Pleiten von Bauträgern Wohnungskäufer in Deutschland ohne Schutz
Die Baubranche steckt in einer tiefen Krise. Immer mehr Bauträger sind pleite. Für Wohnungskäufer hat das finanziell oft dramatische Folgen.
Das eigene Haus oder die eigene Wohnung: Davon haben viele Menschen immer geträumt. Doch nun sieht der Traum von den eigenen vier Wänden oft so aus: Der Bauträger ist pleite, auf den Baustellen tut sich nichts mehr. Kredite und Miete müssen die Käufer aber weiter bezahlen.
Auch Antonia Meyer kann es noch nicht fassen. Sie hatte sich entschlossen, in Berlin eine Neubauwohnung zu kaufen und wollte selbst einziehen. Doch dann kam im vergangenen Jahr der Baustopp. "Es gab erst Verzögerungen, die wurden uns auch mitgeteilt", berichtet Meyer. "Im Frühling, Sommer gab es gar keine Kommunikation mehr." Sie habe dann recherchiert und so erfahren, dass der Bauträger Insolvenz angemeldet hatte.
Bauträger insolvent: Schutzlose Käufer
Meyer hatte zu diesem Zeitpunkt, ebenso wie viele andere Wohnungskäufer, schon Hunderttausende Euro angezahlt. Ohne Absicherung, wie in der Branche üblich. Hinzu kommt: Ihren Kredit für die Wohnung muss sie weiterbezahlen, zusätzlich zur Miete für die bisherige Wohnung. Und niemand weiß, wie es weitergeht.
Meyer schaltete den Berliner Baurechtsanwalt Martin Liebert ein. An ihn wenden sich immer mehr Betroffene. Allein in den letzten sechs Monaten habe er 50 bis 60 neue Fälle angenommen, berichtet Liebert. "Und dahinter stecken natürlich jedes Mal Schicksale." Zum Beispiel junge Paare, die im Vertrauen auf den Fertigstellungstermin schon ihre Mietswohnung gekündigt haben. Und dann komme die Nachricht, dass der Bau nicht fertig werde.
Mehr Bauträger-Insolvenzen als je zuvor
Überall in Deutschland stehen Wohnungskäufer vor Bauruinen und müssen zusehen, wie ihr lang ersehntes Eigenheim halbfertig zu verrotten beginnt. Denn immer mehr Projektentwickler und Bauträger melden Insolvenz an: allein 578 im vergangenen Jahr. Das ist ein neuer Negativ-Rekord. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln schlägt die Krise bei den Bauträgern, die Wohnanlagen bauen und dann die Wohnungen einzeln verkaufen, gerade mit voller Wucht durch.
Zum einen seien die Baukosten innerhalb von zwei Jahren um rund ein Drittel gestiegen, erläutert Michael Voigtländer vom IW. "Gleichzeitig sind aber die Zinsen stark gestiegen. Deswegen haben die Nachfrager einfach nicht mehr die Zahlungsfähigkeit." Und je länger die Phase dauere, in der wenig verkauft werde, umso wahrscheinlicher seien noch mehr Insolvenzen, so Voigtländer.
Wohnungskäufer rechtlich schlecht gestellt
Eine verpflichtende Absicherung für das bereits gezahlte Geld gibt es in Deutschland nicht. Die Käufer haben dann wenig in der Hand, wie Baurechtsanwalt Mathias Schmid erklärt: Bei normalen Bauverträgen - egal, ob man ein ganzes Haus baue oder nur einen neuen Boden verlegen lasse - sei immer der Unternehmer vorleistungspflichtig.
"Beim Bauträgervertrag ist es genau verkehrt herum. Da müssen Sie zu 100 Prozent bezahlen, dann bekommen Sie die Gegenleistung in Gestalt des Grundstücks und dem Objekt darauf", ergänzt Schmid. Eine verpflichtende Versicherung oder eine Bankbürgschaft für den Fall der Bauträger-Insolvenz gibt es nicht.
Besserer Schutz in anderen Ländern
In Österreich ist eine Absicherung des Wohnungskaufes gesetzlich vorgeschrieben. Dabei bekommt der Wohnungskäufer im Insolvenzfall entweder eine fertige Wohnung oder seine kompletten Anzahlungen zurück.
Und in Frankreich wird über eine Bank oder Versicherung garantiert, dass fertig gebaut wird, und auch die Gewährleistung nach Fertigstellung ist sichergestellt. "Diese Garantie ist wichtig für die Verbraucher um zu vermeiden, dass sie sich in einer Situation wie in Deutschland wiederfinden, mit einem Eigenheim, das sie begonnen haben zu bezahlen und das schlussendlich nicht fertiggestellt wird, weil der Bauträger pleitegegangen ist", erläutert der Straßburger Rechtsanwalt und Baurechts-Experte Pascal Rivera.
Verbraucherschutz durch EU-Richtlinie?
In der Europäischen Union gibt es seit 1993 eine sogenannte Klauselrichtlinie. Diese besage, "dass alle Mitgliedsstaaten in ganz EU-Europa dafür sorgen müssen, dass Klauseln für unwirksam erklärt werden, die die Verbraucher wirtschaftlich benachteiligen. Aber der deutsche Gesetzgeber boykottiert das", sagt Baurechtsanwalt Schmid.
Die EU-Richtlinie sei umgesetzt worden, entgegnet das Bundesjustizministerium gegenüber Plusminus. Allerdings räumt das Ministerium ein, dass man derzeit prüfe, ob Verbraucher bei Immobilienkäufen von Bauträgern gesetzlich besonders geschützt werden müssten. "Die Überlegungen zu einer möglichen gesetzlichen Regelung sind noch nicht abgeschlossen", heißt es.
Baurechtler will Staat verklagen
Doch diese Überlegungen dauern nun fast fünf Jahre. Schon 2019 haben Verbraucherverbände auf Einladung des Ministeriums konkrete Vorschläge unterbreitet. Seitdem prüft das Ministerium.
Baurechtler Schmid will nun den deutschen Staat in die Verantwortung nehmen und klagen. "Das ist durchaus gut vertretbar, dass hier ein Staatshaftungsanspruch besteht, weil der deutsche Gesetzgeber die Verbraucher ins offene Messer hat laufen lassen", sagt Schmid. "Und das zum großen Schaden des Verbrauchers, zum großen Schaden von Menschen, die sich wirklich an die Grenze des wirtschaftlich Machbaren verpflichten."