Blick auf die Fassaden von Wohnhäusern.
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Pleite der Omega AG Mieter in Not

Stand: 19.03.2024 18:00 Uhr

Marode Wohnungen, ausbleibende Reparaturen und ein Vermieter, der sich nicht kümmert: In ganz Deutschland leiden Mieter unter der Insolvenz der Immobilienfirma Omega AG. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf Immobilien-Spekulanten.

Von Katrin Kampling und Anna Klühspies, NDR

Seit Monaten müssen Mieterinnen und Mieter in einem Wohnhaus in Oldenburg frieren. Kathi A., sie will ihren vollen Namen nicht nennen, behilft sich mit Heizlüftern, Heizdecken und Wärmflaschen. Aber es sei belastend, "zu wissen, wenn ich wieder nach Hause komme, ist es dunkel und kalt, und zwar fast genauso kalt wie draußen".

Die Heizung ist seit einem Wasserrohrbruch im November kaputt. Kathi A. und ihre Nachbarn informierten ihren Vermieter, aber nichts passierte. "Wir warten seit Monaten auf eine Rückmeldung." Seit Sommer 2023 gibt es Probleme, als plötzlich der Müll nicht mehr abgeholt wurde. Dann folgten Androhungen des Versorgers, das Wasser und den Strom in Gemeinschaftsanlagen wie dem Treppenhaus abzustellen.

Nicht nur in Oldenburg, in ganz Deutschland leiden Mieter unter widrigen Umständen. In Osterholz-Scharmbeck zog der Müll Ratten und Ungeziefer an. In Dannenberg sind alte Stromleitungen so marode, dass bei einem dringend anstehenden Tausch der Stromzähler Brandgefahr bestünde. In Mainz können gehbehinderte und ältere Menschen ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, weil der Aufzug defekt ist.

Hinter all diesen Fällen steht die Münchner Immobilienfirma Omega AG, die sich in viele Tochtergesellschaften aufgliedert und sich offenbar verkalkuliert hat.

Schieflage der Omega AG

Dabei hatte alles sehr vielversprechend begonnen: 2010, zu Beginn des Immobilienbooms in Deutschland, begann der Geschäftsmann Ralph Reinhold, Wohnungen in Deutschland aufzukaufen, dies oft in weniger attraktiven Lagen und in schlechtem Zustand. Lokalbanken wie Sparkassen und Volksbanken gaben Kredite an die Omega AG aus. Das Portfolio der Firma wuchs rasant, am Ende besaß die Firma mehr als 5.500 Wohnungen in ganz Deutschland.

Doch dann kam der Fall. Nach Jahren der Niedrigzinspolitik hob die Europäische Zentralbank ab Mitte 2022 den Leitzins sukzessive bis auf 4,5 Prozent an. Die Folge: Weniger Nachfrage auf dem Immobilienmarkt, die Immobilienpreise sanken. Reinhold und die Omega AG gerieten unter Druck, die Firma häufte mehrere Millionen Euro Schulden an. Seine Immobilien verloren zunehmend an Wert. Zugleich wurde die Refinanzierung immer teurer und kurzfristiger. Die Firma geriet in Zahlungsschwierigkeiten, immer häufiger wurden Rechnungen nicht beglichen, in den Mietobjekten wuchsen die Probleme.

Für Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Uni Regensburg, ist die Omega AG ein klarer Fall dafür, wie sich eine Firma übernimmt. "Wenn sie zu einem derartigen Zeitpunkt zu Höchstpreisen einkaufen, dann können Sie nicht einfach drei Wochen warten und wieder verkaufen. Sie müssen den Bestand überprüfen, optimieren und Potenziale finden."

Ein neuer Investor

Doch das alles wurde zunehmend schwierig. Im ersten Halbjahr 2023 soll Reinhold schon die Insolvenz vorbereitet haben. Doch dann trat ein neuer Investor auf den Plan, die Unternehmensgruppe Whitefield.

Das deutsch-türkische Investmentunternehmen kaufte die Mehrheit der Omega AG im Juni 2023, angeblich für einen symbolischen Eurobetrag. Es kündigt direkt neue Zukäufe an. Hinter der Firma steht Aydin Tasci, den auf dem Immobilienmarkt kaum jemand kennt. Der Geschäftsmann hat eine Vorgeschichte: Tasci wurde Anfang 2023 vom Amtsgericht Leipzig wegen Insolvenzverschleppung rechtskräftig verurteilt.

Für die Mieter geht der Albtraum weiter

Recherchen von NDR und "Süddeutscher Zeitung" zeigen, wie rücksichtslos Tasci mit den Nöten der Mieter umging. Als er von Mitarbeitern in einem Meeting gefragt wurde, wie man mit den aufgelaufenen Rechnungen für Handwerker umgehen soll, antwortete Tasci, dass man einfach die "türkische Ablage" machen solle. Also alles wegwerfen und von vorn anfangen. Die Verwunderung in der Runde war groß. Aber Tasci meinte es offenbar ernst. Die Rechnungen sollten einfach in den Schredder gegeben werden, habe er betont. So erinnern sich mehrere Mitarbeitende.

Tascis Plan, so soll er es im Meeting gesagt haben: Er wolle alles verkaufen und vom Ertrag neue Wohnungen kaufen. Auf Anfrage von NDR und SZ äußert sich Tasci nicht. Der ehemalige Geschäftsführer Reinhold will nichts von der Vorstrafe Tascis gewusst haben. Ihm tue die Situation der Mieter leid, lässt er über einen PR-Berater ausrichten.

Verdacht der Insolvenzverschleppung

Wenn sich ein Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten befindet, muss es zeitnah Insolvenz anmelden. Das ist bei der Omega AG nicht passiert. Im Dezember 2023 erwirkten die Gläubigerbanken einen Insolvenzantrag. Zur gleichen Zeit änderte die Omega AG ihren Namen in Amina AG und verlegte den Sitz von München nach Nordenham an die niedersächsische Nordseeküste.

Die Geschäftsadresse wiederum befindet sich in einer hessischen Provinz. Vor Ort ist lediglich ein leerer Supermarkt und ein Sammelbriefkasten. Aus dem Immobilienimperium ist offenbar eine Briefkastenfirma geworden.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Matthias Hofmann sagt, die Omega AG habe bereits Mitte 2023 "mit dem Rücken zur Wand gestanden". Er geht davon aus, dass der Straftatbestand Insolvenzverschleppung "hier in etlichen Fällen ein Thema wird". Die Konten seien leer, "bei der Omega AG war gar nichts da".

Ungewisse Zukunft für die Mieter

Wie es für die Mieter nun weitergeht, ist unklar. Insolvenzverwalter Hofmann sieht in einem schnellen Verkauf der Immobilien die beste Lösung. Er selbst kann erst einmal nur die dringlichsten Dinge angehen, aber "mit leeren Kassen kann ich auch nicht alle Probleme sofort lösen". Das könne Wochen oder Monate dauern.

Kathi A. in Oldenburg hat die Hoffnung aufgegeben, dass sich ihre Wohnsituation verbessern wird. Was bleibt, ist Enttäuschung und Wut. "Ich glaube nicht, dass denen bewusst ist, dass in wahrscheinlich jedem einzelnen dieser Objekte mehrere Parteien mit Menschen leben, die ihre Existenz zusammenpacken müssen und weiterziehen, wenn das Haus zusammenbricht, weil sich nicht drum gekümmert wurde." Sie hat eine neue Wohnung gefunden. Andere müssen bleiben und hoffen, dass das Spiel der Spekulanten nicht wieder von vorne beginnt.

Einen ausführlichen Fernsehbeitrag zur Panorama-3-Recherche können Sie jederzeit in der ARD Mediathek ansehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Hallo Niedersachsen am 31. Januar 2024 um 19:30 Uhr.