Steinmeier zu AfD-Umfragehoch "Geschäft der Angstmacher nicht weiter fördern"
Die hohen Umfragewerte der AfD beunruhigen die anderen Parteien. In die Debatte über Ursachen und Antworten hat sich nun auch Bundespräsident Steinmeier eingeschaltet. Er fordert "eine Konjunktur der Problemlöser".
Die parlamentarische Sommerpause hat begonnen, doch vor allem ein Thema lässt die Bundespolitik nicht los: das Erstarken der AfD. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich besorgt und forderte zugleich, sich statt auf Angst auf Problemlösung zu fokussieren: "Wir dürfen das Geschäft der Angstmacher in dieser Gesellschaft nicht noch weiter fördern", mahnte er im Sommerinterview des ZDF. "Was wir brauchen, ist nicht eine Konjunktur der Angstmacher, sondern eine Konjunktur der Problemlöser. Und es ist ja nicht so, als ob wir von denen keine hätten."
Die Umfragen seien "beunruhigend", sagte Steinmeier. "Aber sie dürfen nicht dazu führen, dass wir jede kritische Frage automatisch als Populismus und Rechtsextremismus einordnen." Wenn sich größere Teile der Wählerschaft von den regierenden Parteien abwendeten und die größte Oppositionspartei davon nicht gewinne, werfe dies Fragen auf. "Selbstverständlich müssen sich Regierungsparteien auch fragen, und sie tun es ja, ob man die richtigen Themen hat, ob Themen ausgelassen werden, ob man die richtige Kommunikation wählt, ob man die Geschlossenheit an den Tag legt, die Wählerinnen und Wähler erwarten, oder ob es zu viel Streit gibt", sagte der Bundespräsident.
Klingbeil: "Die Leute haben Zukunftsängste"
Auch SPD-Chef Lars Klingbeil nannte Unsicherheit als möglichen Grund für den Höhenflug der AfD. "Die Gesellschaft ist müde", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und verwies auf drei Jahre im Krisenzustand durch Corona-Pandemie, Krieg in Europa, Energiekrise und Inflation. "Die Leute haben Zukunftsängste." Das sorge dafür, "dass ein Nährboden für Populismus entsteht, wie ihn die Rechtsextremen verbreiten".
Klingbeil räumte ein, dass auch die Zerstrittenheit der Ampelkoalition zur Verunsicherung der Menschen geführt habe. Aber die Union trage ebenfalls dazu bei, "weil sie sich mehr mit der Frage ihrer Kanzlerkandidatur beschäftigt als mit wirksamen Alternativen zur AfD". Er äußerte Zweifel daran, dass die Brandmauer der Union gegen Rechts halten werde.
Weber: AfD ist "der Feind"
Für den CSU-Vizevorsitzenden Manfred Weber ist hingegen klar: "Die Brandmauer steht." Die AfD wolle das zerstören, wofür CDU und CSU immer eingetreten seien, sagte der Chef der europäischen Christdemokraten (EVP) der Funke Mediengruppe. "Deswegen ist sie für uns nicht nur politischer Wettbewerber, sondern Gegner und Feind." Er rief die Unionsparteien dazu auf, der "angstgetriebenen Politik" in Deutschland entgegenzutreten: "Die Union muss die Kraft sein, die Hoffnung macht und zeigt: Wir schaffen das!", sagte er.
CDU und CSU müssten klare Konzepte vorlegen: "Wer Rechtsnationalisten bekämpfen will, muss sich den Themen stellen - auch dem Migrationsthema", sagte Weber weiter. Dabei müsse die Union "einen angemessenen Ton finden und in einer bürgerlichen Sprache sprechen". Probleme dürften nicht nur beschrieben sondern müssten auch gelöst werden, betonte er. "Wir müssen Antworten geben, die tragfähig sind. Das ist die beste Methode, Populismus und Radikalismus zu bekämpfen."
Linke sieht "systematischen Vernachlässigung des Ostens"
Die Linkspartei sieht das Erstarken der AfD auch in einer "systematischen Vernachlässigung des Ostens" begründet. In einem Beschluss betonte sie, dass auch 33 Jahre nach der Wende viele Menschen in Ostdeutschland immer noch die Erfahrung machten, abgehängt zu sein - und das habe "fatale Folgen". Auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im kommenden Herbst müsse klar sein: "Es darf jetzt kein 'Weiter so' geben, sonst drohen auch irreparable Schäden für die Demokratie."
AfD in Umfragen zweitstärkste Kraft
Die AfD liegt in Umfragen derzeit bundesweit auf einem Rekordhoch: Im jüngsten ARD-DeutschlandTrend verbesserte sich die Partei in der Sonntagsfrage um zwei Prozentpunkte auf 20 Prozent und ist damit zweitstärkste Kraft nach der Union (28 Prozent). Das ist der höchste Wert, der für die AfD im ARD-DeutschlandTrend je gemessen wurde. Die Kanzlerpartei SPD kam hingegen nur auf 18 Prozent. In Brandenburg, Thüringen und Sachsen, wo in gut einem Jahr neue Landtage gewählt werden, ist die AfD in den aktuellen Umfragen derzeit jeweils stärkste Partei.
Auch die Verunsicherung der Deutschen spiegelte sich im ARD-DeutschlandTrend wider: 77 Prozent der Befragten gaben an, die aktuellen Verhältnisse in Deutschland beunruhigten sie. Jeder Vierte nannte die Arbeit der Bundesregierung als Grund, 15 Prozent den Aufschwung der AfD beziehungsweise Rechtsruck in der Gesellschaft.