Niedrige Preise an Tankstellen Wird Sprit jetzt noch billiger?
Benzin und Diesel sind so billig wie seit drei Jahren nicht mehr. Was sind die Gründe? Und wie könnte es in den kommenden Monaten mit den Spritpreisen weitergehen?
An den Tankstellen purzeln die Preise immer tiefer. In der vergangenen Woche waren Benzin und Diesel sogar so billig wie seit Ende 2021 nicht mehr. Super E10 kostete im Schnitt 1,636 Euro, der Liter Diesel 1,530 Euro. Zwar kommt der Preisverfall für die vielen Sommerurlauber ein paar Wochen zu spät - doch gerade Auto-Pendler profitieren davon stark.
Starker Euro lässt Spritpreise sinken
Den Autofahrern kommt dabei auch der wiedererstarkte Euro zugute. Die europäische Gemeinschaftswährung lag zuletzt klar über der Marke von 1,11 Dollar. Zum Vergleich: Im April waren es noch 1,06 Dollar gewesen.
Da die Ölpreise in Dollar notieren, vergünstigt ein schwächerer Dollar Öl für Käufer aus dem Nicht-Dollar-Raum. Das spiegelt sich dann auch an den Tankstellen wider, sind die Ölpreise doch Taktgeber für die Spritpreise.
Ölpreise beschleunigen Abwärtstrend
Dabei hatten sowohl die US-Ölsorte WTI Crude als auch das Brent-Öl aus der Nordsee bereits im April ihre Jahreshochs markiert. Nach einem niedrigeren Hoch im Juli gerieten die Preise deutlich unter Druck; seit Anfang September beschleunigte sich die Abwärtsbewegung dann noch einmal. In der vergangenen Woche fiel der Brent-Preis erstmals seit Ende 2021 unter die Marke von 70 Dollar je Barrel.
Experten führen den massiven Preisrückgang seit dem Sommer in erster Linie darauf zurück, dass sich auf dem Weltmarkt die Perspektiven für die Nachfrage eingetrübt haben. Das spiegelt sich auch in den Prognosen der Internationalen Energieagentur wider: So ging die IEA zu Jahresbeginn noch davon aus, dass die globale Ölnachfrage in diesem Jahr um 1,2 Millionen Barrel pro Tag steigen würde. Mittlerweile rechnet sie nur noch mit einem Anstieg um gut 900.000 Barrel pro Tag.
China - vom Treiber zum Bremser am Ölmarkt
Auf der Suche nach Gründen für den markanten Nachfrageeinbruch zeigen Experten mit dem Finger auf China: Die sich eintrübenden Konjunkturaussichten für die Volksrepublik haben unmittelbare Folgen für die Ölnachfrage; immerhin ist China stark von Öl abhängig. Schwächelt Chinas Wirtschaft, schwächelt auch die Nachfrage nach dem "schwarzen Gold".
Die IEA hat ihre Nachfrageprognose für die Volksrepublik zuletzt von 700.000 auf 180.000 Barrel pro Tag gekappt. Der Anteil Chinas am weltweiten Nachfragewachstum schrumpft damit auf 20 Prozent. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr lag der Anteil noch bei gut 75 Prozent.
"China ist somit vom Treiber zum Bremsklotz für die weltweite Ölnachfrage geworden", schlussfolgert Carsten Fritsch, Rohstoffexperte der Commerzbank. "Daran dürfte sich auch im nächsten Jahr wenig ändern."
Mehr E-Autos, weniger Nachfrage nach Benzin
Mit Blick auf die globale Benzinnachfrage dürfte sich dabei auch ein Bremseffekt durch die steigende Zahl von E-Autos in der Fahrzeugflotte bemerkbar machen, betont der Commerzbank-Analyst. In diesem Jahr dürfte in China der Anteil von E-Autos an den Neuwagen die Marke von 40 Prozent erreichen.
Kurzfristig gibt die heutige Ankündigung weitreichender Konjunkturmaßnahmen durch die chinesische Zentralbank den Ölpreisen zwar Auftrieb. Dass das zu einem nachhaltigen Preisanstieg führt, darf allerdings bezweifelt werden.
Die OPEC+ könnte einen Fehler machen
Angesichts der geringeren Nachfrage im Abnehmerland China verwundert das Vorgehen der OPEC+. Das Ölkartell hält unbeirrbar an seinem Plan fest, die seit Jahresbeginn geltenden freiwilligen Produktionskürzungen im Umfang von 2,2 Millionen Barrel pro Tag schrittweise zurückzunehmen.
"Anstatt die Produktion auszuweiten, müsste die OPEC+ eigentlich über eine weitere Kürzung der Produktion nachdenken, um ein Überangebot am Markt im nächsten Jahr zu verhindern", unterstreicht Rohstoff-Experte Fritsch. Außerdem sollten Länder wie der Irak und Kasachstan zu mehr Disziplin bei der Umsetzung der vereinbarten Kürzungen angehalten werden.
Bald massives Überangebot an Öl?
Mit Blick auf die düsteren Nachfrageperspektiven Chinas einerseits und die Pläne der OPEC+ andererseits droht damit unterm Strich ein massives Überangebot an Öl. Weiter fallende Ölpreise in diesem wie im kommenden Jahr wären die Folge. Damit kann es gut sein, dass auch an den Tankstellen die Tiefstpreise noch nicht erreicht sind.
Kurzfristig scheint allerdings nach dem starken Preisverfall eine Gegenbewegung wahrscheinlich. Zumal sich am Markt auch spekulative "Short-Positionen" bei Brent aufgebaut haben. Dabei wetten Investoren auf sinkende Preise. Eine solch extrem negative Stimmung der Anleger deutet auf eine Übertreibung hin.
Entsprechend sehen Experten darin auch einen Kontraindikator, also einen Hinweis auf steigende Öl- und damit auch Spritpreise - zumindest in der kurzfristigen Perspektive. Denn wenn die meisten Anleger bereits negativ gestimmt sind, fehlen am Markt weitere Verkäufer; alle Pessimisten haben ja bereits verkauft, so die Logik dahinter.
Möglicher Einfluss auf die US-Wahl
Dabei hat die Höhe der Öl- und Spritpreise nicht nur Folgen für die Wirtschaft, für Unternehmen wie Verbraucher, sondern auch für die Politik. Niedrige Energiepreise fördern nämlich die Zufriedenheit mit den regierenden Parteien - so kurz vor der US-Wahl im November könnte das womöglich einen kleinen Teil zum Wahlausgang beitragen.
"Bleibt Erdöl auf diesem Niveau, hilft dies der demokratischen Partei im Wahlkampf", erklärt Robert Rethfeld, Marktexperte von Wellenreiter-Invest. "Würde der Ölpreis deutlich steigen, wäre dies eine Belastung für die amtsführende Partei."