Gipfel in Berlin "Müssen Wohnungsbau massiv ausweiten"
Insgesamt 45 Milliarden Euro bis 2027 von Bund und Ländern sollen der schwächelnden Baubranche laut Kanzler Scholz wieder auf die Beine helfen. Ministerin Geywitz will derweil erneut das Heizungsgesetz überarbeiten.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat den lahmenden Wohnungsbau kritisiert und die Schaffung von neuem, günstigem Wohnraum als dringend nötig bezeichnet. "In Deutschland müssen mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Das bedeutet, dass wir die Aktivitäten im Wohnungsbau massiv ausweiten müssen", sagte der Kanzler in Berlin bei der Vorstellung eines 14-Punkte-Maßnahmenpakets. Es sieht unter anderem Steuervorteile durch besondere Abschreibungsregeln vor. Zudem kippt die Ampel den Ökostandard: Der im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbarte Energiesparstandard EH40 für Neubauten wird ausgesetzt.
Man wolle erreichen, dass die Entscheidung für den Bau von Wohnungen trotz gestiegener Zinsen jetzt falle. Ein Schlüsselinstrument dafür könne serielles Bauen sein, sagte der SPD-Politiker Scholz vor Beginn eines Krisentreffens mit der Baubranche in Berlin.
Beim seriellen Bauen könnte ein in Grundzügen einmal genehmigtes Haus ohne neue bürokratische Verfahren auch in anderen Landkreisen gebaut werden. Das mache bauen billiger und schneller, betonte Scholz. Die Voraussetzungen sollten jetzt in Zusammenarbeit mit den Ländern geschaffen werden.
"Werden mittelfristig mehr Wohnungen und bezahlbare Mieten haben"
Scholz verteidigte die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank als richtig - nur würden dadurch die Rahmenbedingungen für den Bausektor nicht einfacher. Allein der Bund stelle bis 2027 eine Summe von 18 Milliarden Euro zur Verfügung, so der Kanzler. Nehme man alle Programme - etwa auch der Länder - zusammen, komme man auf 45 Milliarden Euro.
Bauministerin Klara Geywitz zeigte sich optimistisch, dass das 14-Punkte-Programm der Bundesregierung viel verändern und möglich machen werde. "Mehr Menschen werden sich mit unserer neuen Förderung ein Haus, ein bestehendes oder neues, kaufen können."
"Indem wir Klimaschutz im Gebäudesektor ganzheitlicher denken, werden wir mehr CO2 einsparen, und indem wir den Bau neuer Wohnungen deutlich leichter machen, werden wir mittelfristig mehr Wohnungen und bezahlbare Mieten haben." Die Immobilien- und die Bauwirtschaft reagierten "vorsichtig optimistisch".
Gewyitz: Heizungsgesetz "einfacher" machen
Geywitz kündigte zudem an, das gerade erst beschlossene Heizungsgesetz noch einmal überarbeiten zu wollen. Das Gesetz könnte "einfacher" gemacht werden, "mit weniger Detailsteuerung und mehr Orientierung am CO2-Ausstoß", sagte die SPD-Politikerin der "Welt". Sie "werde das angehen".
Die umstrittene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) war Anfang September nach einiger Verzögerung im Bundestag verabschiedet worden. Der Bundesrat soll sich diese Woche damit befassen. Zuvor hatte die Ampelkoalition monatelang teils heftige Debatten darüber geführt.
Die Heizwende sei eine "Generationenaufgabe", sagte Geywitz der "Welt" weiter. Deshalb verstehe sie, dass die langen Debatten über das Gesetz für Verunsicherung gesorgt hätten. Grundsätzlich sei die Herangehensweise aber richtig gewesen. "In der Sache ist dieses Gesetz wirklich wichtig und richtig: Unsere Heizung ist ein wesentlicher Schlüssel, um den CO2-Ausstoß im Gebäudesektor zu senken."
Im parlamentarischen Verfahren war der ursprünglich vom Kabinett verabschiedete Entwurf noch einmal grundsätzlich überarbeitet worden. Mit dem GEG sollen neu eingebaute Heizungen künftig zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Klassische Öl- und Gasheizungen können dies im Regelfall nicht leisten. Die Regeln sollten ursprünglich ab Januar 2024 gelten, kommen nun in den meisten Fällen aber erst sehr viel später. Zudem gibt es zahlreiche Ausnahmen.
Zustimmung vom Baugewerbe und Wohnungswirtschaft
Im Baugewerbe stoßen die in dem 14-Punkte-Programm aufgelisteten Vorhaben auf Zustimmung. "Die Ampel hat die Tragweite der Situation wohl erkannt", teilte der Zentralverband des Baugewerbes mit. Der Immobilienverband ZIA äußerte sich ebenfalls positiv: "Ein neuer Realismus beim Klimaschutz und klare steuerliche Entlastungssignale zeigen: Die Gespräche der letzten Wochen haben sich gelohnt."
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie lobte das Paket als "umfangreicher als erwartet". Wichtig sei nun, dass auch ein attraktiveres Zinsverbilligungsprogramm geprüft werde.
Der Wohnungswirtschaftsverband GdW, der das Treffen im Kanzleramt boykottiert hatte, sah ebenfalls eine positive Entwicklung. Für sozial orientierte Wohnungsunternehmen sei aber leider nichts herausgekommen. So könnten diese Unternehmen die neuen Abschreibungsmöglichkeiten - die sogenannte Afa - gar nicht nutzen.
Der Verband forderte unter anderem eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent für bezahlbaren Wohnungsbau und KfW-Darlehen zu einem verbilligten Zinssatz von einem Prozent. Dann könnten auch wieder bezahlbare Neubaumieten garantiert werden.
Enttäuschung bei Umweltverbänden
Enttäuscht zeigten sich vor allem Umweltverbände: "Das Maßnahmenpaket der Ampel zum Bauen und Wohnen ist keine Weichenstellung in eine sozial gerechtere und ökologischere Zukunft, sondern ein Fiasko", kritisierte die Geschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Antje von Broock.
Der Abschied vom Ökostandard sei völlig inakzeptabel. "Mit den Plänen der Ampel schlittern wir weiter der Klimakatastrophe entgegen, und immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie ihre nächste Heizkostenrechnung bezahlen sollen."