Zinsen
Hintergrund

EZB erhöht Zinsen deutlich Welcher Leitzins für Sparer wichtig ist

Stand: 21.07.2022 14:38 Uhr

Was viele nicht wissen: Es gibt nicht den einen Leitzins der EZB, sondern gleich drei. Während der eine besonders im Fokus der Medien steht, ist ein anderer speziell für Sparer von Bedeutung.

Von Angela Göpfert, tagesschau.de

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinswende eingeleitet und die Leitzinsen angehoben. Plural, nicht Singular: Denn tatsächlich hat die EZB gleich drei Leitzinsen im Repertoire. Diese drei Zinsen wirken jedoch ganz unterschiedlich und haben mal mehr, mal weniger direkte Auswirkungen auf Verbraucher, Sparer und Anleger.

Im Fokus: die Hauptrefinanzierungsfazilität

Im Fokus der Medien steht dabei meist die Hauptrefinanzierungsfazilität. Dieser Leitzins rangierte seit März 2016 bei exakt null Prozent. Auf ihrer Juli-Sitzung haben die Währungshüter nun aber einen überraschend großen Zinsschritt unternommen und den Hauptrefinanzierungszins deutlich auf 0,5 Prozent erhöht. Die Hauptrefinanzierungsfazilität legt fest, zu welchem Zinssatz sich Banken über einen längeren Zeitraum Geld von der Zentralbank leihen können. Die Mindestlaufzeit beträgt hier eine Woche.

Dabei gilt: Steigt der Hauptrefinanzierungszins, so steigen nicht nur die Kosten für Banken. Die Geldinstitute geben die gestiegenen Kosten nämlich in der Regel direkt an Verbraucher und Unternehmen in Form höherer Zinsen auf Privat- und Firmenkredite weiter. Und das ist von der EZB auch durchaus so gewollt.

Kampf gegen die Inflation

Die Hauptrefinanzierungsfazilität wirkt sich damit nämlich direkt auf die Höhe der Ausgaben, der Kreditaufnahme und des Sparbetrages innerhalb des Währungsraums aus. Sie spielt somit eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Geldentwertung zu stoppen und die Inflationserwartungen in den Griff zu bekommen.

Angesichts einer Rekordinflation von 8,6 Prozent im Juni in der Eurozone ist das auch dringend nötig. Die Inflation in der Währungsunion liegt damit nämlich über viermal so hoch wie die Zielmarke der EZB. Die Währungshüter streben eine Inflation von mittelfristig zwei Prozent an. Dabei ist in den Augen der EZB eine zu niedrige Inflationsrate genauso negativ wie eine zu hohe Inflationsrate.

Spitzenrefinanzierungssatz - Übernachtkredite für Banken

Im Kampf gegen die Inflation kommt aber auch dem Spitzenrefinanzierungssatz eine wichtige Funktion zu. Der Spitzenrefinanzierungssatz beziffert die Kosten, zu denen sich Banken kurzfristig, etwa über Nacht, bei der EZB Geld leihen können. Seit März 2016 lag er bei 0,25 Prozent; nun hoben ihn die Währungshüter um Christine Lagarde auf 0,75 Prozent an.

Mit dem Spitzenrefinanzierungssatz steuert die Europäische Zentralbank die Liquiditätsversorgung der Geschäftsbanken. Ein niedriger Spitzenrefinanzierungssatz führt tendenziell zu einer erhöhten Geldmenge sowie zu einer beschleunigten Geldumlaufgeschwindigkeit und damit zu einer anziehenden Inflation.

Negative Einlagefazilität ist jetzt Geschichte

Gegenstück der Spitzenrefinanzierungsfazilität ist die Einlagefazilität der EZB. Damit werden Übernachtanlagen von Geschäftsbanken bei der Notenbank verzinst. Ist er positiv, verdienen Banken, die überschüssige Liquidität bei der EZB "parken", Geld. Doch seit 2014 war der Einlagenzins negativ, seit 2019 betrug er minus 0,5 Prozent.

Banken, die es nicht schafften, überschüssiges Geld als Kredit weiterzuvermitteln oder anderen Banken Geld zu leihen, wurden dafür also von der EZB bestraft. Doch damit ist nun Schluss: Der Einlagenzins steigt auf 0,0 Prozent, er entfällt also. Der Minuszins ist damit endgültig Geschichte.

Sparer hatten lange das Nachsehen

Das ist auch für Sparer eine gute Nachricht, wurden diese doch von ihren Geldhäusern zuletzt immer stärker zur Kasse gebeten. Die Banken hatten den negativen Einlagenzins teilweise direkt an die Privatkunden weitergegeben - in Form eines sogenannten "Verwahrentgelts".

Für Guthaben auf Girokonten - zum Teil schon ab 5000 oder 10.000 Euro - mussten Bankkunden Zinsen an ihre Bank zahlen. In Erwartung eines steigenden Einlagenzinses hatten zuletzt viele Banken eine (baldige) Reduzierung des Verwahrentgelts oder zumindest eine Anhebung des Freibetrags angekündigt.

Verwahrentgelt vor dem Aus

Einige Banken haben den Negativzins auf Einlagen im Vorgriff auf die geldpolitische Wende der EZB sogar schon komplett gestrichen. Experten sind überzeugt: Spätestens jetzt, da die Einlagefazilität wieder bei null liegt, dürften die Strafzinsen für Sparer auf breiter Front wegfallen.

Sparer sollte das aber über eines nicht hinwegtäuschen: Der Realzins, also der Nominalzins abzüglich der Inflationsrate, dürfte noch sehr lange im negativen Bereich verharren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. Juli 2022 um 12:00 Uhr.