Textilindustrie Faire Mode statt "Fast Fashion"
In der Modeindustrie werden jedes Jahr immer mehr Kollektionen auf den Markt gebracht. Die "Fair Fashion Week" will den Blick auf Nachhaltigkeit, Klimafragen und Bedingungen in den Produktionsländern lenken.
Was gibt es Schöneres als Shoppen. Kaufen befriedigt, Kaufen macht Spaß. Doch beim Kauf von Kleidungsstücken wird das Geld oft am Schrank vorbei direkt aus dem Fenster geworfen. Pro Kopf, pro Jahr werden in Deutschland 40 bis 70 Kleidungsstücke gekauft. Doch davon werden 40 Prozent maximal zweimal getragen. "Schnelle Mode" heißt: schnell gekauft und schnell aussortiert. Beim Konsum sind Umweltaspekte und zum Teil menschenunwürdige Produktionsbedingungen oftmals ausgeblendet.
Fabrik-Einsturz schaffte Aufmerksamkeit
"Seit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch hat die Frage, unter welchen Arbeitsbedingungen unsere Kleidung hergestellt wird, viel Aufmerksamkeit gewonnen", sagt Ursula Artmann, Geschäftsführerin des "Weltladens" in Frankfurt und Mitglied der Organisationsgruppe "Fair Fashion Week". Beim Einsturz eines achtstöckigen Textilfabrik-Gebäudes verloren 2013 in Dhaka 1134 Menschen ihr Leben. Mehr als 30 westliche Unternehmen hatten Textilien und Kleidung im Rana Plaza produzieren lassen, darunter auch fünf deutsche.
"Der faire Handel steht auch für eine sichere Produktion, er bietet mehr als nur eine Alternative", sagt Artmann. Die Frankfurter "Fair Fashion Week" zeigt auch aktuelle Einblicke der Produktionsbedingungen in Bangladesch. Der Filmabend "Made in Bangladesch", skizziert die Geschichte einer jungen Bengalin, die als Näherin arbeitet.
Mehr als 20 Kollektionen im Jahr
Schon lange gibt es nicht nur vier Bekleidungskollektionen pro Jahr. Zur Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterkollektion sind etliche Zwischenvarianten dazugekommen. Für das schnelle Zugreifen präsentieren große Textilunternehmen über 20 Kollektionen pro Jahr. Zusätzlich sorgt Werbung für Dominanz am Markt.
"Viele nicht nachhaltige Modeketten betreiben einen großen Aufwand, damit wir Mode kaufen, die wir eigentlich gar nicht brauchen und auch nicht kaufen wollen", sagt der Nachhaltigkeitsforscher Jacob Hörisch. "Diese Anbieter versuchen unsere Aufmerksamkeit auf andere Kriterien zu lenken, um zum Kauf eigentlich nicht benötigter Artikel anzuregen. Dies geschieht zum Beispiel über Rabattaktionen am 'Black Friday'. Dadurch wird unsere Aufmerksamkeit abgelenkt von sozialen und ökologischen Überlegungen."
"Für viele eine Preisfrage"
Noch klafft eine Lücke zwischen Wissen und Handeln beim Thema Textilkonsum. "Um diese zu schließen, braucht es noch mehr Berührungspunkte - also noch mehr Modeläden und Designs -, die nachhaltig produziert wurden. Dies muss auch verständlich kommuniziert werden", sagt Marlene Haas, Geschäftsführende Gesellschafterin der Beratungsfirma "Lust auf ein besseres Leben". "Für viele Verbraucher ist das aber auch eine Preis- und Nutzungsfrage. Hier können politische Rahmenbedingungen wie das Lieferkettengesetz helfen, um nicht nachhaltige Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, so dass nachhaltige Mode nicht mehr teurer ist."
Vom 13. bis 21. Januar sind für die "Fair Fashion Week" Angebote zum Thema Nachhaltigkeit geplant: etwa eine Kleidertausch-Party, Diskussionsrunden zum Geschäftsmodell "Fast Fashion" oder einen Upcycling-Workshop, bei dem unter Anleitung Kleidungsstücke wieder flott gemacht werden können.
Warnhinweis als Abschreckung?
Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Mode ist inzwischen relativ hoch. Laut Umweltbundesamt geben 88 Prozent der Konsumierenden an, dass sich Modemarken für Umweltschutz einsetzen sollten, drei Viertel halten Nachhaltigkeit beim Modekonsum für grundsätzlich wichtig. Aber nur ein Drittel beachtet Umweltkriterien vor und beim tatsächlichen Kauf eines Kleidungsstücks.
"Ein echter Game-Changer wäre es, verpflichtende Negativ-Label einzuführen", sagt Nachhaltigkeitsforscher Hörisch. "Wir sehen in anderen Konsumbereichen - zum Beispiel bei Elektrogeräten -, dass Kunden stark davor zurückschrecken, Produkte zu kaufen, die offenkundig eine schlechte Umweltbilanz und eine schlechte Energieeffizienz haben. Überspitzt formuliert: Wenn jedes nicht nach sozialen Kriterien zertifizierte Kleidungsstück aus Südasien gekennzeichnet wäre mit einem Hinweis 'Kann Kinderarbeit enthalten', würde der Konsum nicht als nachhaltig zertifizierter Mode deutlich zurückgehen", so Hörisch.
"Noch ein langer Weg zu nachhaltigem Modekonsum"
Das Angebot für nachhaltige Mode steigt im stationären Einzelhandel - auch in normalen Kaufhäusern. "Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieser Anstieg von einem sehr niedrigen Ausgangspunkt erfolgt. Es ist also noch ein langer Weg hin zu nachhaltigem Modekonsum", sagt Hörisch.
Branchenexpertin Haas wünscht sich ein Umdenken - beziehungsweise ein "Um-Fühlen": "'Brauche ich das wirklich? Reicht nicht ein Paar Sneaker und dann eben nachhaltige?' - Damit der Trend zum kulturellen Standard wird." Die "Fair Fashion Week" in Frankfurt soll dabei Hilfestellung bieten.