Comeback der Nachtzüge Im Schlaf durch Europa
Dreimal in der Woche verbindet wieder ein Nachtzug Berlin mit Brüssel. Die EU will den Ausbau des Netzes unterstützen. Bei grenzüberschreitenden Bahnverbindungen ist aber noch viel zu tun.
Freitag vor einer Woche. Es ist kurz nach 10 Uhr an einem sonnigen Frühlingsmorgen, und der Bahnhof Brüssel Midi erlebt eine Premiere. Es fährt nämlich ein: Der erste Nachtzug aus Berlin. Nach jahrelanger Pause wird die neue Linie die beiden europäischen Hauptstädte wieder dreimal in der Woche verbinden. Reguläre Fahrtzeit: knapp zehneinhalb Stunden. Sitzplätze kosten pro Strecke ab 49 Euro, Liegeplätze ab 79 Euro, komfortable Schlafplätze inklusive Frühstück ab 109 Euro. Die Passagiere der Jungfernfahrt sind trotz 50 Minuten Verspätung begeistert.
"Es war sehr schön. Ein bisschen lang vielleicht, aber die meiste Zeit schläft man ja. Das Personal war nett, wir hatten alles an Bord, was wir brauchten. Es ist definitiv eine gute Option", sagt ein Reisender. Ein anderer findet: "Die Waggons waren älter als gedacht, aber der Komfort ist prima, und es ist die bessere Art zu reisen."
Zahl der Angebote seit 2020 verdoppelt
Auch in Brüssel freut man sich über die neue Verbindung. Damit hätten noch mehr Menschen die Möglichkeit, mit einem umweltfreundlichen Verkehrsmittel die belgische Metropole zu besuchen, sagt Jeroen Roppe vom Tourismusbüro der Stadt. "Brüssel ist mit der Bahn in weniger als zwei Stunden zu erreichen aus Paris, aus Köln, aus Amsterdam, aus London. Zugverbindungen sind für uns einfach extrem wichtig."
Ohnehin feiert der Nachtzug in Europa gerade ein erstaunliches Comeback. Seit 2020 hat sich die Zahl der Angebote von damals rund 90 auf heute über 200 Verbindungen mehr als verdoppelt. "Nightjets" oder "Sleepers" fahren zwischen Berlin und Warschau, Zürich und Budapest oder Stuttgart und Venedig. Ein "Night-Express" verbindet Hamburg mit Malmö in Schweden.
EU fördert Pilotprojekte
Die EU-Kommission will den Ausbau des Netzes unterstützen und fördert bisher zehn Pilotprojekte. Ziel ist, dass Nachtzüge künftig auch verstärkt auf den Hochgeschwindigkeits-Strecken innerhalb Europas unterwegs sein können und damit dem Flugzeug nicht nur in Sachen Preis und Nachhaltigkeit, sondern auch bei der Reisezeit Konkurrenz machen.
Adalbert Jahnz, Sprecher der EU-Kommission, sagt: "Es gibt in Europa eine große Nachfrage bei Bahnreisen, aber der Markt muss besser werden, vor allem bei grenzüberschreitenden Verbindungen."
Niedrigere Trassenpreise in der Nacht?
Das findet auch das Netzwerk "Back-on-Track". Die Initiative will europaweit mehr Nachtzüge auf die Gleise bringen und wünscht sich dafür eine deutlich stärkere politische Unterstützung, sagt ihr Sprecher Patrick Neumann. "Es müssen die grundlegenden Rahmenbedingungen verbessert werden, etwa, dass etwa die Trassenpreise in der Nacht gesenkt werden. Jeder Kilometer kostet, jede Umleitung muss bezahlt werden", so Neumann.
"Und für internationale Reisen wird in den Ländern, in denen der 'Sleeper' fährt, also Deutschland, Belgien und in den Niederlanden, Mehrwertsteuer auf die Tickets berechnet, in fast allen anderen Ländern nicht mehr. Wenn Sie fliegen, zahlen Sie auch keine. Das sind schon Ungerechtigkeiten, die auch im Sinne des Klimaschutzes bereinigt gehören."
EU-Länder investieren unterschiedlich viel
Anna Deparnay-Grunenberg, die Bahnexpertin der Grünen im Europaparlament, sieht beim Ausbau der Nachtzugverbindungen drei große Probleme. Sie sagt: "Erstens sind nicht alle Strecken gut in Schuss, weil die Investitionen der EU-Länder in die Schienennetze sehr unterschiedlich ausfallen."
Zweitens gebe es zu viele verschiedene nationale Standards, etwa bei den Spurbreiten, die an den Grenzen Lokwechsel nötig machten, was zu höheren Ticketpreisen führe. Drittens sei die Bahn verglichen mit dem Flugzeug nicht konkurrenzfähig, weil Buchungsplattformen fehlten und es zu wenig moderne Schlafwagenzüge gebe.
"Wir haben immer wieder kleinere Projekte, wo gesagt wird: Okay, wir haben jetzt altes rollendes Material angekauft aus osteuropäischen Bahnen, wir haben das irgendwie renoviert. Aber das entspricht nicht dem Standard. Ich glaube, man könnte noch viel mehr Menschen dafür begeistern, mit dem Nachtzug zu fahren", so Deparnay-Grunenberg.
Nachfrage größer als das Angebot
Aktuell sind die Fahrkarten für die bestehenden Linien meistens schnell ausverkauft, was nach Ansicht der grünen Europaabgeordneten deutlich zeigt, dass die Nachfrage schon jetzt sehr viel größer ist als das Angebot.
Viele Passagiere der Premierenfahrt zwischen Berlin und Brüssel wollen jedenfalls weitere Reisen mit dem Nachtzug unternehmen. "Ich fand es großartig und kann den Zug nur empfehlen anstatt zu fliegen, auch aus Umweltgründen", so eine Reisende. "Wir hatten Spaß."