Photovoltaikmodule werden auf dem Dach eines Wohnhauses montiert.

Ausgebremste Energiewende Zu wenige Fachkräfte für Photovoltaik-Ausbau 

Stand: 22.05.2023 10:36 Uhr

Die Nachfrage nach Solaranlagen ist groß. Doch wer soll sie installieren? Das Handwerk in Deutschland steht vor einer riesigen Herausforderung, denn es fehlen Zehntausende Fachkräfte.

Von Oliver Bemelmann, SWR

"Wir werden regelrecht überrannt mit Anfragen und haben genug Arbeit, aber kein Personal", sagt Gerd Benzmüller, Gründer und Gesellschafter der gleichnamigen Elektrofirma im rheinland-pfälzischen Saarburg.

Gerade im Bereich Photovoltaik (PV) sei die Nachfrage enorm gestiegen und die Auftragsbücher seines Betriebs gut gefüllt. Die Firma installiert jedes Jahr rund 150 PV-Anlagen in der Region, die Kunden sind vorwiegend Privatleute und kleine Gewerbebetriebe. 

Volle Auftragsbücher, aber kaum Bewerber 

Zehn Mitarbeiter sind in dem Betrieb für die Installation der Photovoltaik-Anlagen zuständig. Eigentlich bräuchte er dafür 15, sagt Marvin Scherf. Er ist bei Benzmüller für den Bereich Photovoltaik verantwortlich. Gerne würde er deutlich mehr Aufträge annehmen, aber dafür fehlten ihm schlicht die Mitarbeiter, erklärt Scherf. Er suche händeringend nach Fachkräften, aber "es kommen einfach keine Leute nach".   

Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, hat seine Firma bereits vieles versucht: Werbung in den sozialen Medien geschaltet und mit Vermittlungsfirmen zusammengearbeitet. Gebracht habe das alles nichts, so Scherf. "Es bewerben sich einfach zu wenig Leute." Seiner Meinung nach mache sich bemerkbar, dass in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft mehr Wert auf das Studium anstatt auf Ausbildungsberufe gelegt wurde. "Das Ergebnis merken wir jetzt extrem im Handwerksbereich".   

Personalnot führt zu langen Wartezeiten

Für die Kundinnen und Kunden bedeutet das lange Wartezeiten. Von der Anfrage bis zur Montage vergehen oft neun Monate. Dabei könnte man viel schneller arbeiten, würden nicht so viele Fachkräfte fehlen.

Daneben sorgen auch Lieferengpässe in der Solarbranche für lange Wartezeiten. Bis zu zwölf Monate lang musste das Unternehmen im vergangenen Jahr auf Material warten. Dann dauerte es häufig noch länger, bis die Anlagen auf dem Dach waren.

Die eigentliche Montage der Solaranlage dauert drei Tage, erklärt Firmengründer Gerd Benzmüller. Wenn sie steht, soll sie die Hälfte des Strombedarfes eines Einfamilienhauses decken.   

Ohne Handwerker sind Klimaziele kaum zu schaffen 

Nicht nur die Firma Benzmüller sucht verzweifelt nach Fachkräften. Bundesweit fehlt es in vielen Handwerksbranchen an Personal, teilen die Handwerkskammern mit. Besonders groß sei der Bedarf im Elektrohandwerk und in der Sanitär-Heizungsbranche - also genau in den Bereichen, die für die Energiewende relevant seien.

Denn für das Anbringen von Solarpanelen, die Wartung der Stromnetze, die Installation von Wärmepumpen und für energetische Gebäudesanierungen braucht es handwerkliche Fachkräfte. Für den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ist daher klar, dass der Fachkräftemangel eine der zentralen Herausforderungen für das Erreichen der Klimaziele ist.  

250.000 Fachkräfte fehlen im Handwerk 

Der Verband geht davon aus, dass bundesweit etwa 250.000 qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker fehlen - Tendenz steigend. Alleine für den geplanten Wärmepumpenausbau würden zusätzlich etwa 60.000 Monteure im Sanitär- und Heizungsbereich gebraucht.

Die Politik, die ambitionierte Klimaziele vorgebe, müsse auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, fordert der ZDH. Dazu sei ein Umdenken in der Bildungspolitik nötig, um Ausbildungsberufe stärker aufzuwerten. Zudem müssten Ausbildungsbetriebe stärker entlastet und zusätzliche geschaffen werden, etwa durch günstige Nahverkehrstickets Anreize für Auszubildende.

Es gehe darum, junge Menschen stärker für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Schließlich liege besonders vielen jungen Menschen der Klimaschutz am Herzen. So könnten sie ihr Herzensanliegen zum Beruf machen, so der ZDH.  

Bund plant massiven Photovoltaik-Ausbau  

Photovoltaik gilt als einer der günstigsten Energieträger und damit als eine der wichtigsten Stromerzeugungsquellen der Zukunft. Die bundesweit mehr als zwei Millionen vorhandenen PV-Anlagen können nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zeitweise an sonnigen Tagen mehr als zwei Drittel des deutschen Stromverbrauchs decken.

Alleine im Jahr 2021 wurden mehr als 390.000 neue Photovoltaikanlagen mit Solarstromspeicher installiert. Ziel sei es, die Kapazität bis 2030 von 59 Gigawatt (Stand Ende 2021) auf 215 Gigawatt zu steigern. Dazu müsse der jährliche Photovoltaik-Ausbau verdreifacht werden. Dies soll beispielsweise durch gezielte Anreize wie steuerliche Vergünstigungen bei der Anschaffung und Zuschüsse erreicht werden.

Aktuell nutzen nach Ministeriumsangaben rund 1,2 Millionen private Haushalte in Deutschland direkt Strom durch Sonne und erzielen zudem Einnahmen aus dem Verkauf von Solarstrom.  

Hoffnung auf Fachkräfte aus Indien

Die Leistungen von Elektrobetrieben werden im Zuge der Energiewende immer gefragter. Das spürt auch die Elektrofirma Benzmüller in Saarburg. Um personelle Engpässe aufzufangen, will der Betrieb unter anderem die eigenen Handwerker und Installateure aus anderen Bereichen umschulen auf Photovoltaikanlagen.

Außerdem wurden vier Mitarbeiter einer externen Firma abgeworben, um ein zweites Team für die Installation von PV-Anlagen aufzubauen, erklärt Firmengründer Benzmüller. Seine große Hoffnung sind zudem Fachkräfte aus Indien. Er ist überzeugt, dass indische Handwerksbetriebe den deutschen in nichts nachstehen und plant künftig, Fachkräfte von dort anzuwerben. Erste Gespräche mit indischen Vertretern habe er bereits geführt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR4 Rheinland-Pflalz Am Morgen am 22. März 2023 um 06:00 Uhr.