Ostdeutscher Unternehmertag Wenn der Nachwuchs nicht Chef werden will
Der Fachkräftemangel ist eine Bedrohung für den Wohlstand in Deutschland, und er spitzt sich weiter zu. Wo keine Fachkräfte sind, da sind auch keine Unternehmensnachfolger. Was schreckt an der Selbstständigkeit so ab?
Es ist laut in der Werkshalle von Wolfgang Greiner. Seine Mitarbeiter schleifen Metall. Seit 30 Jahren bauen sie hier Treppen- und Balkongeländer für die Hauptstadt. Greiner hat den Betrieb von null aufgebaut, und er hat gut zu tun. "Mit der Auftragslage haben wir die letzten zehn Jahre nie Probleme gehabt", erzählt der 63-Jährige.
Für Greiner rückt der Ruhestand näher. Seit fünf Jahren beschäftigt er sich deshalb damit, wer seine Firma übernehmen könnte - bisher ohne Erfolg. "Ist natürlich in unserer Zeit sehr, sehr schwer, junge Menschen dafür zu begeistern, diesen Weg zu gehen. Aber man hat natürlich die Hoffnung, dass sich jemand dazu noch findet."
Nachfolgeproblem ist auch ein Fachkräfteproblem
Dass er keinen Nachfolger findet, hat auch mit dem Fachkräftemangel zu tun, und der ist eines der drängendsten Probleme der Branche, heißt es auf dem 5. Ostdeutschen Unternehmertag in Potsdam. Der Fachkräftemangel bedrohe die wirtschaftliche Zukunft der ostdeutschen Wirtschaft. Die Auswirkungen zeigten sich dabei in Ostdeutschland deutlich eher und stärker als in anderen Landesteilen. Die Unternehmen stünden zurzeit vor großen Herausforderungen.
Fachkräftemangel, Energiewende, Ökologische Transformation: Wer in dieser Situation einen Nachfolger für sein Unternehmen suche, habe es besonders schwer, sagt die IHK Potsdam. "Der anhaltende und sich weiter verschärfende Arbeits- und Fachkräftemangel macht es nicht leichter, in der Unternehmensnachfolge neue Chefinnen oder Chefs zu finden", so der Verband.
Lieber angestellt sein als Chef
Vor 15 Jahren hatte Wolfgang Greiner in seiner Firma immer um die 30 Bewerber auf Ausbildungsstellen, zurzeit kommen gar keine mehr. Der Markt ist leer. Und die wenigen, die eine Ausbildung machten und sich schließlich sogar für den Meisterabschluss entschieden, die gingen lieber ins Angestelltenverhältnis, als selbst Chef oder Chefin zu werden, erzählt Greiner: "Handwerk ist ein anstrengender Beruf. Das ist körperlich sehr anstrengend." Die junge Generation lege mehr Wert auf feste Arbeitszeiten und verbindliche Urlaubstage.
Zusätzlich schrecken viele vor der Verantwortung einer Selbstständigkeit zurück, stellt auch der Chef der Glindower Ziegelei in Brandenburg fest. Harald Dieckmann will mit seinen 71 Jahren nun in Rente gehen. Seit fünf Jahren sucht er schon eine Nachfolge. In der Ziegelei stellen sie roten Backstein her. Die Ziegel von hier wurden schon in der Münchener Marienkirche oder dem Rostocker Wasserturm verbaut. Ein Traditionshandwerk, dass in der Corona-Zeit nur schwer über die Runden kam.
Umso schwieriger ist es, einen Nachfolger zu finden. "Der Betrieb liegt mir sehr am Herzen. Er hat Tradition, baugeschichtliche Bedeutung, es ist einfach ein schöner Beruf", sagt Dieckmann. Vor Kurzem hat sich ein Bewerber gemeldet. Viel will der 71-Jährige darüber aber nicht verraten. Noch traut er sich nicht, zu viel Hoffnung darauf zu haben.
Ohne Nachfolger ist Schluss
Wenn Bauschlosser Greiner demnächst keinen Nachfolger findet, wird er die Berliner Firma schließen und die große Werkshalle vermieten müssen - als Teil seiner Altersvorsorge. In zweieinhalb Jahren geht auch seine Frau in den Ruhestand, spätestens dann wollen sie zu Zweit die Zeit genießen und vielleicht mit dem Boot eine Weltreise machen. "Letztendlich wäre es schade, wenn man hier Schluss macht und weiß, dass eine gesunde gewachsene Firma nicht weitergeführt wird. Das wäre traurig."