Verschiedene Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem Einkaufswagen.
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Inflation bei Lebensmitteln Wo die Preissprünge am größten sind

Stand: 04.09.2023 10:52 Uhr

Bei Markenprodukten machen sich die hohen Lebensmittelpreise besonders bemerkbar. Dabei schwanken die Preise teilweise erheblich. Ist die Inflation ein Vorwand für überzogene Erhöhungen?

Vertraute Produkte, vertraute Preise? Das gilt, zumal in Zeiten anhaltend hoher Inflation, nicht unbedingt. Immer wieder erleben Verbraucher beim Einkauf, dass ausgerechnet jene Lebensmittel, die sie im Alltag begleiten, plötzlich teurer geworden sind. Das lässt Zweifel an der Begründung solcher Preisanstiege aufkommen. Vor allem, wenn die Preise stärker steigen, als es die höheren Kosten erklären können - darauf hat das Wirtschaftsforschungsinstitut ifo bereits im vergangenen Jahr hingewiesen. Wer profitiert hier wirklich?

47 Prozent mehr für Frischkäse

Sven Reuter, Geschäftsführer der Great Value Group und Erfinder der Preisvergleich-App "Smhaggle", beobachtet die Preisentwicklungen auf dem Markt. Die funktioniert so, dass Nutzer der App ihre Kassenbons hochladen. Reuter fällt auf: Manche Lebensmittel kosten ohne einen nachvollziehbaren Grund plötzlich erheblich mehr. "In den letzten eineinhalb Jahren sind deutlich über 70 Prozent aller Produkte teurer geworden", sagt Reuter. Manche Produkte würden sogar günstiger, während andere regelrechte Preissprünge erlebten.

Ein Beispiel: die Frischkäsezubereitung der Marke Philadelphia. Im August 2021 lag der Preis bei 1,49 Euro und änderte sich bis Anfang 2022 nicht. Dann stieg er auf 1,85 Euro und zuletzt auf 2,19 Euro - ein Preisanstieg von insgesamt 47 Prozent. Gemeint ist der deutschlandweit vorherrschende Regalpreis, denn die Preise können regional und in den vom Handel geführten Märkten variieren. Die enorme Verteuerung steht im Gegensatz zu anderen Milchprodukten wie etwa Butter, die günstiger wurden. Hersteller Mondelez erklärt lediglich: "Die Gestaltung der Endverbraucherpreise liegt alleine beim Lebensmitteleinzelhandel."

Lebensmittel-Teuerung besonders stark

Trotz einer leicht abgeschwächten Inflation bleibt die Teuerung hierzulande auf einem hohen Niveau. Besonders bei Nahrungsmitteln ist der Preisanstieg deutlich spürbar. Laut dem Statistischen Bundesamt sind die Nahrungsmittelpreise zwischen Juli 2021 und Juli 2023 um 27,2 Prozent gestiegen - eine Steigerung, die die allgemeine Inflation deutlich übertrifft. Sehr viele Verbraucher schränken sich deshalb beim Einkaufen ein.

Beispiel Nutella: Der Preis der Nuss-Nougat-Creme blieb lange stabil, zuletzt stieg er um zehn Prozent auf 3,29 Euro. 2021 kostete ein Glas noch 2,99 Euro. Nutella hat sich deutlich verteuert, doch der Anstieg blieb unterhalb der Inflationsrate. Laut Experte Reuter wird sie ohnehin gerne im Angebot gekauft.

Auf Angebot und Nachfrage kommt es an

Stärkere Preiserhöhungen hat es bei Tiefkühlpizza gegeben. Während der Hersteller Dr. Oetker für seine "Ristorante Pizza Salami" nach mehreren Preiserhöhungen nun 3,49 Euro verlangt, liegt beim Wettbewerber Wagner der Preis für die Steinofen-Salamipizza bei 3,39 Euro. Der gesamte Preisanstieg liegt hier im Zeitraum August 2021 bis August 2023 bei 29,7 beziehungsweise 36,1 Prozent.

Reuter zufolge beobachten Hersteller und Händler den Markt und die Konkurrenz genau. "Sicherlich sind die Rahmenbedingungen nicht teurer geworden, sondern da wird der Hersteller wahrscheinlich gesagt haben: Wenn dieser Hersteller den Preis verlangen kann, dann können wir den auch verlangen."

Auf Anfrage nennen beide Unternehmen andere Gründe für den Preisanstieg, darunter höhere Kosten und veränderte Marktbedingungen. Die Supermarktkette Kaufland teilt mit: "Die Preisgestaltung einzelner Produkte orientiert sich nicht nur an den Rohstoffpreisen, sondern unter anderem auch an der jeweiligen lokalen Marktsituation beziehungsweise am Wettbewerb sowie an Angebot und Nachfrage."

Wie Iglo auf Marktverhalten reagiert

Bei Iglo-Fischstäbchen stellt Sven Reuter eine Besonderheit fest: Fast 90 Prozent der Käufe werden zu Aktionspreisen getätigt, der normale Preis scheint den Kunden also zu teuer zu sein. Fischstäbchen würden vor allem von Haushalten mit Kindern gekauft. "Das merkt natürlich der Hersteller und der Händler, dass weniger Menschen zum Regalpreis kaufen", so Reuter.

Und tatsächlich: Die Fischstäbchen von Iglo kosteten von August 2021 bis Januar 2022 noch 3,49 Euro. Danach gab es einen enormen Preissprung auf 4,89 Euro. Im August 2023 fiel der Preis dann wieder auf 3,99 Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 40,1 Prozent - gefolgt von einem Rückgang von 18,4 Prozent. Vom ersten bis zum letzten Preis liegt der Anstieg noch bei 14,3 Prozent.

Pril-Preise gehen rauf und runter

Ein Produkt, das den Daten zufolge besonders starken Preisschwankungen unterliegt, ist das Spülmittel Pril. Die Preise schwanken stetig zwischen 1,25 Euro und 1,85 Euro.

Sven Reuter hat beobachtet, dass nach anfänglich niedrigen Preisen während der Energiekrise Erhöhungen folgten. Man habe versucht das Maximum zu erzielen - dann aber gesehen, dass es Kaufzurückhaltung gab, weil Wettbewerber nicht mitzogen. "Daraufhin sind die Preise wieder gesenkt worden, um jetzt wieder den Preis nach oben hin anzupassen und einen deutlich höheren Preis zu verlangen - vielleicht auch zu etablieren und nachhaltig Geschäfte zu machen."

Der Hersteller Henkel verweist darauf, dass das Unternehmen dem Handel nur eine "unverbindliche Preisempfehlung" mache. Die Preise im Supermarkt legt der Einzelhandel fest. Gleichzeitig kommen die Vorgaben von den Herstellern - mit ihren Einkaufspreisen für Rewe, Edeka und Co. Und klar ist: Handel und Hersteller versuchen alles, um herauszufinden, wie viel Verbraucher für ein bestimmtes Produkt hinzulegen bereit sind.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der HR in der Sendung Mex am 24. Mai 2023 um 20:15 Uhr.