Steigender Kurs der Währung Wer vom Aufwärtstrend beim Euro profitiert
Der Euro notiert im Vergleich zum Dollar so hoch wie seit April 2022 nicht mehr. Und ein Ende des Trends scheint nicht in Sicht. Der wieder erstarkende Euro ist zumindest für Verbraucher eine gute Nachricht.
Die europäische Gemeinschaftswährung feiert 2023 eine kleine Renaissance. Dabei ist es gar nicht einmal so lange her, dass für einen Euro weniger als ein Dollar gezahlt wurde. Im September vergangenen Jahres markierte die europäische Gemeinschaftswährung bei 0,9538 Dollar den tiefsten Stand seit 20 Jahren.
Noch bis Anfang November verharrte er dann unterhalb der Dollar-Parität. Doch seither hat der Euro mächtig aufholen können. Am Vortag zog der Euro bis auf 1,0929 Dollar an und notierte damit so hoch wie seit April 2022 nicht mehr. Das entspricht, ausgehend vom September-Tief, einem Plus von mehr als 14 Prozent.
Euro bald bei 1,10 oder gar 1,12 Dollar?
Ein Ende der Aufwärtsbewegung scheint noch nicht in Sicht. Kurzfristig könne der Euro bis auf 1,10 Dollar steigen, ist Devisen-Expertin Antje Praefcke von der Commerzbank überzeugt. Womöglich ist aber auch noch mehr drin. Aus technischer Perspektive ist der Aufwärtstrend jedenfalls intakt, erste Widerstände sind erst bei 1,12/1,13 Dollar auszumachen.
Der wieder erstarkte Euro-Dollar-Kurs spiegelt in erster Linie die geldpolitischen Erwartungen der Anleger wider. Aktuell gibt es aus Sicht des Marktes einfach mehr Argumente für eine starke Europäische Zentralbank (EZB) und für eine weniger aggressive Federal Reserve (Fed).
EZB plant weitere große Zinsschritte
Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibe glaubhaft, was ihren Kampfeswillen gegen die Inflation anbelangt, wohingegen der Zinszyklus der US-Notenbank Fed sich verlangsamen und dem Ende zuneigen könnte, erklärt Devisen-Analystin Praefcke. "Die EZB ist noch weit davon entfernt, das Tempo der Zinserhöhungen zu drosseln", ist auch DWS-Volkswirtin Europa, Ulrike Kastens, überzeugt.
Zuletzt hatten sich mehrere EZB-Vertreter für weitere große Zinsschritte von 50 Basispunkten auf den Sitzungen im Februar und März ausgesprochen. Insgesamt dürfte der Euro-Leitzins bis Juli noch um 150 Basispunkte steigen, betont Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest mit Blick auf die Futures-Märkte.
Zugleich rechnen Marktteilnehmer dem Fed Watch Tool der CME Group zufolge nur noch mit zwei kleinen Zinsschritten von jeweils 0,25 Prozentpunkten auf den kommenden Fed-Sitzungen. Im März sollte der Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank abgeschlossen sein. Für den Herbst werden schon erste Zinssenkungen eingepreist.
Konjunkturperspektiven aufgehellt
Für den Euro sprechen dabei auch die verbesserten konjunkturellen Aussichten im Währungsraum. Zuletzt hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass eine Rezession im laufenden Jahre allenfalls sehr milde ausfallen dürfte. Bestenfalls ist sogar ein Mini-Wachstum drin.
"Dies wiederum spräche aber für anhaltend erhöhte Inflationsrisiken, unter anderem aufgrund von Zweitrundeneffekten, und erhöhte Wachsamkeit der EZB, die ihren Zinszyklus möglicherweise weiter fortführen müsste, als derzeit signalisiert und vom Markt eingepreist. Entsprechend wäre dies ein positiver Faktor für den Euro", erklärt Praefcke.
Was Anleger jetzt beachten müssen
Der starke Euro ist allerdings ein Belastungsfaktor für die im DAX schwergewichteten deutschen Exportunternehmen, verteuert er doch ihre Waren in den Nicht-Euro-Ländern und verschlechtert so ihre Wettbewerbsposition. Thomas Gebert, Erfinder des Gebert-Börsenindikators, geht daher davon aus, dass ein starker Euro/US-Dollar-Kurs negativ für den DAX ist.
Auch für Anlegerinnen und Anleger im Dollar-Raum ist der starke Euro eine schlechte Nachricht, werden so doch mögliche Kursgewinne etwa mit US-Aktien zumindest teilweise durch die negativen Devisen-Effekte aufgezehrt. Dagegen werden Anlagen im Euro-Raum für Investoren etwa aus dem Dollar-Raum attraktiv.
Erleichterung für Touristen und Autofahrer
Für Geschäftsreisende und Touristen aus dem Euroraum wird derweil ein Aufenthalt in den USA deutlich günstiger. Auch Verbraucher und Unternehmen, die Waren und Rohstoffe aus dem Nicht-Euro-Raum beziehen, können aufatmen. Sie müssen nun weniger Euro auf den Tisch legen.
Das dürften etwa auch Heizöl-Kunden und Autofahrer positiv zu spüren bekommen. Denn Rohstoffe wie Öl werden in Dollar gehandelt. Steigt der Euro zum Dollar, müssen Käufer im Euroraum für die gleiche Menge Öl oder Sprit unter sonst gleichen Bedingungen weniger bezahlen. Der starke Euro dürfte damit unterm Strich auch für eine deutlich rückläufige importierte Inflation sorgen.
Gesunkener Gaspreis dämpft Inflation
Ohnehin rechnen Expertinnen und Experten für die kommenden Monate mit stark fallenden Inflationsraten. Sie verweisen dabei auch auf die gesunkenen Energiepreise. So notiert etwa der europäische Gas-Future TTF aktuell bei rund 60 Euro je Megawattstunde.
Damit liegt er zwar immer noch doppelt so hoch wie vor dem Ukraine-Krieg, aber zugleich über 80 Prozent unter seinem Höchststand von 345 Euro vom Sommer. "Die EZB wäre gut beraten, den jüngsten Preisrückgang des europäischen Energiemarktes in ihre Überlegungen einzubeziehen", erklärt Marktexperte Rethfeld gegenüber tagesschau.de.
Muss die EZB jetzt umdenken?
Zudem dürfte sich in den kommenden Monaten ein statistischer Effekt bemerkbar machen: Denn im Februar und März 2022 wurden mit 0,9 und 2,5 Prozent sehr hohe Monat-zu-Vormonat-Inflationssprünge verzeichnet. Wellenreiter-Experte Rethfeld spricht daher von der "Mutter aller Basiseffekte" und einer "hohen Hürde für all diejenigen, die davon ausgehen, dass die Inflation in diesem Jahr weiter steigen wird".
Eine weiter sinkende Inflationsrate dürfte es aber den EZB-Währungshütern massiv erschweren, ihr Inflations-Narrativ aufrechtzuerhalten und ihren restriktiven Zinserhöhungskurs wie geplant fortzusetzen. Gut möglich also, dass der Euro den größten Teil seines Anstiegs zum Dollar nun bereits hinter sich hat.