Bundeszentrale für politische Bildung warnt Erfolg der AfD ist mehr als "Protest"
Die AfD ist im Umfragehoch und feierte zuletzt symbolische Erfolge. Das sei mehr als Protest und keineswegs "typisch ostdeutsch", warnt die Bundeszentrale für politische Bildung. Spannend wird heute der Blick nach Sachsen-Anhalt.
Die AfD ist derzeit im Umfragehoch: Im thüringischen Sonneberg hat die AfD erstmals eine Landratswahl gewonnen, in Schwerin war ein Kandidat der Partei in der OB-Stichwahl. "Ich warne davor, die Wahl der AfD noch als Protest zu begreifen", sagte der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Wählerinnen und Wähler wollen diese Partei. Darin besteht der Ernst der Lage." Er warnte davor, dies als "typisch ostdeutsch" abzutun.
In Teilen der Gesellschaft haben sich bestimmte Positionen etabliert, die nicht hinnehmbar und mit demokratischen Prinzipien unvereinbar sind. Demokratie ist kein Erbgut, das automatisch weitergegeben wird. Man muss sie sich erarbeiten, nicht zuletzt durch Streit, immer wieder.
Der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, sieht in der AfD ein "erfolgreiches Radikalisierungskollektiv".
Dieses Problem bestehe auch anderswo als in Sonneberg. "Ich würde sogar sagen, dass diese Wahl weder typisch ostdeutsch noch typisch deutsch ist. Wir beobachten in vielen Ländern - in den Vereinigten Staaten, aber auch in Ungarn, Österreich, Italien oder Frankreich - ein Diffundieren der gesellschaftlichen Mitte." Die AfD sei "ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv", sagte er.
Krüger, der selbst in Thüringen geboren wurde, wirbt deshalb für mehr demokratisches Engagement der Bürger und eine bessere Sichtbarkeit des Staates.
SPD-Chef sieht Politik gefordert
SPD-Chef Lars Klingbeil sieht mehr Bürgernähe der Politikerinnen und Politiker als ein Mittel gegen das Umfragehoch der AfD. "Ich glaube, wir brauchen drei Dinge. Erstens: gute Politik, die die Alltagsprobleme der Menschen anpackt." Die Themen seien Löhne, Wohnen, Rente und bezahlbare Energie, sagte er der "Bild am Sonntag". "Zweitens: einen politischen Stil, der den Leuten nicht erklärt, wie sie sein sollen, sondern ernst nimmt, was sie umtreibt. Und drittens: öfter mal raus aus Berlin und mit den Menschen im ganzen Land reden. Wir dürfen nicht 'die da in Berlin' sein."
Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sieht die Politik am Zug, AfD-Wähler zurückzugewinnen. "Die Wahl des AfD-Landrats in Sonneberg war schon eine Art Warnschuss", sagte Haseloff "t-online". "Kooperationen darf es mit der AfD nicht geben. Ihre Wähler aber zu diffamieren, ist ein schlechter Weg."
Haseloff: "Stimmungslage in Deutschland ist insgesamt angespannt"
Haseloff wies darauf hin, dass es sich um kein rein ostdeutsches Thema handelt. "Die Stimmungslage in Deutschland ist insgesamt angespannt. Bundesweit liegt die AfD vor der SPD, in manchen Umfragen kommt die Partei auf über 20 Prozent. Im Übrigen ist das kein explizit ostdeutsches Problem. Der Trend bei der AfD geht auch im Westen stark nach oben."
In Haseloffs Bundesland könnte heute der erste hauptamtliche AfD-Bürgermeister gewählt werden. In Raguhn-Jeßnitz (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) treten bei der Stichwahl der parteilose Bewerber Nils Naumann (31) und der AfD-Landtagsabgeordnete Hannes Loth (42) an. Im ersten Durchgang hatte Loth 40,7 Prozent der Stimmen geholt, Naumann war auf 36,9 Prozent gekommen. Der Abstand lag bei weniger als 200 Stimmen. Rund 7800 Menschen sind wahlberechtigt.
Eine Studie zu politischen Einstellungen hatte jüngst gezeigt, dass das Vertrauen in die Demokratie bei vielen Menschen in Ostdeutschland besonders gering ist. Laut der repräsentativen Befragung des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts der Universität Leipzig zu "Autoritären Dynamiken und der Unzufriedenheit mit der Demokratie" zeigte sich dort nicht einmal die Hälfte der Befragten zufrieden mit dem Zustand des politischen Systems. Zwei Drittel hielten es gar für sinnlos, sich politisch zu engagieren.