Antrag im Bundestag Union macht Druck bei "Taurus"-Lieferungen
Der Marschflugkörper "Taurus" könnte der Ukraine helfen, die russische Nachschubversorgung der Krim zu stören. Kanzler Scholz lehnt eine Lieferung ab. Die Union macht nun Druck mit einem Antrag im Bundestag.
Bei der Bundeswehrtagung am vergangenen Freitag hatte Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor Dutzenden Generälen den großen Auftritt gewählt. "Herr Bundeskanzler, ich weiß Sie sind geblendet", sagte die FDP-Politikerin, die aus der allerletzten Reihe eine entscheidende Frage an den Kanzler auf dem Podium formulierte: "Gibt es bei Ihnen im Haus eine Strategie nicht nur verbal 'as long as it takes', sondern was wir für die Ukraine noch tun können, damit sie wirklich erfolgreich in diesem Krieg ist, weil wir wissen, dass das von großer Relevanz ist?"
Der Kanzler bejahte kurz und führte dann aus, wie man bereits jetzt die Ukraine umfassend unterstützen würde. Zum Marschflugkörper "Taurus" sagte Scholz auf der Bundeswehr-Fachtagung allerdings nichts. Er hatte Anfang Oktober entschieden, vorerst die Marschflugkörper mit 500 Kilometer Reichweite nicht zu liefern.
Kritik von Militärexperten
Scholz' öffentliche Begründung findet der Militärhistoriker Sönke Neitzel inhaltlich überschaubar: "Wir haben hier leider einen taubstummen Kanzler, der sich dazu nicht erklärt."
Frankreich, Großbritannien und mittlerweile auch die USA haben der Ukraine Marschflugkörper und Raketen geliefert. Allerdings mit geringerer Reichweite und Durchschlagskraft. Und auch die möglicherweise nötige Ausbildung durch Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten am Waffensystem "Taurus" wird von Expertinnen und Experten nicht als unlösbares Hindernis angesehen. Sie befürchten nicht, dass Deutschland schon dadurch zur Kriegspartei wird.
Kritik aus der Union
Unions-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter begründet den "Taurus"-Antrag seiner Bundestagsfraktion, der heute ins Parlament kommt, folgendermaßen: "Es geht darum, dass die russischen Versorgungslinien mit weitreichenden Waffen abgetrennt werden. Weitreichend, um die ukrainischen Truppen zu schützen. Aber auch um klarzumachen, was das Kriegsziel ist, die Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine."
Souveränität der Ukraine in den Grenzen von 1991, das würde bedeuten, dass die Ukraine die von Russland völkerrechtswidrig annektierte Krim zurückerobern müsste. Mit den deutschen "Taurus"-Marschflugkörpern könnten Putins prestigeträchtige Brücke zur Halbinsel zerstört und wichtige russische Nachschublinien getrennt werden.
Entscheidung liegt im Kanzleramt
Doch ist das im Kanzleramt gewollt? Der Militärhistoriker Neitzel hat zunehmend Zweifel, was den Kanzler und seine Beraterinnen und Berater angeht: "Ich verstehe nicht, warum Herr Plötner, Herr Schmidt und Herr Scholz meinen, wenn der 'Taurus' die Kertsch-Brücke zerstören würde, würde Putin den Atomkrieg beginnen oder dergleichen. Es sind diese drei Herren, an denen es letztlich hängt, die glauben, dass dann der globale Atomkrieg ausbricht."
Die "Taurus"-Entscheidung liegt im Kanzleramt. Das hört man aus der Ampel und aus der Union. Die Oppositionsfraktion wird zwar mit ihrem "Taurus"-Antrag vermutlich keine Mehrheit bekommen, aber den Kanzler vielleicht zum Nachdenken bringen, hofft zumindest Kiesewetter: "Am Ende muss die Lieferung stehen, weil ansonsten Massenflucht aus der Ukraine und der Zerfall der Ukraine droht. Das müssen wir mit den geeigneten Waffensystemen verhindern."
Hinter der Debatte um "Taurus" steht zunehmend die strategische Frage, was will der Kanzler mit der Ukraine-Unterstützung erreichen? Will er die aktuelle Pattsituation auf dem Schlachtfeld halten oder will er, dass die Ukraine den Krieg vielleicht doch gewinnt?