflation in der Eurozone wieder Herr zu werden. Seit Juli hat sie ihre Schlüsselzinsen sechs Mal in Folge erhöht - zuletzt Mitte März um 0,5 Prozentpunkte. Heute könnte Zinsschritt Nummer sieben hinzukommen. Doch wie weit werden die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde diesmal gehen?

Kleiner Zinsschritt erwartet

Auch wenn zuletzt immer wieder einige EZB-Ratsmitglieder versuchten, einen weiteren großen Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten im Spiel zu halten: Die Mehrheit der Fachleute rechnet für den heutigen Zinsentscheid der Notenbank nur mit einem kleinen Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten. Der Hauptrefinanzierungszins dürfte danach auf 3,75 Prozent steigen. Dieser Leitzins legt fest, zu welchem Zinssatz sich Banken über einen längeren Zeitraum - mindestens eine Woche - Geld von der Zentralbank leihen können.

Während für die Medien der Hauptrefinanzierungssatz im Fokus steht, ist für Sparerinnen und Sparer besonders der Einlagenzins von Interesse, der seit März bei 3,0 Prozent liegt und heute Nachmittag auf 3,25 Prozent klettern dürfte. Das ist der Zinssatz, zu dem die Banken bis zum nächsten Geschäftstag überschüssige Liquidität bei der EZB "parken" können. Er ist damit gewissermaßen die "Benchmark" für Tagesgeldzinsen.

Tagesgeld: ING bietet nicht mehr die höchsten Zinsen

Vor einigen Wochen war hier die ING mit ihrem Angebot von 3,0 Prozent Zinsen für sechs Monate aufs Tagesgeld vorgeprescht und hatte die Konkurrenz mächtig unter Zugzwang gesetzt. Mittlerweile haben viele Tagesgeldanbieter nachgezogen. Unter den Banken mit erweiterter deutscher Einlagensicherung rangiert die ING laut dem Tagesgeldrechner der Frankfurter Finanzberatung FMH nur noch auf Rang drei.

Und selbst diesen Platz muss sie sich mit zwei Rivalen teilen, bieten doch auch die französische Consorsbank und die spanische Santander ihren Neukunden nunmehr 3,0 Prozent Zinsen für sechs Monate. Bei der Volkswagen Bank gibt es mit 3,1 Prozent noch etwas mehr Zinsen aufs Tagesgeld; angeführt wird die Rangliste von der britischen Barclays mit 3,11 Prozent.

Zinsen dürften weiter steigen

Damit dürfte aber das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein. Fachleute wie Max Herbst von FMH rechnen mit weiter steigenden Tagesgeldzinsen - denn auch die EZB dürfte künftig weiter an der Zinsschraube drehen. "Die Marktteilnehmer sehen den Gipfel beim EZB-Einlagensatz im Sommer bei 3,8 Prozent", unterstreichen die Commerzbank-Ökonomen Marco Wagner und Bernd Weidenfeld. Das liefe nach der heutigen Zinserhöhung auf zwei weitere Zinsschritte von je 25 Basispunkten hinaus.

Für Sparer, die ihr Kapital nicht nur in Tagesgeld, sondern auch in Aktien investieren, wäre ein solch andauernd restriktiver Kurs der EZB indes nicht unbedingt positiv zu sehen. Sollten die Währungshüter um EZB-Chefin Lagarde sich stärker pro weitere Zinserhöhungen aussprechen als bislang erwartet, würde das "weiteren Druck auf Aktien und andere risikobehaftete Vermögenswerte ausüben und die Tür für eine tiefere Korrektur an den Märkten öffnen", betont etwa Pierre Veyret, Analyst beim Brokerhaus ActivTrades.

Hartnäckig hohe Kerninflation in der Eurozone

Hintergrund eines womöglich länger restriktiven Kurses der EZB ist die hohe Inflation in der Eurozone. In Europa könne "niemand ernsthaft behaupten, hier sei der Kampf gegen die Inflation schon gewonnen", erklärt Commerzbank-Devisenexperte Ulrich Leuchtmann. "Nicht bei den Inflationszahlen." Tatsächlich waren die Verbraucherpreise in der Eurozone im April nach ersten Schätzungen des europäischen Statistikamts um 7,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen.

Die Kerninflation, also die Teuerungsrate ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel, sank zwar erstmals seit Juli vergangenen Jahres um 0,1 Prozentpunkte, liegt aber mit 5,6 Prozent weiter sehr hoch. Das lässt bei vielen Währungshütern die Alarmglocken schrillen: "Die Kerninflation ist recht stabil und hartnäckig, viel hartnäckiger als die Gesamtinflation", sagte etwa EZB-Vizechef Luis de Guindos vor einer Woche bei einer Diskussionsrunde in Griechenland.

Dämpfen die Zinserhöhungen bereits die Wirtschaft?

Die große Frage bleibt aber: Wie stark wirken die bisherigen Zinserhöhungen der EZB bereits? Und wie groß ist dementsprechend noch der Handlungsbedarf bei der EZB? Erhellend ist in diesem Kontext ein Blick auf die jüngste Umfrage der EZB unter Geldhäusern im Euroraum. Danach haben die Institute in den ersten drei Monaten des Jahres ihre Standards für die Vergabe von Firmenkrediten erheblich verschärft.

Die Folge: Die Nachfrage nach Firmenkrediten schrumpfte so stark wie seit der globalen Finanzkrise nicht mehr. Für die Volkswirte der US-Bank Morgan Stanley ist das ein weiterer Beweise dafür, dass die restriktive Geldpolitik in der Wirtschaft im Euroraum ankommt: "Das ist schlicht und einfach Geldpolitik in Aktion."

Doch wie sehr sich die Kreditbedingungen im Euroraum noch straffen müssen, damit sich die Wirtschaftstätigkeit verlangsamt und die Kerninflation deutlich zurückgeht - das ist eine Frage, die auch die EZB nur schwer beantworten können dürfte. Denn sowohl die hohe Inflation, als auch die Geschwindigkeit, mit der die Währungshüter die Zinsen bislang angezogen haben, sind historisch beispiellos.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 04. Mai 2023 um 07:35 Uhr.