Textilindustrie und China Schützt das Lieferkettengesetz vor Zwangsarbeit?
Deutsche Textilfirmen gerieten 2022 in die Kritik, weil Produkte möglicherweise mit Materialien aus der chinesischen Provinz Xinjiang hergestellt wurden. Was hat sich seither getan?
Es waren T-Shirts, Hemden und Pullis der Marken Adidas, Hugo Boss und Puma, die NDR-Reporter 2022 analysieren ließen. Die Frage dabei: Stammt die verwendete Baumwolle aus der chinesischen Provinz Xinjiang? Dort hatte ein UN-Sonderbericht Zwangsarbeit festgestellt.
Baumwollspuren bei Analyse entdeckt
Adidas, Boss und Puma waren sich damals einig, dass ihre Produkte von woanders stammten. Und dennoch fand die Analyse Baumwollspuren aus Xinjiang. Seit Januar gilt in Deutschland das neue Lieferkettengesetz, und der ARD-Podcast Welt.Macht.China hat die Firmen gefragt, was seit der Sendung vor einem Jahr geschah.
Puma schrieb:
Wir haben sofort, nachdem wir von den gegen uns erhobenen Vorwürfen gehört haben, unsere eigenen Untersuchungen eingeleitet. Zusätzlich haben wir die betreffenden Produkte auch von einem unabhängigen Labor untersuchen lassen. Das Labor kam zum Ergebnis, dass die Herkunft der Baumwolle nicht mit absoluter Sicherheit festgestellt werden kann. Der genaue Ursprung kann nicht zuverlässig bestimmt werden, wenn Baumwolle aus mehreren Quellen miteinander vermischt wird - was bei der Herstellung von Baumwollgarn üblich ist.
Das macht deutlich, wie schwer es ist, Zulieferer effektiv auf die Einhaltung von Menschenrechten zu überprüfen. Adidas hatte 2022 wegen der NDR-Sendung nach eigener Aussage Lieferdokumente und vor allem die Zertifikate der Stoffe überprüft. Ergebnis: Herkunftsländer seien Brasilien, Indien und die USA gewesen.
Schwer überschaubare Lieferketten
Auch Hugo Boss betont, keine Waren aus Xinjiang zu verwenden. Wenn Lieferanten Menschenrechte verletzten, würde Boss die Zusammenarbeit im Zweifel beenden, so das Unternehmen. Doch wie kann man sichergehen? Die Recherche des NDR ergab, dass unabhängige Kontrolleure in China unter Druck gesetzt werden.
Und es gibt noch ein anderes Problem. "Viele, insbesondere der großen, Unternehmen managen teilweise mehrere Zehntausende Lieferanten, die wiederum einen Lieferanten haben und die ebenfalls weitere Lieferanten nutzen", sagt Maximilian Butek von der deutschen Auslandshandelskammer in Shanghai. "Hier zu 100 Prozent auszuschließen, dass es bei keinem einzigen dieser Lieferanten zu Gesetzesverstößen kommt, halte ich in der Praxis für kaum realisierbar."
US-Behörden gehen strenger vor
Auf die Zulieferer, die direkt zum fertigen Produkt führen, erstreckt sich das neue deutsche Lieferkettengesetz. Wenn aber in zehn Jahren eine EU-Richtlinie folgt, dann müssen Firmen die gesamte Kette ihrer Lieferanten kontrollieren. Und die EU plant, dass der Unternehmer haftet, falls bei der Produktion für ihn gegen Menschenrechte verstoßen wird.
Sarah Brückner vom Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer VDMA rechnet mit gravierenden Konsequenzen: "In vielen Fällen werden sich die Firmen aus den Märkten zurückziehen, wenn das europäische Lieferkettengesetz kommt wie geplant. Weil die Haftungsrisiken dann einfach zu groß sind."
Aber enorme Risiken existieren schon jetzt. Die USA stellen alle Produkte aus Xinjiang unter den Generalverdacht der Zwangsarbeit. Folge: Einfuhrverbot. Die US-Behörden verlangen von vornherein den Nachweis, dass Importwaren ohne Zwangsarbeit hergestellt wurden. Verstößt jemand gegen die Vorschrift, zieht der amerikanische Zoll womöglich die gesamte Ware ein. Und Xinjiang bedeutet in diesem Fall: Die USA wollen Nachweise über alle Zulieferer - bis hin zum kleinsten Partikel.