Pläne der EU Lieferkettengesetz könnte an Deutschland scheitern
Eigentlich standen die Pläne für das EU-Lieferkettengesetz bereits. Doch jetzt stellen sich zwei deutsche FDP-geführte Ministerien quer. Vom SPD-geführten Arbeitsministerium kam nun ein Kompromissvorschlag.
Das geplante neue EU-Lieferkettengesetz droht an Deutschland zu scheitern. Bundesfinanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) teilten mit, sie könnten das Ergebnis der Beratungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Mitgliedsländern nicht mittragen.
"Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine 'Nein'-Stimme wirkt", heißt es in einem Schreiben der beiden FDP-Politiker. Das Schreiben ist nach Angaben aus der Regierung an Wirtschaftsverbände gerichtet.
Große Unternehmen betroffen
Durch das EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbart sind.
In Deutschland hatten die großen Wirtschaftsverbände ein Nein zu den EU-Plänen gefordert. Sie kritisierten, dass die Pläne weit über das geltende deutsche Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz hinausgingen. Bereits jetzt komme es zum Rückzug europäischer Firmen aus Drittländern, in denen sie Probleme bekommen könnten. Das FDP-Präsidium hatte sich Mitte Januar bereits klar gegen die EU-Richtlinie ausgesprochen.
"Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts"
Lindner und Buschmann attestierten dem in den EU-Verhandlungen federführenden Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) "beachtliche Verhandlungserfolge". Gleichwohl könnten beide Ministerien nicht zustimmen.
"Das Trilog-Ergebnis würde dazu führen, dass Unternehmen für Pflichtverletzungen in der Lieferkette in erheblicher Weise zivilrechtlich haften", schreiben die beiden FDP-Minister. Auch sei der Anwendungsbereich des Entwurfs sehr weit, sodass deutlich mehr Unternehmen als nach derzeitiger deutscher Rechtslage betroffen wären.
Buschmann sagte der Nachrichtenagentur dpa, "der Schutz der Menschenrechte gehört zum Selbstverständnis der EU". Daher unterstütze er uneingeschränkt das von der Richtlinie verfolgte Ziel, einen besseren Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Lieferketten europäischer Unternehmen sicherzustellen. Dieses Ziel dürfe aber nicht zu einer "Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts" führen.
Ihm sei es wichtig gewesen, bis zuletzt zu verhandeln, um dann im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen, ob das Ergebnis tragbar sei, sagte Buschmann. Am Ende sei er dann aber zu dem Schluss gekommen: "Unsere Sorgen sind nicht entkräftet, die Risiken für die europäische und deutsche Wirtschaft überwiegen."
Heil macht Kompromissvorschlag
Bundesarbeitsminister Heil wiederum will mit Vorschlägen zum Bürokratieabbau verhindern, dass die FDP in der Bundesregierung eine Zustimmung zur EU-Lieferkettenrichtlinie blockiert. Er leitete nach Angaben aus seinem Ministerium die Ressortabstimmung über seine Empfehlung ein, dem EU-Vorhaben zuzustimmen.
Heil verband dies mit Eckpunkten zur Entlastung von Unternehmen, mit denen sich das Kabinett am 7. Februar befassen solle. Die Änderungen seien an die Zustimmung der Regierung zur EU-Richtlinie geknüpft. Konkret gehe es um Erleichterungen für Unternehmen bei den Berichtspflichten. Auch sollten entlastende Teile der Richtlinie vorzeitig angewendet werden.
Leuchtturmprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe
Unterhändlerinnen und Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich Mitte Dezember auf einen Kompromiss zu dem Vorhaben geeinigt. Noch gibt es aber lediglich einen politischen Deal. Ein genauer Rechtstext wird derzeit von Beamten ausgearbeitet - dieser könnte in den kommenden Wochen fertiggestellt werden. Danach muss dieser noch endgültig von den EU-Staaten und dem Europaparlament angenommen werden.
Ein EU-Diplomat sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass mit einer Enthaltung Deutschlands unklar sei, ob es unter den EU-Ländern jetzt noch eine ausreichende Mehrheit für das Vorhaben geben wird. Es gibt etwa Spekulationen, dass sich andere Länder an der Entscheidung Deutschlands orientieren und dem Vorhaben nun ebenfalls nicht zustimmen. Damit steht eines der Leuchtturmprojekte der EU-Handelspolitik auf der Kippe.
Deutsches Lieferkettengesetz nicht so weitreichend
In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz, die EU-Variante geht aber über die Vorgaben des deutschen Gesetzes hinaus. Das deutsche Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Diese Grenze dürfte durch die EU-Version herabgesetzt werden. Außerdem ist vorgesehen, dass Unternehmen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen und beispielsweise Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Das ist im deutschen Lieferkettengesetz bislang ausgeschlossen.
Außerdem wären deutlich mehr Unternehmen betroffen als nach aktueller deutscher Rechtslage. Auch der Bausektor solle als sogenannter Risikosektor eingestuft werden. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen in diesem bereits durch gestiegene Bauzinsen gebeutelten Bereich könne das existenzbedrohend sein. "Viele Betriebe verfügen unserem Eindruck nach schlichtweg nicht über die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen", argumentieren die Minister.
BDI-Präsident "erleichtert"
"Die deutsche Industrie ist erleichtert", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Die EU-Pläne seien wirklichkeitsfremd und würden Unternehmen uneinlösbare Pflichten aufbürden, die zudem mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden wären. "Es ist gut, dass dieser Irrweg von Berlin nicht unterstützt wird."