Cum-Ex-Affäre Prozess gegen früheren Warburg-Chef Olearius
In Bonn hat der Prozess gegen Ex-Warburg-Chef Olearius begonnen. Erstmals steht in der Cum-Ex-Affäre ein Bankchef und ehemaliger Miteigentümer vor Gericht. Brisant ist dabei auch die Verbindung zur Politik - vor allem zu Kanzler Scholz.
Es ist ein aufsehenerregender Prozess, der heute am Bonner Landgericht begonnen hat. Nachdem seit 2020 in einer ganzen Reihe von Prozessen Beteiligte an der Steuerhinterziehung mithilfe von Cum-Ex-Aktiendeals verurteilt wurden, steht deswegen nun erstmals ein ehemaliger Bankchef vor Gericht, der gleichzeitig auch Miteigentümer einer Bank ist: Christian Olearius.
Der Ex-Chef der Warburg Bank ist inzwischen 81 Jahre alt. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft besonders schwere Steuerhinterziehung vor. Insgesamt 14 Fälle werden verhandelt mit einem Gesamtschaden von rund 280 Millionen Euro.
Olearius droht eine lange Haftstrafe
Olearius hat die Cum-Ex-Geschäfte nicht persönlich ausgeführt, aber die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ihm die betrügerische Absicht der Geschäfte klar war. Da er die Steuererklärung unterzeichnete, durch die die Steuererstattung durch das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn ausgelöst wurde, ist er in einer juristischen Verantwortung.
Vertreten wird Olearius vom ehemaligen CSU-Politiker und bekannten Anwalt Peter Gauweiler. Gauweiler ist sprachgewaltig und gilt vor Gericht als ein Anwalt mit sehr robustem Vorgehen. Das Ziel der Verteidigung wird es sein, eine langjährige Haftstrafe zu vermeiden, denn die droht Olearius. Er selbst lässt bestreiten, Straftaten begangen zu haben.
Anne Brorhilker von der Kölner Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität ist durch ihre Cum-Ex-Ermittlungen zur bekanntesten Staatsanwältin Deutschlands geworden. Vor zehn Jahren hat sie sich als einzig zuständige Staatsanwältin in ihren ersten Cum-Ex-Fall eingearbeitet, heute hat sie ein Team von etwa 30 Staatsanwälten und etwa 150 Ermittlungsbeamten.
Aber auch die Zahl der Verfahren und Verdächtigen ist gewaltig: Rund 120 Verfahrenskomplexe, etwa 1.700 Verdächtige.
Große Aufmerksamkeit ist dem Verfahren sicher
Der jetzt beginnende Prozess wird die wohl größte Aufmerksamkeit aller bisherigen Verfahren zu Cum-Ex erhalten - wegen der Verbindungen zwischen der Warburg Bank und der Politik.
Cum-Ex ist kriminell - das ist seit Jahren durch ein BGH-Urteil geklärt. Und keine Bank ist von der Staatsanwaltschaft so gut durchleuchtet wie die Warburg Bank.
Brisant ist das Verfahren in erster Linie wegen der Verbindung zu Olaf Scholz in dessen Zeit als Hamburgs Erster Bürgermeister.
Scholz könnte als Zeuge berufen werden
Olearius hat Scholz 2016 mehrfach aufgesucht, weil die Finanzbehörde in Hamburg eine hohe Millionenforderung wegen Cum-Ex-Geschäften an die Warburg Bank gestellt hatte. Die Finanzbehörde in Hamburg hatte damals eingelenkt und auf Forderungen in Höhe von 47 Millionen Euro verzichtet. In der Folge verjährte die Forderung.
Der Bankier hat die Treffen in seinem Tagebuch notiert, dieses Tagebuch hat die Staatsanwaltschaft Köln bei einer Durchsuchung beschlagnahmt - ein Beweisstück. Scholz hingegen verweist auf Erinnerungslücken in Bezug auf die Treffen.
Der Kanzler steht bislang nicht auf der Zeugenliste, kann aber als Zeuge berufen werden, wenn Verteidigung und/oder Staatsanwaltschaft seine Vernehmung beantragen.
In Hamburg gibt es bereits seit 2020 einen Untersuchungsausschuss. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Fragen: Hat Scholz im Jahr 2016 darauf hingewirkt, dass Warburg das Geld aus den Steuererstattungen nicht zurückzahlen musste? Und hat er im Bezug auf seine Kontakte zu Olearius die Wahrheit gesagt?
Es geht um 280 Millionen Euro
Beim großen Cum-Ex-Steuerbetrug geht es vereinfacht ausgedrückt darum, sich eine einmal gezahlte Steuer auf Dividendenerträge mehrfach wieder erstatten zu lassen.
Bei Strafen für Steuerhinterziehung kommt es auf den Umfang des Steuerschadens an: Besonders schwere Steuerhinterziehung beginnt bei 50.000 Euro - dafür kann bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden.
Im Fall der Warbung Bank und Olearius geht es um 280 Millionen Euro. Im Falle einer Verurteilung ist eine mehrjährige Haftstrafe fast schon sicher, denn seit der ersten Cum-Ex-Verurteilung im Jahr 2020 werden die verhängten Urteile härter und die Haftstrafen länger.
Prozess bis März 2024 geplant
Zuletzt wurde Hanno Berger, einer der großen Gestalter des Steuerbetrugsmodells Cum-Ex verurteilt: zu acht Jahren Gefängnis - das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Bei einem vergleichbaren Urteil wäre Olearius fast bis zu seinem 90. Geburtstag in Haft.
Das Gericht hat im ersten Schritt 28 Verhandlungstage bis in den März 2024 angesetzt.