Bundestag "Taurus"-Zoff vor Kanzlerbefragung und Abstimmung
Erstmals in diesem Jahr will sich der Kanzler im Bundestag den Fragen der Abgeordneten stellen. Thema wohl auch hier: die umstrittenen "Taurus"-Raketen. Einen Tag später soll über deren Lieferung an die Ukraine erneut abgestimmt werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellt sich am Mittwoch zum ersten Mal in diesem Jahr im Bundestag den Fragen der Abgeordneten. Im Mittelpunkt der Befragung, die um 13 Uhr beginnen soll, werden voraussichtlich die "Taurus"-Marschflugkörper stehen, deren Lieferung beziehungsweise Nicht-Lieferung an die Ukraine seit Wochen die außenpolitische Debatte bestimmt.
Die Union hat bereits angekündigt, Scholz zu dessen Nein zu einer Lieferung der "Taurus" befragen zu wollen. Der Kanzler hatte seine Absage Ende Februar erstmals ausführlich begründet. Er befürchtet, dass Deutschland bei Lieferung der Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern in den Krieg hineingezogen werden könnte.
Mützenich fordert vor erneuter Abstimmung Fraktionsdisziplin
Die Union, aber auch FDP und Grüne sind dagegen für eine Bereitstellung des von der Ukraine gewünschten Waffensystems, mit dem die russischen Nachschublinien weit hinter der Front angegriffen werden könnten. Die CDU/CSU-Fraktion hat daher für Donnerstag im Bundestag eine weitere namentliche Abstimmung über die Lieferung von "Taurus"-Raketen an die Ukraine beantragt.
Im Vorfeld dieser Abstimmung hat sich der Ton in der Ampelkoalition verschärft. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte von den Koalitionspartnern FDP und Grüne Konsequenzen für Abgeordnete, die einen Unionsantrag für die Bereitstellung der Marschflugkörper unterstützen. "Ich habe beiden Koalitionspartnern heute Morgen meine Erwartungshaltung klar formuliert", sagte Mützenich am Dienstag.
Unionsantrag laut FDP ein "symbolischer Akt"
Abgeordnete der FDP und der Grünen befinden sich in einem Dilemma zwischen Parteilinie und Ampeltreue. Denn die Spitzen beider Parteien haben immer wieder bekräftigt, dass ihre Fraktionen für eine Lieferung von "Taurus" sind. Eine Zustimmung zu dem Unionsantrag, der im Grunde dasselbe fordert, lehnen sie trotzdem ab, weil sie ihn für ein taktisches Spiel halten.
So nannte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, den Antrag der Union einen "symbolischen" Akt, der in der Sache nicht weiterhelfe. Mit Blick auf mögliche Abweichler sagte er. "Es gibt bei Koalitionsregierungen (...) keine wechselnden Mehrheiten."
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hatte wiederum kürzlich in einem Interview gesagt, er sei wie seine Parteikollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor drei Wochen kurz davor gewesen, für den Unionsantrag zu stimmen. Diesmal könne er sich Ja-Stimmen von mindestens zwölf Abgeordneten vorstellen.
Mützenich hatte Strack-Zimmermanns Abstimmungsverhalten scharf kritisiert. Der FDP warf er vor, dass sie die Abweichlerin in der Debatte trotzdem auf die Rednerliste gesetzt hat. "Das fand ich nicht nur ungewöhnlich, sondern (...) gegen mich persönlich auch verletzend. Und ich hoffe, dass das Konsequenzen innerhalb der jeweiligen Fraktionen hat."
Grüne: "Taurus" soll und kann dazugehören
Die Grünen-Fraktionsvorsitze Britta Haßelmann sagte, es sei "ganz offenkundig", dass ein Teil der Unionsfraktion mit der Antragsinitiative "einen innenpolitischen Beitrag setzen" wolle. "Diese Absicht teile ich nicht und die werden wir auch nicht unterstützen." Zugleich betonte Haßelmann, für ihre Fraktion sei grundsätzlich klar, dass das System "Taurus" auch zur Unterstützung der Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf gegen Russland "dazugehören soll und kann".
Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz macht die erneute Abstimmung zu einer Grundsatzfrage, was die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine anbelangt. Es gehe aus seiner Sicht nicht um ein einzelnes Waffensystem, sondern "um ganz grundsätzliche Fragen der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine". Das Land sei in einer sehr schwierigen Lage, seine Verteidigung werde immer schwerer. "Wer diese Hilfe an die Ukraine verweigert, erhöht nicht etwa die Friedenschancen, sondern erhöht die Kriegsgefahr", warnte Merz.