Europäische Geldpolitik Setzt die EZB die Zinswende fort?
Im vergangenen Juni hatte die Europäische Zentralbank die Zinswende beschlossen. Experten erwarten jetzt die nächste Senkung des Leitzinses - und haben einen klaren Rat für Sparer.
Am Mainufer im Frankfurter Ostend treffen die Währungshüter im imposanten, gläsernen Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) heute die nächste geldpolitische Entscheidung für den Euroraum. Unter Finanzexpertinnen und -experten gilt es als sehr wahrscheinlich, dass die EZB eine weitere Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte veranlassen wird. Auch Teile des EZB-Rats haben sich bereits in diese Richtung geäußert. Der sogenannte Einlagezins gerät dabei immer mehr in den Fokus.
Volker Wieland vom Frankfurter House of Finance der Goethe-Universität hält ein Senkung um einen Viertelprozentpunkt für den jetzigen Zeitpunkt vertretbar, aber nicht für zwingend. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch der Finanzexperte Joachim Schallmayer von der Deka-Bank: "Angesichts des nur verhaltenen Wirtschaftswachstums und einer nachlassenden Inflation ist es richtig, die Zinsen schrittweise zu senken." Chefvolkswirt Jörg Krämer von der Commerzbank ist sich sicher: "Alles andere als eine Zinssenkung wäre eine Riesenüberraschung."
Zinssenkung an den Börsen schon eingepreist
Die voraussichtliche Zinssenkung selbst wird an den Börsen wohl kaum Wellen schlagen, da sind sich die Experten einig. Denn die wahrscheinlichen 0,25 Prozentpunkte sind bereits eingepreist. Allerdings wird man am Börsenparkett genau hinhören, ob EZB-Präsidentin Christine Lagarde einen Ausblick auf die nächsten Monate wagen wird. Dies gilt eher als unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.
Volker Wieland sagt, sollte die EZB-Chefin "andeuten, dass in diesem Jahr noch weitere Zinssenkungen folgen könnten, dann wäre das ein Faktor der Anleihenrenditen, Kreditzinsen und andere Vermögenspreise beeinflussen könnte." In dem Fall könnten also diese Rendite und Kreditzinsen noch etwas nachgeben.
Diese verschiedenen Zinssätze gibt es
Die europäischen Währungshüter unterscheiden grundsätzlich zwischen drei Leitzinsen:
- dem oberen Zinssatz, dem sogenannten Spitzenrefinanzierungssatz, mit dem sich Banken über Nacht Geld leihen können. Er liegt momentan bei 4,5 Prozent.
- dem mittleren Zinssatz, dem sogenannten Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken eine Woche lang Geld bei der EZB leihen können. Er beträgt momentan 4,25 Prozent und wurde bislang in der Wirtschaftsberichterstattung auch oft als Leitzins bezeichnet.
- dem unteren Zinssatz, dem sogenannten Einlagenzins, den Banken für Einlagen bei der EZB erhalten. Er beläuft sich aktuell auf 3,75 Prozent.
Laut EZB hat Einlagenzins an Bedeutung gewonnen
Laut Europäischer Zentralbank spielt der Einlagenzins für das geldpolitische Signal inzwischen eine deutlich größere Rolle als der mittlere Zinssatz. Diese Entwicklung geht zurück auf die Finanzkrise von 2015. Weil sich die Banken nicht mehr vertrauten und daher sich gegenseitig kein Geld mehr leihen, entschied die EZB deshalb, den Banken Geld zur Verfügung zu stellen. So war plötzlich viel davon im Umlauf.
Inzwischen lagern die Banken große Überschussreserven bei der Notenbank. Dies sind Summen, die über die Mindestreserve hinausgehen, die die Banken grundsätzlich bei der EZB parken müssen. Als entscheidender, geldpolitischer Zins gilt daher nun der Einlagenzins - weil die Geldinstitute so liquide sind.
Vor diesem Hintergrund plant die Notenbank, den Abstand zwischen den verschiedenen Zinssätzen zu verringern. Deswegen könnte der Hauptrefinanzierungssatz sogar um 0,6 Prozentpunkte auf dann 3,65 Prozent sinken. Treffen die Währungshüter die erwartete Entscheidung, läge der Einlagensatz dann bei 3,5 Prozent.
Was bedeutet das für Sparer?
Für Sparende, die für die Rente langfristig Geld zurücklegen wollen, laute die Devise weiterhin, "einen guten Teil breit gestreut in Aktien zu halten", empfiehlt Volker Wieland. Auch Jörg Krämer legt einen gewissen Fokus auf Aktien, die in diesen Zeiten "gebührend berücksichtigt" werden sollten.