Krise auf dem Wohnungsmarkt Vonovia-Chef erwartet weitere Immobilien-Pleiten
Noch mehr Insolvenzen in der Immobilienbranche seien zu erwarten, so der Chef des größten deutschen Wohnungskonzerns Vonovia. Sein eigenes Unternehmen habe das Schlimmste durchgestanden.
Der Chef von Deutschlands größtem Vermieter spricht gern über ein sozialpolitisches Programm. Starke Schultern müssten mehr tragen als schwache, der Wohnungsmarkt berge Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und man wolle doch wohl keinen völlig freien Mietmarkt wie in England, sagt Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender der Bochumer Vonovia SE. Als Unternehmen, das nicht ins Ausland abwandern kann, habe Vonovia "hohes Interesse daran, dass es diesem Land gut geht", sagt Buch. Nachdem der Manager seine politischen Positionen mehrfach in Zeitungsinterviews dargelegt hatte, wiederholte er sie Anfang der Woche im Frankfurter Wirtschaftspresseclub.
Vonovia-Chef Buch versucht, Mieterinnen und Mieter zu beruhigen. Sein Konzern vermietet in Deutschland Wohnungen mit durchschnittlich 64 Quadratmetern zu 7,67 Euro Miete pro Quadratmeter. Am Schutz für Mieter, die nur niedrige Mieten zahlen könnten, will Buch nichts ändern. Es sei aber nicht einzusehen, dass das deutsche Mietrecht auch reiche Leute umfassend schütze. Die allgemeine Bindung an lokale Mietspiegel verhindere, dass gesetzestreue Großvermieter lukrative Geschäfte machen können. Zudem seien die Baukosten durch zahlreiche teure Regeln auf ein unwirtschaftliches Niveau getrieben worden, sagt Buch. Deshalb würden keine preiswerten Wohnungen mehr gebaut.
Steigende Mieteinnahmen erwartet
Buch spricht umfangreich über politische Wünsche, die seine Erträge steigern und die Kosten senken könnten. Über die dokumentierte Lage des Vonovia-Konzerns redet der Vorstandsvorsitzende nur wenig: "Wir sind die ersten, die in die Krise gegangen sind. Und wir werden die ersten sein, die wieder rauskommen." Buch versucht den Eindruck zu erwecken, dass es bergauf geht.
Vonovia rechnet mit steigenden Mieteinnahmen. Der Mieterbund Nordrhein-Westfalen kritisiert seit Jahren steigende Mieten des Konzerns. Rolf Buch erklärt, sein Unternehmen orientiere sich am jeweiligen Mietspiegel, und der steige nun mal automatisch mit der Zeit. Vonovia sei aber meilenweit vom Mietniveau entfernt, das am freien Markt verlangt werde, weshalb freie Wohnungen im Handumdrehen wieder vermietet würden.
Auf Schulden gegründet
Jahrelang hat Vonovia auf Pump gekauft. Dem Bestand von 543.000 Wohnungen im Wert von gut 80 Milliarden Euro stehen Schulden von 62 Milliarden Euro gegenüber. Solange die Zinsen niedrig waren, lief das Geschäft gut. Seit der Zinswende sind die Kredite teurer geworden, der Wert von Immobilien sank und Anleger erwarten höhere Renditen. Vergangenes Jahr musste Vonovia 720 Millionen Euro Zinsen zahlen und den Wert seiner Wohnungen um fast elf Milliarden Euro abschreiben. Unterm Strich blieben 6,8 Milliarden Euro Verlust.
Vonovia verkauft nun Wohnungen im großen Stil, um teure Kredite tilgen zu können. Vergangenes Jahr kamen vier Milliarden Euro rein. Dieses Jahr sind drei Milliarden Euro geplant, "vielleicht auch ein bisschen mehr", sagt Buch.
Mühsame Verkäufe
Wie mühsam das in der ersten Zeit war, zeigen Deals mit dem amerikanischen Finanzinvestor Apollo. Vonovia überführte 21.000 süddeutsche und 31.000 norddeutsche Wohnungen in zwei eigens gegründete Unternehmen. Für Anteile von jeweils etwa einem Drittel an diesen Unternehmen zahlte Apollo zwei Milliarden Euro. Die Wohnungen werden weiter von Vonovia bewirtschaftet. Apollo hat alle Rechte eines Anteilseigners und handelte zusätzlich aus, den Löwenanteil künftiger Gewinne zu bekommen.
Vonovia-Chef Buch zeigt sich optimistisch, dass die schweren Zeiten überstanden seien. Mit dem derzeitigen Zinsniveau käme man ohne weitere Verkäufe aus: "Die Bilanz hält." Andere Wohnungsunternehmen seien längst nicht so weit. Buch rechnet mit einer Pleitewelle unter Konkurrenten und Immobilienentwicklern.
Kritik an Renditeorientierung
Politische Aktivisten und kritische Mieter reiben sich an renditeorientierten Großinvestoren in einer lebensnotwendigen Branche. Es gibt eine eigene Webseite "gemeinsam-gegen-vonovia.de", die allerdings seit knapp einem Jahr nicht mehr aktiv ist. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei hält private Großvermieter grundsätzlich für schlecht. Ihr Mitarbeiter Knut Unger vom Mieterverein Witten organisiert Demonstrationen gegen Vonovia.
Zuletzt wurden mancherorts hohe Nebenkostenabrechnungen kritisiert. Doch zeigt der offizielle Jahresabschluss keine bedeutenden Rechtsrisiken aus Streit mit Mietern. Vonovia-Chef Buch berichtet, dass das Härtefall-Management des Konzerns so wenig zu tun habe wie nie. Ein Blick auf Bewertungsportale zeigt: Selbst wenn man einige manipulierte Einträge vermuten darf, scheint Vonovia in der Mietergunst insgesamt gut abzuschneiden.