Aktuelle Konjunkturprognosen Wie schlecht geht es der deutschen Wirtschaft?
Stagnation statt Wachstum: Das ifo-Institut hat seine Konjunkturprognose gesenkt, auch andere Institute rechnen für 2024 nicht mehr mit einem Wachstum. Wie schlecht geht es der Wirtschaft wirklich?
Es sind wieder einmal enttäuschende Nachrichten, die von den wichtigen Wirtschaftsforschungsinstituten des Landes kommen: Das Münchner ifo-Institut hat seine Prognose für die deutsche Wirtschaft für 2024 nach unten korrigiert, auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung, der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) beklagt zudem eine verschlechterte Stimmung im Außenhandel.
Konkret gehen die Forscher am ifo-Institut in ihrer aktuellen Herbstprognose davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt nach einem Rückgang um 0,3 Prozent im vergangenen Jahr in diesem Jahr stagnieren dürfte. Im Juni waren die Münchner Forscher noch von einem Wachstum von 0,4 Prozent ausgegangen.
"Die deutsche Wirtschaft steckt fest, und sie dümpelt in einer Flaute, während andere Länder den Aufwind spüren", lautet das Fazit von ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Erst 2026 soll es dann zu einem kräftigeren Plus von 1,5 Prozent reichen.
IfW sagt Rezession voraus
Andere Prognosen sind sogar noch pessimistischer: Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet in seiner Herbstprognose damit, dass das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr im Vorjahresvergleich um 0,1 Prozent zurückgehen wird. Damit würde die deutsche Wirtschaft zum zweiten Mal in Folge sinken und tiefer in die Rezession rutschen. In der Sommerprognose hatte das Institut noch mit einem Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet.
"Insgesamt stottert die deutsche Wirtschaft in eine blutleere Erholung, auch weil die Wirtschaftspolitik keine verlässlichen Weichenstellungen vorzunehmen vermag", sagte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths.
Strukturelle Probleme belasten
Für diese enttäuschenden Prognosen führen die Experten des ifo-Instituts und des IfW mehrere Gründe an, die zunehmend auch "struktureller Natur" seien, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. So belasten nach Ansicht des Experten etwa die Haushaltskürzungen der Bundesregierung die Wirtschaft, während alte Kernindustrien zu lange nicht auf Veränderungen reagiert hätten.
Das betonen auch die ifo-Experten: "Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Corona-Pandemie, Energiepreisschock und eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft setzen etablierte Geschäftsmodelle unter Druck und zwingen Unternehmen, ihre Produktionsstrukturen anzupassen."
Autobauer in der Krise
Ein Beispiel dafür ist die Autoindustrie: Sie steckt in der Krise, der Geschäftsklimaindex der deutschen Automobilindustrie, der vom ifo-Institut erhoben wird, hat sich im August verdüstert. Der Indikator ging zurück auf minus 24,7 Punkte, nach minus 18,5 im Juli. Deutschlands größter Autobauer VW kündigte in dieser Woche harte Sparmaßnahmen an, auch eine Werksschließung in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen werden nicht länger ausgeschlossen.
Die schwierige Situation der Autobauer hierzulande liegt laut ifo-Expertin Anita Wölfl auch daran, dass die deutsche Autoindustrie beim Thema Elektromobilität sehr spät reagiert habe. Und nun laut der Expertin auch vor der Herausforderung stehe, dass sie - anders als neue reine Elektro-Anbieter etwa aus China - mit Doppelstrukturen sowohl Verbrenner als auch Elektroautos produziere.
Verband BGA rechnet mit weniger Außenhandel
Das ist allerdings nicht der einzige Grund: Die deutsche Autoindustrie gehört zu jenen Wirtschaftszweigen hierzulande, die stark vom Außenhandel abhängen - und in dem sich die Stimmung auch verschlechtert. Der BGA rechnet damit, dass die Exporte aus Deutschland dieses Jahr im Vorjahresvergleich um 0,3 Prozent abnehmen werden. "Unser Wirtschaftsmodell steht massiv unter Druck", heißt es in einer Mitteilung.
Das ist für die gesamte deutsche Wirtschaft eine schlechte Nachricht, da in Deutschland im vergangenen Jahr fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung auf Exporte entfiel. Konkret gingen 2023 nach Daten der Weltbank 47,1 Prozent der hierzulande produzierten Güter ins Ausland, viele Arbeitsplätze hierzulande hängen am Außenhandel.
Hoffnungsschimmer von den Industrieaufträgen
Die aktuell positive Auftragsentwicklung der deutschen Industrie ist in diesem Zusammenhang zwar ein Hinweis auf eine mögliche Bodenbildung, aber noch kein klares Signal für eine Trendwende. Im Juli stieg der Auftragseingang im Monatsvergleich um 2,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Das war der zweite Anstieg in Folge, nachdem der Auftragseingang zuvor fünf Monate kontinuierlich gesunken war. Die jüngsten Zahlen waren aber stark von Großaufträgen beeinflusst. Diese herausgerechnet, sei der Auftragseingang um 0,4 Prozent geringer gewesen als im Juni, so die Statistiker.
Angst um Arbeitsplätze und Einkommen
Deutsche Verbraucher werden die zu erwartende Lücke im Außenhandel kaum schließen - erst recht nicht bei der aktuell schlechten Stimmung. Das Barometer für das Konsumklima sank im September auf minus 22,0 Punkte von revidiert minus 18,6 Zählern im Vormonat, wie die GfK und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) mitteilten. "Negative Meldungen rund um die Arbeitsplatzsicherheit, die die Verbraucher wieder pessimistischer stimmen", ließen eine schnelle Erholung der Konsumstimmung "unwahrscheinlich erscheinen", urteilte NIM-Konsumexperte Rolf Bürkl.
Die Zahl der Arbeitslosen war August erneut gestiegen: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierte im August 2.872.000 Arbeitslose. Verglichen mit dem August des vorigen Jahres liegt die Arbeitslosenzahl um 176.000 höher. "Der Arbeitsmarkt bekommt weiter die Folgen der wirtschaftlichen Stagnation zu spüren", sagte die Vorstandsvorsitzende der BA, Andrea Nahles.
Hinzu kommen immer mehr Firmenpleiten sowie Pläne diverser Unternehmen für Personalabbau. Dies verstärke bei vielen Menschen die Sorgen um den Arbeitsplatz und das Einkommen, sagte NIM-Konsumexperte Bürkl.
Deutsche sparen mehr
Die Zurückhaltung beim Geld ausgeben lässt sich auch mit der zuletzt gestiegenen Sparquote belegen: Laut dem ifo-Institut stieg die Sparquote in den vergangenen beiden Quartalen um 0,5 Prozentpunkte auf zuletzt 11,3 Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit lag sie deutlich über dem Durchschnitt der zehn Jahre vor der Corona-Pandemie.
Moritz Kraemer, Chefvolkswirt der Bank LBBW, betont in einem Gastbeitrag in der "Financial Times", dass deutsche Verbraucher allen Grund zum Sparen hätten: "Eine schnell alternde Gesellschaft mit einem nicht gedeckten öffentlichen Rentensystem. Die großen Jahrgänge, die in den 1960er Jahren geboren wurden, beginnen in den Ruhestand zu fallen. In den nächsten fünf Jahren wird Deutschland Jahr für Jahr netto ein Prozent seiner Erwerbsbevölkerung verlieren."
Abhilfe schaffen könnte da die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland. Doch der Dialog darüber werde durch die aktuelle Asyldebatte vergiftet, betont IfW-Präsident Moritz Schularick: "Solange das so bleibt, können wir zusehen, wie unser Wachstumspotenzial immer kleiner wird", sagte er.