Photovoltaik aus Deutschland Mit Solardachziegeln gegen die Konkurrenz?
Im Vergleich zu Firmen aus China ist die deutsche Solarbranche heute unbedeutend. Doch mehr Energie-Unabhängigkeit ist das politische Ziel. Haben deutsche Hersteller eine Chance mit Nischenprodukten?
Eines Tages könnten seine Dachziegel den Bundespräsidenten mit Strom versorgen. Für Peter Hakenberg ist das eine große Anerkennung. Mit seiner Firma paXos aus Langenfeld bei Düsseldorf hat er Solardachziegel entwickelt. Als der Anruf kam, dass die Ziegel für die Renovierung des Schlosses Bellevue infrage kommen könnten, war Hakenberg begeistert: "Schön, dass wir die Reputation haben, für sowas angefragt zu werden", sagt er.
Solarziegel des Herstellers paXos auf einem Testdach in Köln.
Für denkmalgeschützte Gebäude geeignet
Das für die Sanierung des Schlosses zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bremst die Euphorie ein wenig. Bisher seien lediglich Musterziegel mit integrierter Photovoltaik begutachtet worden: "Es wurde noch keine Entscheidung getroffen", teilt das Bundesamt mit. Die Absicht den Amtssitz des Bundespräsidenten, denkmalkonform auf Solarenergie umzurüsten, ist aber vorhanden.
Hackenbergs Solardachziegel sind von herkömmlichen Ziegeln kaum zu unterscheiden und deshalb aus optischen Gründen besonders für denkmalgeschützte Gebäude geeignet: "Menschen wollen ihr Haus für Solarenergie ertüchtigen, sie wollen es aber nicht verschandeln", sagt der Ingenieur. Durch ihre kleinteilige Form lassen sich die Solardachziegel auch für verwinkelte Dächer nutzen, auf denen große Solarmodule kaum angebracht werden können.
EU-Hersteller bei nur einem Prozent Marktanteil
Für einen Teil seiner Dachziegelinnovation - die Solardachpfannen - hat Hackenbergs Firma die Rechte an den Schweizer Hersteller Meyer Burger verkauft. Bald soll die Produktion in Serie gehen, Hakenberg rechnet ab Mitte kommenden Jahres mit hunderttausend Stück pro Monat. Der Zukauf ist Teil des Wachstumskurses von Meyer Burger; das Unternehmen hat Produktionsstätten unter anderem in Sachsen und Sachsen Anhalt. Für europäische Verhältnisse ist Meyer Burger ein Branchenriese, weltweit gesehen aber ein Zwerg.
Wie unbedeutend die europäische Solarbranche im internationalen Vergleich ist, zeigen Daten der Beratungsfirma PwC für das Jahr 2021. Bei Solarmodulen liegt der weltweite Marktanteil aller EU-Hersteller zusammen bei gerade mal einem Prozent. China allein macht hingegen 75 Prozent des Weltmarktes aus.
Solardachziegel nur eine "Nischenlösung"?
Können Innovationen wie die von Peter Hakenberg Deutschland an die Weltspitze der Solarindustrie bringen? Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, ist skeptisch und spricht von Wunschdenken: "Die Chinesen sind auch nicht blöd, was Technik und Entwicklung angeht. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir da Raketenwissenschaft entwickeln, die den Weltmarkt aufrollt, ist nicht sehr hoch", sagt er.
Die Idee für Solardachziegel sei nicht neu, gibt Quaschning zu bedenken, auch andere Hersteller tummeln sich bereits in diesem Bereich. "Aus architektonischen Gründen ist das ganz interessant, es ist aber eher eine Nischenlösung", sagt der Solarexperte. Denn ausschlaggebend sei am Ende der Preis.
Rund 20 Prozent teurer
Tatsächlich muss auch Hakenberg zugeben, dass seine Dachziegel vergleichsweise teuer sind. Zwar schlägt der Bauherr beim Neubau zwei Fliegen mit einer Klappe und hat Dachziegel und Solaranlage in einem. Diese Kombi sei aber rund 20 Prozent teurer als ein herkömmliches Dach und eine herkömmliche Solaranlage zusammengenommen.
Allerdings könnten seine Dachziegel auch Wärme erzeugen - und so gut in Kombination mit einer Wärmepumpe eingesetzt werden, sagt Hakenberg: "Dadurch kann man bei der Wärmepumpe im Jahresdurchschnitt 25 Prozent des Stromverbrauchs sparen."
Hohe Abhängigkeit von China
Für die Stärkung der deutschen Solarbranche sprechen vor allem geostrategische Überlegungen. Bei der Gasversorgung hatte sich die Bundesrepublik in eine starke Abhängigkeit von Russland begeben, bei der Solarenergie ist sie abhängig von China. "Wenn China Taiwan überfällt, ist die deutsche Energiewende beendet", bringt es Energieexperte Quaschning etwas zugespitzt auf den Punkt. Die Bundesregierung versucht gegenzusteuern, Wirtschaftsminister Robert Habeck hat staatliche Produktions- oder Abnahmegarantien für die Ökostrom-Branche in Aussicht gestellt.
Dabei geht es auch darum, verlorengegangenes Vertrauen wiederaufzubauen. Vor rund zehn Jahren gingen reihenweise deutsche Hersteller in die Knie, weil sie nicht mit der chinesischen Konkurrenz mithalten konnten. Die deutsche Politik hat diesen Niedergang damals nicht verhindert. "Das ist für Unternehmen keine tolle Vorgeschichte", sagt Quaschning. Er fordert langfristig bessere Rahmenbedingungen, um den Aufbau von großen europäischen Herstellern zu ermöglichen.
Dachziegel-Entwickler Hakenberg nimmt derzeit einen "totalen Paradigmenwechsel" wahr, nachdem die Solarindustrie in Deutschland jahrelang stiefmütterlich behandelt worden sei. Die deutsche Abhängigkeit sei groß - auch bei Zulieferteilen: "Allein für die Herstellung von Musterware müssen wir jedes Mal was aus China einfliegen lassen." Es sei also noch ein weiter Weg.