Verschärftes Öl-Embargo gegen Russland Werden Diesel und Heizöl jetzt teurer?
Am Sonntag ist der dritte Teil des EU-Embargos gegen russisches Öl in Kraft getreten. Droht Diesel- und Heizöl-Kunden wegen des Wegfalls der Lieferungen aus Russland nun ein böses Erwachen?
Die EU hat die dritte Stufe ihres Embargos gegen russisches Öl gezündet. Nach dem Stopp der russischen Öl-Importe in die EU über den Seeweg und die Druschba-Pipeline sind nun raffinierte Mineralölprodukte betroffen - wie Diesel, Heizöl und Kerosin. Ziel ist es, die Kriegskasse des Kreml-Herrschers Wladimir Putin weiter zu leeren. Doch nicht nur Putin dürfte das neue Embargo schwer treffen. Schließlich ist Russland bislang der mit Abstand wichtigste Diesel-Lieferant für Deutschland und die EU.
"Wir stehen vor der Herausforderung, in Deutschland rund vier Millionen Tonnen Diesel pro Jahr zu ersetzen, die bislang aus Russland eingeführt wurden. Das entspricht rund einem Achtel des Bedarfs", erklärt Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer von en2x, einem Lobbyverband der Mineralölindustrie.
Stufe 1: Stopp der Öl-Importe in die EU über den Seeweg am 5. Dezember 2022
Stufe 2: Stopp der Öl-Einfuhr über die Druschba-Pipeline am 1. Januar 2023
Stufe 3: Ausweitung des Embargos auf Diesel und andere Mineralölprodukte am 5. Februar
Immer noch große Abhängigkeit von Russland
Wie abhängig die Volkswirtschaften der Europäischen Union von russischen Diesel-Lieferungen sind, zeigt auch ein Blick in den monatlichen Öl-Report der Internationalen Energie-Agentur (IEA). Danach hat die EU im Dezember mehr als 700.000 Barrel Diesel pro Tag aus Russland importiert. Das war der höchste Wert seit März 2021.
"Die EU-Staaten hatten nach dem Beschluss des Öl-Embargos acht Monate Zeit, unabhängiger von Diesellieferungen aus Russland zu werden. Unternommen haben sie aber nichts", moniert Carsten Fritsch, Rohstoff-Experte der Commerzbank, gegenüber tagesschau.de.
Öl- und Dieselmarkt bislang entspannt
Im Vorfeld des Öl-Embargos herrschte am Öl- und Dieselmarkt zuletzt eine bemerkenswert entspannte Atmosphäre. Der Preis für ein Barrel Nordsee-Öl war seit Ende Januar deutlich gefallen auf rund 82 Dollar. An den deutschen Tankstellen gab der Preis für einen Liter Diesel in der Woche zum 31. Januar um 2,6 Cent auf durchschnittlich 1,832 Euro nach.
"Die Marktteilnehmer scheinen das Embargo bislang recht gelassen zu nehmen. Dass die neue Stufe des Öl-Embargos spurlos an den Märkten vorübergehen wird, wage ich aber stark zu bezweifeln. Ich wäre überrascht, würde es nicht zu Friktionen kommen", so Fritsch.
Rohstoffexperte: Dieselpreis dürfte steigen
Tatsächlich müssen die fehlenden Mineralölprodukte aus Russland ab dem 5. Februar durch zusätzliche Importe ersetzt werden, zum Beispiel aus Asien, den USA oder dem arabischen Raum. Dadurch werden sich die Transportrouten für Diesel und Heizöl erheblich verlängern. Zugleich wird die Nachfrage nach Tankschiffen, die Diesel und Heizöl nach Europa transportieren, steigen.
"Das bedeutet höhere Transportkosten und die Verknappung von Tankerkapazitäten. Unterm Strich wird weniger Diesel am Weltmarkt zur Verfügung stehen. All das wirkt tendenziell preissteigernd", erklärt Rohstoff-Experte Fritsch.
Für den ADAC ist der Diesel-Importstopp derweil kein Grund für höhere Preise. Der Lobbyverband sieht nach eigenen Angaben "derzeit keinen Anlass für Preissteigerungen an den Zapfsäulen". Nach Einschätzung des ADAC sind die Kraftstoffpreise schon heute deutlich überhöht.
"Driving Season" dürfte Problem verschärfen
Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest rechnet hingegen mit spürbaren Marktreaktionen auf das Ölembargo und weist dabei auf ein zusätzliches Problem hin: "Der Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Ölembargos ist aus preislicher Sicht ungünstig, weil im März, April die 'Driving Season' beginnt."
Der Zeitraum vor Ostern und bis Pfingsten geht üblicherweise mit einem stark erhöhten Verkehrsaufkommen einher, was sich in steigenden Ölpreisen widerspiegelt. Vor dem Hintergrund dieses saisonalen Effektes dürften sich Preissteigerungen bei Diesel nicht vermeiden lassen, betont Rethfeld gegenüber tagesschau.de.
Ungünstig ist das Timing des Embargos aus preislicher Perspektive aber auch mit Blick auf China: Die Volksrepublik öffnet ihre Wirtschaft nach den strikten Corona-Lockdowns allmählich wieder; eine höhere globale Nachfrage nach Diesel trifft also auf ein verringertes Angebot.
Indirekte Effekte für Verbraucher möglich
Steigende Dieselpreise dürften aber wiederum Hand in Hand gehen mit steigenden Heizölpreisen. "Heizöl und Diesel sind prinzipiell das gleiche Produkt, werden lediglich als Heizöl und Diesel unterschiedlich deklariert", erklärt Rethfeld. Unterm Strich könnte es für Heizöl- und Dieselkunden damit demnächst ein böses Erwachen geben angesichts steigender Preise infolge des Embargos.
Dabei dürften die Bürger der EU die Effekte des Öl-Embargos nicht nur direkt in Form steigender Diesel- und Heizölpreise zu spüren bekommen. Auch indirekte Effekte werden wohl nicht ausbleiben, wenn die steigenden Transport- und Produktionskosten der Unternehmen etwa in den Supermärkten an den Endverbraucher weitergegeben werden.