91 Institute im Stresstest Wie Europas Banken auf den Zahn gefühlt wird
Mit den Stresstests für Banken will die EU verhindern, dass sich die Finanzmarktkrise wiederholt. Doch wie funktioniert die Überprüfung überhaupt? Sind die Tests hart genug? Welche Institute werden kontrolliert? Und was passiert mit den Banken, die durchfallen?
Für Europas Banken naht die Stunde der Wahrheit. Heute werden die Ergebnisse des Stresstests veröffentlicht, dem sich 91 Institute unterziehen mussten. Einen ganzen Katalog von Kennziffern mussten sie dafür preisgeben. Wie der Test funktioniert und was er bringen soll, erklärt der ARD-Börsenexperte Michael Best.
Warum werden Stresstests gemacht?
Als sich die europäische Staatsschuldenkrise im Frühjahr zuspitzte, war die Sorge groß, dass europäische Banken alsbald in finanzielle Nöte kommen könnten. Denn Banken halten traditionell viele Staatsanleihen in ihren Vermögenswerten. Spanische, italienische und französische Bankaktien erlitten empfindliche Kursverluste.
Die Banken beteuerten, genügend haftendes Eigenkapital zu besitzen, allein es fehlte der Glauben daran - ähnlich wie nach der Lehman-Pleite. Eine unabhängige Beurteilung musste her: Der Stresstest - durchgeführt von den nationalen Bankenaufsichtsbehörden, koordiniert vom Europäischen Ausschuss für Bankenaufsicht (CEBS), abgestimmt mit der Europäischen Zentralbank (EZB).
Die vier Buchstaben stehen für Committee of European Banking Supervisors. Der Ausschuss der europäischen Bankenaufseher ist erst sechs Jahre alt und damit eine der jüngsten EU-Behörden. Das unabhängige Gremium berät die EU-Kommission bei Regulierungen im Bankenbereich, überwacht die Umsetzung von EU-Richtlinien zur Regulierung und versucht, die Aufsichtspraxis in den verschiedenen EU-Ländern zu vereinheitlichen. Außerdem fördert es den vertraulichen Informationsaustausch unter den nationalen Aufsichtsbehörden.
Geleitet wird die Behörde von Vertretern der Bankenaufsichtsbehörden und Notenbanken der EU-Länder sowie der Europäischen Zentralbank (EZB). Deutschland ist durch Mitarbeiter der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vertreten. Seinen Sitz hat CEBS im zweithöchsten Wolkenkratzer der Londoner City, dem Tower 42.
Wie wird der Stresstest durchgeführt?
Im Test werden drei Szenarien durchgespielt. Dabei wird ermittelt, wie stark die Vermögenswerte der Banken in den simulierten Stresssituationen schrumpfen. Im ersten Szenario wird die aktuelle Wachstumsprognose der EU-Kommission unterstellt - dies ist sozusagen das stressfreie Referenzszenario.
Im zweiten Szenario wird es schon ungemütlicher. Hier wird unterstellt, dass das Wirtschaftswachstum bis zum Ende des Jahres 2011 im EU-Durchschnitt um drei Prozentpunkte niedriger ausfällt als prognostiziert. Für Deutschland wird in diesem Szenario angenommen, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um gerade mal 0,2 Prozent wächst und im kommenden Jahr um 0,6 Prozent schrumpft. Ein solches Szenario würde bei den Banken zu verstärkten Kreditausfällen führen, die daraus folgenden Wertberichtigungen würden das Eigenkapital belasten.
So richtig ungemütlich ist das dritte Szenario. Zusätzlich zum Konjunktureinbruch wird eine erneute Eskalation der Staatsschuldenkrise unterstellt. In diesem Szenario müssten die Banken auf Staatsanleihen finanzschwacher Euro-Länder rund ein Fünftel des Nennwerts abschreiben.
Sind die Stresstests hart genug?
Kritiker werfen der EZB und den Aufsichtsbehörden vor, ihre Testkriterien seien zu weich. Die Aufseher halten dagegen, dass bereits Szenario zwei weit nach unten abweiche von allen gängigen Wirtschaftsprognosen. Szenario drei enthalte zusätzlich eine derart empfindliche Zuspitzung der Staatsschuldenkrise, dass man es mit Fug und Recht als hartes Stressszenario ansehen könne. Tatsächlich waren viele Banken wenig erfreut, als ihnen die Testkriterien übermittelt wurden. Die Tests tun weh: Sicherlich wird nicht der wirtschaftliche Weltuntergang unterstellt - den könnte ohnehin keine Bank überleben, aber Szenario drei gehört schon zum Ärgsten, was man sich unter einigermaßen realistischen Bedingungen ausmalen mag.
Welche Banken werden getestet?
Im strengsten Stress-Szenario der europäischen Bankenaufsicht CEBS für 2011 kämen die deutschen Banken auf folgende Kernkapitalquoten. Der Test gilt bei einer Kernkapitalquote ab sechs Prozent als bestanden.
1. Landesbank Berlin (11,2 Prozent)
2. Deutsche Bank, HSH Nordbank (je 9,7 Prozent)
4. Commerzbank, WGZ Bank (je 9,1 Prozent)
6. BayernLB (8,8 Prozent)
7. DZ Bank (8,7 Prozent)
8. DekaBank (8,4 Prozent)
9. LBBW (8,1 Prozent)
10. Helaba (7,3 Prozent)
11. WestLB (7,1 Prozent)
12. Postbank (6,6 Prozent)
13. NordLB (6,2 Prozent)
14. HRE-Gruppe (4,7 Prozent)
Europaweit werden 91 Banken dem Stresstest unterzogen. Es sollen alle Institute erfasst werden, die "systemrelevant" sind, also deren Zusammenbruch andere Banken mit sich reißen könnte. Die meisten Testkandidaten kommen aus Spanien: 27 Großbanken und Finanzverbunde. Im deutschen Finanzsektor werden 14 Banken getestet: Neben der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Postbank und der Hypo Real Estate (HRE) befinden sich darunter sieben Landesbanken. Einzelne Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden nicht getestet, wohl aber deren Spitzeninstitute, die Dekabank, die DZ Bank und die WGZ Bank.
Wie werden die Ergebnisse veröffentlicht?
Vor allem deutsche Banken haben sich lange gesträubt, die Testergebnisse detailliert zu veröffentlichen. Schließlich würden dadurch Geschäftsgeheimnisse preisgegeben, außerdem könnten die Märkte voreilige Schlüsse ziehen. Nachdem aber andere europäische Großbanken - voran die spanischen - die Flucht nach vorne antraten und eine detaillierte Veröffentlichung ankündigten, mussten sie einlenken.
An diesem Freitag wird zunächst das Committee of European Banking Supervisors (CEBS) in London zusammengefasste Ergebnisse veröffentlichen. Anschließend soll jede einzelne Bank ihre Stresstest-Resultate im Internet offenlegen. Dafür haben die Aufsichtsbehörden ein Formblatt entwickelt, damit die Veröffentlichungen vergleichbar sind. Es soll vor allem die verbleibenden Kernkapitalquoten enthalten, so dass man sich ein Bild machen kann, wie stark einzelne Banken von den jeweiligen Szenarien in Mitleidenschaft gezogen werden.
Was geschieht mit Banken, die durchfallen?
Durchgefallen ist, wer im Szenario drei am Ende des Jahres 2011 eine Kernkapitalquote von weniger als sechs Prozent aufweist. Für diesen Fall muss die betreffende Bank zusätzliches haftendes Eigenkapital aufnehmen. Sie soll sofort darlegen, auf welchem Weg sie das tun will - durch die Ausgabe neuer Aktien, durch eine Kapitalerhöhung seitens der Eigentümer oder indem sie einen nationalen Bankenrettungsfonds in Anspruch nimmt.
Klar ist, dass die Münchner HRE durchfallen wird. Sie ist aber bereits im hundertprozentigen Staatsbesitz, wird noch im Laufe des Jahres eine Bad Bank auslagern und vom deutschen Bankenrettungsfonds SoFFin zusätzliches Eigenkapital für die verbleibende Kernbank erhalten.
Aber auch für Banken, die den Stresstest mit knapper Not bestehen, könnte es eng werden. Denn wenn deren Kapitaldecke so weit schrumpft, dass sie der Sechs-Prozent-Schwelle bedenklich nahe kommen, könnten sie gezwungen sein, sich frisches Eigenkapital zu besorgen, um die Märkte zu beruhigen. In den USA waren 2009 die 19 größten Institute des Landes einem Stresstest unterworfen worden. Zehn Banken mussten danach auf Anordnung der Federal Reserve und des Finanzministeriums frisches Eigenkapital aufnehmen. Das trug entscheidend dazu bei, das Vertrauen in das amerikanische Bankensystem wiederherzustellen.