Milliardenprojekt der Energiewende Neue Drehscheibe für Wasserstoffhandel geplant
Über Wasserstoff wird viel geredet - viel produziert wird nicht. Potenzielle Hersteller scheuen die Investitionen. Ein neuer Handelsplatz in Leipzig soll das jetzt ändern - auch mit viel Geld vom Bund.
Deutschland braucht Wasserstoff, um die Klimawende zu stemmen, so viel ist klar. Das farblose Gas gilt als Ersatz für Erdgas, Öl und Kohle. Es ist gut transportierbar und könnte für bestimmte Branchen künftig eine wichtige Rolle spielen - etwa für die energieintensive Stahlindustrie, wie die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm, Mitglied im Deutschen Wasserstoffrat, erläutert, aber auch in der Chemieindustrie, der Glas- und der Papiererzeugung.
Wasserstoff noch rar
Das Verfahren der Herstellung von Wasserstoff wird Elektrolyse genannt. Das geschieht mit Hilfe von Strom, der idealerweise aus erneuerbaren Quellen kommt. Lag die gesamte Elektrolyseleistung in Deutschland 2022 bei knapp 0,1 Gigawatt, so sollen es 2030 zehn sein - ein Ziel, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow als "wirklich anspruchsvoll" bezeichnete.
Der Bedarf jedoch ist deutlich größer. Je nachdem, welcher Prognose man folgt, werden für 2030 zwischen 56 und 110 Terawattstunden (TWh) aufgerufen. Die übergroße Masse wird also importiert werden müssen. Die Wirtschaftsweise Grimm spricht salopp von "Unmengen", für die es derzeit keinen Markt gibt. Ein "Henne-Ei-Problem", sagte Habeck in Bad Saarow, das endlich gelöst werden müsse - noch diesen Sommer.
Ob das Start-Up Hint.Co diesen Markt bis zum Sommer schaffen kann, bleibt abzuwarten. Doch die Tochter der H2Global-Stiftung ist angetreten, um genau diesen Markthochlauf anzuregen. "Wir bauen hier den ersten Wasserstoff-Händler auf, um das Henne-Ei-Problem zu überbrücken, was wir gerade haben", erklärt Hint.Co-Chef Timo Bollerhey.
Preise sollen sich bilden
Die Hint.Co ist ein sogenannter Intermediär - mit Sitz in Leipzig, wenngleich die Mitarbeiter eher in Hamburg oder in Berlin anzutreffen sind als in Sachsen. Das Unternehmen puffert die Risiken der Produzenten und der Abnehmer, kauft unter strengen Voraussetzungen produzierten grünen Wasserstoff oder dessen Derivate in einer Auktion ein und verkauft diesen in einer anderen Auktion an Abnehmer in Europa.
Der Handelsplatz will potenzielle Wasserstoff-Hersteller so dazu bringen, zu produzieren - und erreichen, dass sich Preise bilden. Wie das geht? "Wir bieten langfristige Abnahmeverträge auf der Einkaufsseite - das bietet die Grundlage für die Investitionssicherheit. Verkaufsseitig verkaufen wir jährlich", so Bollerhey.
Investoren wollen Abnahmesicherheit
"Da können Bieter aus in aller Welt mitbieten und bekommen dann einen Vertrag, der um die zehn Jahre Laufzeit hat", erläutert Grimm. Das bedeutet Abnahmesicherheit, und die ist wichtig für die Investoren. Solange keine Abnahmesicherheit bestehe, ist Bollerhey zufolge keiner bereit, die Produktionskosten zu stemmen.
Hint.Co will also möglichst günstig und möglichst viel grünen Wasserstoff aufkaufen - um dann europaweit erstmal billiger zu verkaufen als eingekauft wurde. "Die Hoffnung ist, dass der Preis, zu dem man den Wasserstoff in Europa verkaufen kann, Stück für Stück ansteigt. Es eben mehr Nachfrage gibt, bei mehr Firmen ihre Geschäftsmodelle auf Wasserstoff umstellen", sagt Grimm. Und dass der Preis, für den Hint.Co einkauft, sinkt.
Milliardenförderung vom Bund
Am Anfang ist es also ein Verlustgeschäft, das vom Staat subventioniert wird. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt 900 Millionen sogenannte Fehlbedarfsfinanzierung für das erste Förderfenster bereit - Geld, das an strenge Produktionskriterien gebunden ist, von EU-Richtlinien für Erneuerbare Energie bis hin zu Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen.
Entstehen Gewinne, bekommt der Bund Geld zurück. Weitere 3,5 Milliarden Euro sollen folgen, und auch das Bundesverkehrsministerium will sich engagieren. Viel Geld also. "Aus der Perspektive, dass etwas passieren muss, sind das überhaupt keine hohen Summen", meint Grimm.
Woher kommen die Lieferanten?
Ähnlich bewertet die Energie-Börse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig das Konzept hinter Hint.Co und H2Global. Ein Wasserstoff-Hochlauf benötige massive private Investitionen, dafür müsse ein liquider Wasserstoffmarkt mit verlässlichen Preissignalen etabliert werden, sagt eine Sprecherin der Börse, die selbst H2Global-Mitglied ist.
Europa könnte sich der EEX zufolge damit zur globalen Drehscheibe für den Wasserstoff-Handel entwickeln. Noch aber gilt es für Hint.Co, zunächst das erste Bieterverfahren für Wasserstoffproduzenten zu organisieren. Jetzt kristallisiert sich heraus, woher die Unternehmen kommen, die bereit sind, nach europäischen Regeln Millionen in den Aufbau einer Produktion von grünem Wasserstoff zu stecken.