Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel
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Weltweiter Luftverkehr Rekordzahl an Flügen trotz steigender Preise

Stand: 13.07.2023 05:49 Uhr

Weder Klima-Skrupel noch gestiegene Preise können die Reiselust der Menschen bremsen. Viele scheinen nach Corona etwas nachholen zu wollen. Die Folge: Der Himmel ist so voll wie nie zuvor.

Inflation, gestiegene Ticketpreise und Klimawandel: Das alles hält Reisende nicht vom Fliegen ab. Nach Daten des Luftfahrt-Tracking-Unternehmens Flightradar24 sind am 6. Juli so viele kommerzielle Flugzeuge in der Luft gewesen wie noch nie seit Start des Dienstes im Jahr 2006. Insgesamt waren 134.386 Flieger unterwegs, wie der Anbieter mitteilte. Privatjets und Frachtflüge wurden nicht dazugezählt.

Luftverkehrsbranche vor vollständiger Erholung

Auch Eurocontrol, das den Luftraum in Europa beaufsichtigt, meldete für vergangene Woche einen Rekord: Am Freitag gab es rund 35.000 kommerzielle Flüge in Europa - die meisten seit der Vor-Corona-Zeit im Juni 2019. Damals waren rund 37.000 Flugzeuge unterwegs, so viele wie noch nie.

Nach den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie steht die Lufverkehrsbranche kurz vor einer vollständigen Erholung. Weltweit liegt der Verkehr jetzt bei 96,1 Prozent des Niveaus von Mai 2019, wie der International Air Transport Association (IATA) mitteilte.

Hohe Inflation behindert Nachfrage nicht

Die steigenden Kosten für Flugreisen scheinen die Reisenden bislang nicht abzuschrecken. Eine Analyse von Check24 zeigt, dass deutsche Urlauber im März durchschnittlich 21 Prozent mehr für Flüge innerhalb Europas zahlen mussten als im Vorjahr. Trotzdem sei die Nachfrage nach Flugreisen deutlich angestiegen.

"Es gibt jetzt einen großen Nachholbedarf nach Corona", erklärt der Tourismusforscher Torsten Kirstges von der Jade-Universität Wilhelmshaven. "Wer sich vorher eine Reise leisten konnte, kann das in den meisten Fällen auch, wenn die Preise zehn bis 20 Prozent teurer sind. Dazu kommt: Viele konnten sich zur Coronazeit etwas ansparen, auch wenn die Inflation das Sparpolster bei vielen abschmelzen lässt." Noch seien Reisen für viele aber möglich.

Klimabewusstsein hat begrenzten Einfluss

Auch Sorgen wegen der Folgen des Klimawandels behindern die Nachfrage offenbar nicht. "Das Thema Flugscham und Nachhaltigkeit ist zwar immer wieder präsent, hat aber auf das praktische Verhalten kaum einen Einfluss", so Kirstges. Die wenigsten verzichteten aus Nachhaltigkeitsgründen aufs Reisen.

Dabei gingen rund drei Prozent der globalen Kohlendioxid-Emissionen auf das Konto des Flugverkehrs. Erkennbar sei jedoch, dass mehr Menschen einen höheren Anspruch an die Reiseanbieter hätten. "Man erwartet, dass die Branche etwas für die Nachhaltigkeit tut, ist aber weniger bereit, selbst Komfortbußen in Kauf zu nehmen", sagt Kirstges.

Mittelmeer-Länder als Ziele besonders gefragt

Die beliebtesten Flugziele im "Pauschalreisetourismus" liegen dem Tourismusforscher zufolge hauptsächlich in Mittelmeer-Regionen, einschließlich nordafrikanischer Länder. Standardziele wie Spanien, Griechenland und die Türkei erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit. Darüber hinaus steige die Nachfrage nach Trips Richtung Nordamerika, Asien und Afrika, "weil Fernreisen wieder vernünftig machbar sind".

Zu den beliebtesten Flugzielen der Lufthansa-Kunden gehören im Moment das Mittelmeer, außerdem "Kaltwasserziele im Norden Europas", teilte das Unternehmen auf Anfrage von tagesschau.de mit. Aus "Wettbewerbsgründen" wollte sich die deutsche Airline nicht konkreter äußern.

Die Billig-Airline Ryanair nennt als beliebte Flugziele ihrer Kunden Spanien, Griechenland und Portugal. "Ryanair betreibt derzeit ihren größten jemals durchgeführten Sommerflugplan, 30 Prozent mehr als vor Corona, mit über 3200 täglichen Flügen zu mehr als 230 Zielen", sagte eine Sprecherin des Unternehmens tagesschau.de.

Flugreisen werden weiter zunehmen

Die Prognose von Tourismusforscher Kirstges: Flugreisen werden in Zukunft weiter zunehmen. "Die Deutschen werden weiterhin viel Reisen, aber auch andere Nationen. Die Chinesen fangen vermehrt an, auch Nord- und Südamerikaner fliegen wieder mehr."

Dies werde sich allenfalls ändern, wenn die Preise aus Klimaschutz-Gründen politisch so stark erhöht werden, dass die Nachfrage sinke. "Rein aus Klimasicht kann man nur hoffen, dass es Technologien gibt, die das Ganze ein bisschen nachhaltiger gestalten oder dass der Preis das regelt", so Kirstges. Allerdings müsse man auch die soziale Komponente beachten.

Flugverkehr wächst in Deutschland langsamer

Allerdings wächst der Flugverkehr in Deutschland langsamer als in anderen europäischen Ländern. Nach einer Prognose des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) für das zweite Halbjahr wird das Sitzplatzangebot in Deutschland das Vorkrisenniveau von 2019 nur zu 85 Prozent erreichen, während der Luftverkehr im übrigen Europa diesen Umfang wieder vollständig haben werde.

Als wesentliche Gründe nennt der BDL den Rückgang der innerdeutschen Verbindungen sowie den Rückzug großer Direktflug-Anbieter aus Deutschland.

Ryanair beklagt Kosten im deutschen Markt

Erst diese Woche hatte Europas größte Direktfluggesellschaft Ryanair darauf verwiesen, dass sie ihr künftiges Wachstum vor allem außerhalb Deutschlands plane. "Mit seinen hohen Kosten sticht Deutschland als Markt nicht gerade hervor. Wir stationieren unsere Flugzeuge lieber in Italien, Spanien oder anderen Standorten, in denen wir niedrigere Zugangskosten haben", sagte die Ryanair-Repräsentantin für den deutschsprachigen Raum, Annika Ledeboer, der Nachrichtenagentur dpa. Zurzeit suche man eher in Frankreich oder Schweden neue Crews, statt weitere Flugzeuge an deutschen Flughäfen zu stationieren.

Die Ryanair-Managerin kritisierte sowohl die deutsche Luftverkehrsabgabe als auch die Gebühren für Luftsicherheit und Passagierkontrollen. Außerdem seien die Betriebskosten an deutschen Flughäfen vergleichsweise hoch. In der Folge hätten sich Ryanair und weitere Low-Cost-Airlines vom deutschen Markt abgewandt. Zudem spielt die starke Marktposition der Lufthansa eine Rolle. Statt einstmals 52 Maschinen hat die irische Fluggesellschaft hierzulande nur noch 29 Boeings an sieben Standorten stationiert. Insgesamt werden in Deutschland noch 14 Flughäfen angeflogen.