Schwimmende Kraftwerke Hohe Hürden für Solaranlagen auf Seen
Schwimmende Photovoltaik-Anlagen könnten allein in Baden-Württemberg fast die gesamte Leistung eines AKW ersetzen. Doch ausgerechnet das Gesetz zum Ausbau Erneuerbarer Energien bremst entsprechende Pläne.
Eine große schwimmende Photovoltaik-Anlage - die sollte es demnächst auf dem Stürmlinger See in Durmersheim (Kreis Rastatt) in Baden-Württemberg geben. Bauen wollte sie der Betreiber des angrenzenden Kieswerkes, seit 2016 läuft die Planung. Die Anlage sollte 6500 Haushalte mit Strom versorgen können. "Das wäre zweimal die Einwohnerzahl von Durmersheim", erklärt der Bürgermeister Klaus Eckert. "Viele Projekte sind bei den Bürgern umstritten, dass hier in Durmersheim nicht. Es wäre ein Witz, wenn wir die Energiewende voranbringen wollen und uns dann Knüppel zwischen die Beine geworfen werden."
Neue Regelung ab 2023
Ein Knüppel ist für ihn die neue Bundesregelung zu Photovoltaik-Anlagen auf Gewässern. Zulässig sind Photovoltaik-Anlagen demzufolge nur auf künstlichen Seen. Die Fläche wird stark eingeschränkt, zudem darf die Anlage nur bis zu 15 Prozent der Wasserfläche ausmachen.
Im Vorfeld gab es eine Länderinitiative gegen diese Regelung, die Länder wollten größere Photovoltaik-Anlagen, auch Baden-Württemberg. Doch das blieb erfolglos, ab Januar 2023 tritt das Bundesgesetz in Kraft. 15 Prozent der Wasserfläche - das ist nur noch etwa halb so groß wie ursprünglich in Durmersheim geplant. Begründet wird die neue Regelung damit, dass die Auswirkungen auf das Gewässer bei einer größeren Fläche aktuell noch wissenschaftlich erforscht werden müssen.
Forscher sieht positive Effekte
Konstantin Ilgen vom Fraunhofer Institut forscht genau zu diesem Thema. Unter anderem in Renchen im Ortenaukreis, ebenfalls in Baden-Württemberg. Dort ist 2019 die erste kommerziell genutzte schwimmende Photovoltaik-Anlage in Deutschland entstanden. Sie deckt zwei Drittel des Strombedarfs des dortigen Kiesabbaues, der generell sehr stromintensiv ist. Am Wochenende, wenn kein Betrieb ist, wird der Strom ins Netz eingespeist.
Bislang konnte der Forscher dort keine negativen Auswirkungen auf die Wasserqualität feststellen. Und auch in Simulationen, bei denen die Anlage hypothetisch vergrößert wurde, würden bis zu einer Größe von 50 Prozent der Wasserfläche die Vorteile gegenüber Photovoltaik-Anlagen an Land überwiegen. Man müsse keinen Boden verdichten, damit die Anlage sicher steht, es gebe keine Konkurrenz zu Ackerflächen, Tourismus, Natur- und Landschaftsschutz, und das Wasser kühle die Photovoltaik-Anlage, so dass der Ertrag höher sei.
Erste Forschungen zeigen Ilgen zufolge sogar, dass die Photovoltaik-Anlagen sich positiv auf die Wasserqualität auswirken. "Wir haben das Jahr 2018 simuliert, was ja auch einen extrem heißen Sommer hatte, und da konnten wir beobachten, dass die Photovoltaik-Anlagen eigentlich genau den entgegengesetzten Effekt vom Klimawandel haben." Sie sorgten für Schatten und damit für weniger Algenbildung, außerdem verdunste weniger Wasser, erklärt Ilgen. Allerdings wurde in der Studie nicht untersucht, wie sich die Anlagen ansonsten auf die Flora und Fauna der Seen auswirken. Und auch die Ästhetik stand nicht zur Debatte.
Installation dauert acht Wochen
Würde man auf allen rund 70 geeigneten baden-württembergischen Baggerseen in Auskiesung Photovoltaik-Anlagen schwimmen lassen, käme man laut Fraunhofer Institut auf eine elektrische Leistung von 1130 Megawatt, wenn man weniger als die Hälfte der Wasserfläche nutzt. Zur Einordnung: Das Atomkraftwerk Neckarwestheim hat eine elektrische Leistung von 1400 Megawatt. Seen, die bereits ausgekiest sind und teilweise auch mitgenutzt werden könnten, sind in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt.
Schätzungsweise acht Wochen würde die Installation neuer Anlagen dauern, die Technologie sei da, so Ilgen. Unklar sei noch, wie lange das Material auf dem Wasser halte, da es die Anlagen noch nicht so lange gebe. Belegte Nachteile seien bislang nur die zehn bis 15 Prozent höheren Investitionskosten gegenüber Anlagen an Land, sagt der Forscher.
Hoffen auf Unterstützung vom Bund
In Durmersheim hatte man mit diesen Kosten schon geplant - jetzt müssen sie neu rechnen. "Natürlich ist es nicht mehr so rentabel, es wird grenzwertig", sagt Thorsten Volkmer, Chef des Kieswerks Kies und Beton AG Baden-Baden. "Die Anlage wird ungefähr halb so groß wie gedacht. Und dann rechnet sich vieles nicht mehr so schön. Also die ganze Stromanbindung, die wir ja hier bereitstellen müssen, wäre deutlich teurer pro Kilowattstunde."
Noch hoffen sie darauf, dass das Projekt vielleicht doch wie geplant klappt. Der Kieswerk-Chef, der Landrat und der Durmersheimer Bürgermeister wünschen sich, dass ihr Plan in die Forschungsprojekte des Bundes aufgenommen wird. Dann könnte man am Beispiel Durmersheim untersuchen, wie sich schwimmende Photovoltaik-Anlagen auswirken, die größer als 15 Prozent der Wasserfläche sind. Doch auf diese Anfrage gibt es noch keine endgültige Antwort.