Verteidigungsminister Pistorius "Taurus"-Entscheidung in ein bis zwei Wochen?
Nicht nur die Ukraine drängt Kanzler Scholz, über die Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern zu entscheiden - auch in Deutschland wächst der Druck. Laut Verteidigungsminister Pistorius könnte es aber noch "eine Woche oder zwei" dauern.
In der Debatte über eine Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern ist der Bundesregierung zufolge keine allzu schnelle Entscheidung zu erwarten. "Wenn das jetzt noch eine Woche oder zwei dauert, bis eine Entscheidung fällt, dann ist das so", sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bei der ersten "Westfälischen Friedenskonferenz" in Münster. Das bedeute kein Zögern der Regierung. "Diese Besonnenheit muss sich die Bundesrepublik Deutschland leisten, auch wenn es für unsere ukrainischen Freunde schwer zu verstehen ist."
Deutschland müsse bei jedem Schritt die Folgen abwägen. Marschflugkörper reichten weiter als alle anderen bisher gelieferten Waffen und seien ein "hochkomplexes Industrieprodukt", sagte der SPD-Politiker. "Wir reden hier nicht über die Programmierung einer Kaffeemaschine." Deutschland habe "etwa 500 und so und so viel von diesen Dingern". Davon sei die Hälfte nicht auf dem neuesten Stand. Die andere Hälfte brauche ein Update und müsse programmiert werden.
Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, es stehe keine schnelle Entscheidung in den nächsten Tagen an. "Da kann ich keinerlei Bewegung feststellen", sagte er.
Begrenzung der Reichweite möglich?
Die Ukraine fordert seit Längerem "Taurus"-Marschflugkörper. Auch in Deutschland mehrten sich zuletzt Forderungen, diese zu liefern. Am Donnerstag hatten sich mehrere Abgeordnete der Ampel-Parteien deswegen mit einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt. Dieser äußerte sich dazu bisher immer zurückhaltend - wohl, weil er Angriffe auf russisches Gebiet ausschließen will, wegen derer Russland Vergeltung üben könnte.
Nach Informationen des "Spiegel" ließe sich die Reichweite der Marschflugkörper aus Bundeswehrbeständen aber wohl tatsächlich technisch begrenzen. Zu diesem Ergebnis komme eine Prüfung des Herstellers im Auftrag der Bundesregierung. Nötig sei dafür eine Umprogrammierung der eingebauten Software. Einen entsprechenden Auftrag habe die Bundesregierung Branchenkreisen zufolge jedoch noch nicht erteilt, heißt es in dem Bericht.
Demnach sind durch die Prüfung aber noch nicht alle Zweifel an einer Lieferung beseitigt. Laut "Spiegel" wird im Kanzleramt weiterhin die Frage diskutiert, ob die Ukrainer bei der Programmierung der Marschflugkörper auf die direkte Unterstützung der Bundeswehr oder des Herstellers angewiesen wären. Ein Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine gilt in Berlin als ausgeschlossen. Der Hersteller solle daher auch prüfen, ob Ukrainer zeitnah in den notwendigen Prozeduren ausgebildet werden können oder die Programmierung ferngesteuert unterstützt werden kann. Die Firma hält dem Bericht zufolge beides für möglich - dies sei eine Frage von Wochen oder wenigen Monaten.
Klitschko drängt auf Lieferung
In der "Bild" erneuerte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko die ukrainische Bitte an die Bundesregierung: "Schicken Sie uns die 'Taurus'-Raketen." Klitschko äußerte aber auch Verständnis für das Zögern von Scholz in dieser Frage. "Wir wissen auch, wie schwer es ist, die immer neue Hilfe in der deutschen Gesellschaft zu erklären." Er verwies jedoch weiter auf die "unglaublich schwere" ukrainische Gegenoffensive gegen die russischen Besatzer, bei der jeden Tag ukrainische Soldaten sterben.
Grünen-Chef Omid Nouripour äußerte die Erwartung, dass es bald eine Entscheidung der Bundesregierung zugunsten einer Lieferung geben werde. Die diesbezügliche Ankündigung werde "sehr schnell" erfolgen, sagte Nouripour am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". "Ich glaube, dass wir liefern sollten", betonte Nouripour. "Je weniger die Ukraine sich wehren kann, desto länger wird dieser Krieg dauern."