Frauen nehmen sich Obst aus Kisten in einem Geschäft in Den Haag.

Stagnierende Teuerung Wie stark die Euro-Inflation auseinanderklafft

Stand: 31.08.2023 14:01 Uhr

Die Eurozone kämpft weiterhin gegen die hohe Inflation, jedoch mit erheblichen Unterschieden zwischen den Mitgliedsländern. Die durchschnittliche Inflationsrate verharrt im August bei 5,3 Prozent.

Die Inflation in der Eurozone lag im August laut Europäischer Statistikbehörde (Eurostat) bei 5,3 Prozent und bleibt damit unverändert. Dabei entwickelt sich die Teuerungsrate in den einzelnen Mitgliedsstaaten der Währungsunion unterschiedlich.

In den Niederlanden geht die Inflation beispielsweise deutlich schneller zurück als im Nachbarland Deutschland. Laut erster Eurostat-Schätzung stieg die Rate dort lediglich um 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat - der niedrigste Wert seit zwei Jahren. Zum Vergleich: In Deutschland ist die Inflationsrate aktuell mit 6,4 Prozent fast doppelt so hoch. Wenn europäische Länder verglichen werden, werden in der Regel die Daten von Eurostat verwendet, die die Inflation etwas anders berechnen als die nationalen Behörden.

Schnellerer Rückgang dank sinkender Energiepreise

"Die niederländische Inflation nimmt schneller ab, da die Energiepreise schneller sinken als in Deutschland", erklärte der Chefvolkswirt vom Finanzhaus ING, Carsten Brzeski. "Das hat natürlich mit den eigenen Gasvorkommen zu tun, aber auch mit flexibleren Verträgen." Dadurch würden die zuletzt gesunkenen Marktpreise etwas schneller beim Verbraucher ankommen. Hinzu komme, dass die Methode für die Datenerhebung bei den Energiepreisen im Sommer verändert worden sei: "Vorher wurden nur neu abgeschlossene Verträge berücksichtigt, jetzt auch alte, noch laufende", ergänzte Brzeski.

Im Juli lag die Teuerungsrate in den Niederlanden noch bei 5,3 Prozent. Im September 2022 erreichte sie aufgrund des russischen Krieges gegen die Ukraine mit 17,1 Prozent ihren Höchststand. Im August dieses Jahres sorgten die Energiepreise für Entspannung, da sie im Vergleich zum Vorjahr um 28,6 Prozent zurückgingen. Lebensmittel hingegen verteuerten sich um zehn Prozent erneut außergewöhnlich stark.

Zum Vergleich: In Deutschland stiegen die Energiepreise dem Statistischen Bundesamt zufolge im August um 8,3 Prozent zum Vorjahresmonat und damit stärker als im Juli mit 5,7 Prozent. Nahrungsmittel verteuerten sich hingegen mit 9,0 Prozent nicht ganz so stark wie in den Niederlanden.

Spaniens Inflation bei 2,4 Prozent

Fast nirgends im Euroraum ist die Inflation so niedrig wie in Spanien. Die Teuerungsrate lag im August bei 2,4 Prozent, wie Eurostat zuletzt mitteilte. Auch hier ist der Hauptgrund - wie in den Niederlanden - die sinkenden Energiepreise. 

Der historisch hohe Energiebedarf Spaniens und die gleichzeitig mangelhafte Anbindung der Energieinfrastruktur an den Rest Europas haben dazu geführt, dass Spanien seit Längerem Öl und Gas aus aller Welt bezieht. Während die gesamte EU im Jahr 2019 fast ein Drittel (32,6 Prozent) ihrer importierten Energie aus Russland bezog, waren es im spanischen Fall lediglich 6,8 Prozent - so das Ergebnis einer Studie der spanischen Zentralbank. Durch die größere Auswahl konnten das Land im Durchschnitt günstiger einkaufen als ihre EU-Partner.

Gesamte Eurozone verzeichnet Stagnation

Während die Inflationsrate in Spanien fast schon dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank entspricht, liegt die Teuerung in der Slowakei im August laut Eurostat bei 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch in Österreich ist die Teuerung mit 7,6 Prozent besonders hoch.

Dass die durchschnittliche Inflationsrate in der Eurozone bei 5,3 Prozent stagniert, war nicht erwartet worden. Analysten hatten mit einem Absinken auf 5,1 Prozent gerechnet. "Im Euroraum haben höhere Energiepreise den erwarteten Rückgang der Inflationsrate im August verhindert", kommentierte Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank.

In anderen Sektoren schwächte sich der Preisauftrieb aber weiter ab. Lebens- und Genussmittel waren zwar immer noch 9,8 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, der Trend zeigt aber weiter nach unten. Die Preise von Industriewaren und Dienstleistungen stiegen nicht ganz so deutlich wie im Vormonat.

Weitere Zinserhöhungen denkbar

Das Inflationsziel der Europäische Zentralbank (EZB) von mittelfristig zwei Prozent wird somit nach wie vor klar überschritten. Im vergangenen Jahr war die Inflation infolge des Ukraine-Kriegs zeitweise zweistellig gewesen. Die EZB stemmt sich gegen die Entwicklung mit kräftigen Zinserhöhungen: Seit Sommer 2022 hat sie ihre Leitzinsen um insgesamt 4,25 Prozentpunkte angehoben. Der weitere Kurs ist ungewiss.

"In der Haut der EZB möchte man derzeit nicht stecken", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. "Die Inflation ist hoch und die Wirtschaft schwach." Da die EZB mit der Inflationsbekämpfung ein klares Mandat habe, gebe es zu einer Zinserhöhung im September keine Alternative.

Mit Informationen von Emal Atif, tagesschau.de

Jakob Mayr, ARD Brüssel, tagesschau, 31.08.2023 13:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 31. August 2023 um 13:15 Uhr.