Ifo-Chef zu Wirtschaftsschwäche Fuest sieht Mitschuld bei der Ampel
Der Wirtschaftsforscher und ifo-Chef Fuest wirft den Koalitionsparteien vor, in wirtschaftspolitischen Fragen uneinig zu sein. Damit sorgten sie für große Verunsicherung und seien mitschuldig an der wirtschaftlichen Lage.
Die Uneinigkeit in der Bundesregierung über den wirtschaftspolitischen Kurs ist für ifo-Präsident Clemens Fuest einer der Gründe für die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft. "Die Verunsicherung der Wirtschaft muss sich die Ampel zuschreiben lassen", sagte der Wirtschaftsforscher der "Augsburger Allgemeinen" laut Vorabbericht.
Verunsicherte Firmen stellten Investitionen zurück
Die messbare massive politische Verunsicherung der Wirtschaft sei in keinem Industrieland so groß wie hierzulande. "Wenn die Unternehmen nicht genau wissen, wohin die Politik steuert, stellen sie große Investitionen zurück oder investieren im Ausland." All dies trage dazu bei, dass die Wirtschaft in der Stagnation gefangen sei.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt war im vierten Quartal 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft. Sinkt es im laufenden ersten Quartal erneut, sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession. Dass dieser Fall eintritt, ist nicht unwahrscheinlich. So rechnet etwa die Bundesbank "bestenfalls" mit einer Stagnation von Januar bis März.
Fuest fordert gemeinsamen Kurs der Koalition
Dabei verfügt die Bundesregierung laut Fuest durchaus über die nötigen Instrumente, um die Probleme zu lösen. "Das Haupthindernis ist, dass es dieser Koalition sehr, sehr schwer fällt, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu einigen", sagte Fuest. Wenn die Koalition den Ernst der Lage erkenne und sich auf die richtigen Schritte einigen könne, gebe es keinen Grund zum Pessimismus.
Die deutsche Wirtschaft leidet dem Wirtschaftsforscher zufolge unter einer ganzen Reihe von Belastungsfaktoren. "Jeder für sich wäre auszuhalten, aber die Masse der Belastungen wird zum großen Problem." Das beginne bei teuren Energiepreisen, gehe weiter mit hohen Zinsen und treffe auf eine Industrie, der es weltweit nicht gut gehe.
Immer weniger Arbeitskräfte
Aber auch spezifische deutsche Probleme macht Fuest aus: "Die Bürokratie hat in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen." Auch die Steuerbelastung sei im internationalen Vergleich sehr hoch und das Arbeitskräfteangebot werde knapper.
Im Gespräch mit tagesschau24 hatte Fuest jüngst auch auf strukturelle Probleme wie den demographischen Wandel explizit hingewiesen: "Wir laufen auf eine Situation zu mit schrumpfender Erwerbsbevölkerung. Und das macht vielen Investoren Sorgen."
Ifo-Chef für Kürzung von Sozialausgaben
Doch welche Lösungen schlägt der Wirtschaftsforscher vor? Im Gespräch mit der "Augsburger Allgemeinen" sprach sich Fuest gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse aus. "Steuersenkungen komplett auf Pump zu finanzieren, halte ich in der aktuellen Lage nicht für sinnvoll", sagte er der Zeitung. Zumindest ein Teil müsse aus den laufenden Einnahmen des Haushalts finanziert werden. "Obwohl es unpopulär ist, müsste der Staat bei Konsum- und Sozialausgaben einsparen und umschichten."
Die Schuldenbremse zwinge die Politik zur Prioritätensetzung und lasse dem Staat genügend Spielraum für eine ökonomisch sinnvolle Verschuldung. Sonst würden Verteilungskämpfe nur in die Zukunft verlagert. Für wichtige Investitionen, die Deutschland brauche, sei auch ein Sondervermögen mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich, sagte Fuest.
Subventionen seien der falsche Weg
Subventionen für die Ansiedlung von Chipindustrie und Batteriefabriken kritisierte der Ökonom allerdings als falschen Weg. "Wohlstand schaffen Unternehmen, die Steuern zahlen, nicht Unternehmen, die Subventionen bekommen." Diese Industrieansiedlungen seien nicht nachhaltig, sie würden wieder abwandern, wenn die Subventionen nicht mehr greifen.
Die Bundesregierung will dem US-Konzern Intel für den Bau einer neuen Chipfabrik in Magdeburg knapp zehn Milliarden Euro an staatlichen Subventionen zahlen. Das entspricht rund einem Drittel der geplanten Investitionssumme. Den Bau eines Halbleiterwerks in Dresden durch den taiwanesischen Weltmarktführer TSMC soll von der Regierung mit bis zu fünf Milliarden Euro unterstützt werden.