Debatte über Übergewinne Welche Profite sind zu hoch?
Einige Unternehmen profitieren besonders von der aktuellen Krise. Der Vorwurf: Sie nutzten die steigende Inflation für ihr Geschäft. Das Wort der "Gierflation" macht die Runde. Was ist wirklich dran?
Erst ist es der Bundeskanzler, der auf Twitter Firmen kritisiert, die große Gewinne machen. "Das ist nicht ok", schreibt Olaf Scholz Anfang Juli. Aus diesem harmlosen "nicht ok" ist inzwischen die Forderung nach einer Steuer auf zu hohe Gewinne geworden - nicht formuliert von Bundeskanzler Scholz selbst, dafür aber von der SPD-Parteichefin Saskia Esken oder der Grünen-Co-Vorsitzenden Ricarda Lang.
Kritik von der EZB
Nutzen Unternehmen die derzeitig hohe Inflation aus, um praktisch in deren "Windschatten" zusätzlich die Preise zu erhöhen, und so noch mehr Gewinn zu machen? In den USA läuft darüber eine Debatte unter Ökonomen, die nebenbei einen neuen Begriff erfunden haben: "Greedflation". Auf Deutsch: "Gierflation". Eine Inflation, die durch die Gier von Unternehmen weiter angetrieben wird.
EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte vor kurzem in einer Rede gesagt: "Provokant ausgedrückt: Viele Unternehmen in der Euro-Zone, wenn auch bei weitem nicht alle, haben von dem jüngsten Inflationsanstieg profitiert." Diese Aussage wurde als Kritik an Unternehmen interpretiert. Dazu erklärt die EZB auf Nachfrage, es sei nicht Sache der Europäischen Zentralbank, die Privatwirtschaft zu kritisieren.
Keine Gier, sondern "Nachhol-Inflation"?
Einige Ökonomen weisen darauf hin, dass in einer Marktwirtschaft die Gewinnmaximierung von Unternehmen nicht als Gier bezeichnet werden könne. Manche Wirtschaftsexperten in den USA sahen kurz nach der Rücknahme der Corona-Einschränkungen Anzeichen einer "Greedflation". Die These: Die Menschen hatten Nachholbedarf, die Preise konnten teilweise übermäßig erhöht werden.
Zu lesen ist in diesem Zusammenhang öfter von einer Art "Corona-Nachhol-Inflation" - etwa in der Gastronomie. Auf einem anderen Papier stehen nun die immensen Gewinne etwa der Mineralölkonzerne, bei denen vor allem seit Beginn des Kriegs in der Ukraine die Kassen klingeln. Auch hier erwarten Beobachter aber, dass die Gewinne nur kurzfristig höher ausgefallen und der Markt die Preise wieder reguliere.
Wettbewerb sorgt für ausgleichende Preise
Ob Unternehmen die Preise tatsächlich aktiv nach oben treiben können, hängt vor allem von ihrer Marktmacht ab. So können Monopolisten die Preise diktieren, während Preissteigerungen in einem umkämpften Markt immer begrenzt sind. So sieht es Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt: "Es braucht eine Wettbewerbsordnung, um zu viel Marktmacht zu verhindern."
Vom Begriff "Gierflation" hält der Wirtschaftswissenschaftler nichts. Es sei nicht verwerflich, wenn ein Unternehmen den Preis für sein Gut erhöhe. "Der Wettbewerb sorgt dafür, dass Preise und Gewinn zurückgehen", sagt Wieland. Das Konzept einer Steuer auf Übergewinne sieht er skeptisch und fragt: "Welcher Gewinn ist zu hoch?" Ohnehin würden Gewinne in Deutschland schon hoch besteuert.
"Verfassungsrechtlich schwierig"
Ähnlich blickt Thomas Obst vom Institut der Deutschen Wirtschaft auf die Debatte. Auch er sieht die Politik vor allem in der Pflicht, Oligopolstrukturen zu vermeiden. Die Übergewinnsteuer ist seiner Ansicht nach dagegen ein schlechtes Instrument und darüber hinaus "verfassungsrechtlich schwierig". Die deutsche Verfassung sehe strengere Regeln vor als die meisten Gesetzeswerke im Ausland.
"Gierflation" ist für Obst kein Phänomen, sondern ein "Vorwurf". Sowieso erwartet er in den kommenden Monaten eine Dämpfung der Inflation und führt das auf eine zu erwartende fallende Nachfrage zurück. Zur Debatte über die Übergewinnsteuer sagt Obst: "Statt neue Verteilungsdebatten zu entfachen, sollten wir überlegen, wie wir gemeinsam mit dem Inflationsschock umgehen können."
Kein einfacher Ausweg aus der Inflation
Viele Wirtschaftswissenschaftler sehen in der Diskussion über "Gierflation" die Verantwortung bei den Notenbanken. Die müssten die Inflation bekämpfen, indem sie die Zinsen erhöhen. Auch Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher von der Hochschule für Philosophie in München findet: "Die Zentralbanken haben mit der Abkehr von ihrer lockeren Geldpolitik spät reagiert."
Zu spät? Einen einfachen Ausweg aus der Inflation gebe es nicht, meint Wallacher, "weil viele der Faktoren, welche den Preisanstieg antreiben, nicht so schnell verschwinden werden". Die Politik müsse sich darauf konzentrieren, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen wirksam abzufedern. Doch auch der Wirtschaftsethiker ist kein Freund einer Übergewinnsteuer: "Ein schärferes Kartellrecht würde ich bevorzugen."