Von Hypotheken bis Tagesgeld Wer die höheren Zinsen zu spüren bekommt
Egal ob Häuslebauer, Sparer, Kreditnehmer, Lebensversicherte oder Anleger: Sie alle erleben die Folgen der deutlich gestiegenen Zinsen. Wer profitiert davon, für wen könnte es zum Problem werden?
Kühl, abweisend, einschüchternd: So wirken die Türme der Europäischen Zentralbank (EZB) im Osten Frankfurts häufig auf Besucher. Irgendwo da oben, im 41. Stock, fällt die EZB auf ihren monatlichen Ratssitzungen ihre geldpolitischen Entscheidungen, die den Alltag der Menschen in der Eurozone massiv beeinflussen. Nur ist das den meisten so gar nicht bewusst.
Seit Sommer vergangenen Jahres hat die EZB ihre Leitzinsen drastisch erhöht - so liegt der für Sparer so wichtige Einlagenzins, der zuvor acht Jahre lang im negativen Terrain verharrte, mittlerweile bei 3,0 Prozent. Erst in der vergangenen Woche war eine weitere Anhebung um einen halben Prozentpunkt hinzukommen.
Tagesgeld: Bald Zinsen von drei Prozent?
Das dürfte vor allem Sparer freuen. Zwar ist bei Girokonten nach dem Ende des Verwahrentgelts aktuell noch viel Luft nach oben, denn Guthabenzinsen gibt es bei den großen Banken und Sparkassen immer noch nicht. Doch vor allem für Tages- und Festgeld dürfte die Zinsrally in den kommenden Monaten weitergehen.
Die höchsten Tagesgeld-Zinsen für Neukunden bietet "Finanztip" zufolge die TF Bank mit 2,4 Prozent pro Jahr (für vier Monate). Bei den Angeboten für sechs Monate hat die Consorsbank mit 2,1 Prozent pro Jahr die Nase vorn. "Wir sehen insbesondere weiter steigende Zinsen auf das Tagesgeld", erklärt Moritz Felde, Geschäftsführer Finanzservice beim Vergleichsportal CHECK24. "Bis zu drei Prozent Zinsen könnten bald wieder möglich sein."
Negative Realzinsen fressen Vermögen auf
Doch angesichts der anhaltend hohen Inflation kommt das Anlegen von Geldern auf Tages- oder Festgeldkonten immer noch der realen Vernichtung von Vermögen gleich. Die realen Zinsen, also die nominalen Zinsen abzüglich der Inflationsrate, notieren nämlich weiterhin tief im negativen Bereich.
Im Februar hatte die Inflationsrate in Deutschland bei 8,7 Prozent gelegen. Für das Gesamtjahr rechnet die EU-Kommission mit einer Rate von 6,3 Prozent. Negative Realzinsen sind übrigens kein neues Phänomen, vielmehr hat es in der Geschichte der Bundesrepublik auch früher schon immer wieder Phasen gegeben, in denen die Sparer in Deutschland real enteignet wurden.
Ratenkredite fast doppelt so teuer
Kreditnehmer profitieren hingegen prinzipiell von einer hohen Inflation, schließlich sinkt dadurch auch hier der Realzins. Kredite lassen sich so ein Stück weit "weginflationieren". Aber das gilt nur bedingt, hinken doch Löhne und Gehälter der Inflation deutlich hinterher.
Der Nominalzins für Ratenkredite war CHECK24 zufolge zuletzt deutlich gestiegen auf 6,35 Prozent im Februar. Damit sind Ratenkredite im Vergleich zum Vorjahr fast doppelt so teuer. Kreditnehmer sind von den EZB-Zinsentscheidungen folglich unmittelbar betroffen.
Bundesanleihen wieder attraktiver
Ebenso unmittelbar betroffen von den steigenden Leitzinsen in der Eurozone sind Anleger. Aktien werden in einem solchen Umfeld weniger attraktiv, Anleihen sind plötzlich für viele Anleger wieder eine Alternative. Neue Anleihenkäufer können von den reduzierten Kurslevels und gestiegenen Renditen etwa bei Staatsanleihen profitieren.
So war die Rendite einer zehnjährigen Bundesanleihe zuletzt bis auf 2,77 Prozent geklettert. Käufer, die auf dem Hoch zugeschlagen hatten, erhalten also zehn Jahre lang eine jährliche Verzinsung von 2,77 Prozent. Zum Vergleich: Im vergangenen März mussten Käufer dem Bund noch Geld zahlen, die Rendite lag im negativen Bereich. Wer dem deutschen Staat sein Geld nur für ein Jahr leiht, konnte zuletzt sogar Zinsen von über 3,6 Prozent einheimsen.
Bauzinsen bald bei fünf Prozent?
Die steigenden Renditen haben auch direkte Folgen für Immobilienkäufer, hängen die Bauzinsen in Deutschland doch zentral von der Höhe der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe ab. Zu Wochenbeginn lagen die Bauzinsen für zehnjährige Finanzierungen über der Marke von vier Prozent, wie Daten der Frankfurter FMH-Finanzberatung und des Kreditvermittlers Interhyp zeigten.
Damit haben die Zinsen für solche Darlehen den höchsten Stand seit Oktober erreicht. Auch wenn die Bankenturbulenzen aktuell wieder für sinkende Renditen bei Bundesanleihen und damit auch für sinkende Bauzinsen sorgen, rechnen Experten mittelfristig mit weiter anziehenden Bauzinsen. Im Gespräch mit tagesschau.de bezeichnete FMH-Experte Max Herbst jüngst einen Anstieg der Bauzinsen auf fünf Prozent noch in diesem Jahr als "gar nicht einmal so utopisch".
Altersvorsorge: Lebensversicherte profitieren eher langfristig
Etwas komplizierter sind die Folgen der gestiegenen Leitzinsen in der Eurozone für Bürger, die Kapitallebensversicherungen oder Pensionsversicherungen abgeschlossen haben. Auf den ersten Blick sind die höheren Zinsen klar positiv, so haben etwa unter anderen Branchenprimus Allianz sowie die R+V Leben die Gesamtverzinsung für 2023 deutlich angehoben.
Lebensversicherungen investieren das Geld ihrer Kunden nämlich in erster Linie in festverzinsliche Wertpapiere wie eben Staatsanleihen. Mittelfristig dürften daher auch die Überschussbeteiligungen für die Kunden zulegen. Doch die Branche leidet unter stillen Lasten, denn ein Großteil des Geldes ist bereits in langfristige Anlagen investiert - und zwar zum alten, niedrigeren Zinsniveau. Es dürfte daher etwas dauern, bis die positiven Effekte der gestiegenen Zinsen bei den Kunden der in Deutschland so beliebten Altersvorsorge ankommen werden.