Reaktionen auf AfD-Wahlsieg "Das ist ein Dammbruch"
Die AfD hat eine Wahl gewonnen. Zwar nur auf kommunaler Ebene, dennoch ist es in Deutschland eine Zäsur. Andere Parteien und der Zentralrat der Juden reagieren bestürzt.
Bundesweit im Umfragehoch und jetzt auch mit einem zählbaren Wahlerfolg: Die rechtspopulistische AfD hat erstmals in Deutschland ein kommunales Spitzenamt erobert - zehn Jahre nach ihrer Gründung. Ihr Kandidat Robert Sesselmann wird der neue Landrat im Thüringer Kreis Sonneberg sein.
Thüringens Innenminister und SPD-Vorsitzender Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als "Alarmsignal für alle demokratischen Kräfte". Nun heiße es, "parteipolitische Interessen hintanzustellen und gemeinsam die Demokratie zu verteidigen". Politik und Demokratie seien der Wettstreit um die besten Ideen und nicht um die größte Empörung, erklärte der SPD-Politiker. In Thüringen wird die Partei mit Landeschef Björn Höcke vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet.
Maier sieht einen Grund für den AfD-Wahlerfolg in den instabilen politischen Verhältnissen in dem Bundesland. "Die Dysfunktionalität unseres Parlaments ist für das Wahlergebnis ganz sicher mitverantwortlich", sagte Maier der Nachrichtenagentur dpa. Bei vielen Themen, die die Menschen bewegten, gebe es zu wenig erkennbare Fortschritte, weil die rot-rot-grüne Minderheitsregierung ständig auf die Zustimmung der CDU angewiesen sei.
Wir drehen uns wirklich teilweise im Kreis.
Höcke und Chrupalla jubeln
Höcke sagte bei der AfD-Wahlparty, von Sonneberg gehe ein "politisches Wetterleuchten" aus. Man wolle diesen Schwung mitnehmen für die kommenden Landratswahlen. "Und dann bereiten wir uns für die Landtagswahlen im Osten vor, wo wir dann wirklich ein politisches Erdbeben erzeugen können." Kommendes Jahr werden die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. Bundesweit liegt die AfD in Umfragen derzeit bei 18 bis 20 Prozent, in den fünf östlichen Bundesländern erzielt sie noch deutlich höhere Werte.
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla schrieb auf Twitter: "Das war erst der Anfang". "Wir überzeugen Mehrheiten mit unserer Politik für die Interessen der Bürger. So werden wir für Deutschland die Wende zum Guten erreichen."
Zentralrat der Juden ist erschüttert
Der Zentralrat der Juden zeigte sich tief erschüttert vom Wahlerfolg der AfD. "Um es klar zu sagen: Nicht jeder der AfD-Wähler hat eine rechtsextreme Gesinnung", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster nach Angaben der "Jüdischen Allgemeinen". "Aber die Partei, deren Kandidaten sie gewählt haben, ist laut Landesverfassungsschutz rechtsextrem." Dass so viele Menschen dem zustimmen, beunruhige ihn zutiefst, meinte Schuster. "Das ist ein Dammbruch, den die demokratischen politischen Kräfte in diesem Land nicht einfach hinnehmen dürfen."
Auch das Internationale Auschwitz Komitee reagierte entsetzt. Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner erklärte: "Heute ist ein trauriger Tag für den Landkreis Sonneberg, für Deutschland und für die Demokratie. Eine Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler hat sich offensichtlich aus der Demokratie verabschiedet und sich bewusst für eine rechtsextreme, von einem Nazi dominierte Zerstörungs-Partei entschieden."
Nouripour: "Ein schwarzer Tag für unsere Demokratie"
Für Grünen-Co-Chef Omid Nouripour ist das Wahlergebnis "ein schwarzer Tag für unsere Demokratie". Auf Twitter schrieb er, dass "Wehret den Anfängen" spätestens jetzt bedeute, dass demokratische Kräfte den Schulterschluss suchen müssten, um "diese Feinde Deutschlands" zu bekämpfen.
Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sprach von einer "Warnung an alle demokratischen Kräfte: Spätestens jetzt ist die Zeit, wo - bei allem Streit in der Sache - alle demokratischen Kräfte zusammen die Demokratie verteidigen müssen", schrieb sie auf Twitter. Die AfD füttere bewusst Ängste und schüre auf dieser Basis Hass. "Sie hat kein Interesse daran, dass es dem Land gut geht. Wir müssen besser darin werden, in Zeiten der Veränderung Sicherheit, gerade auch in sozialen und wirtschaftlichen Fragen, zu geben."
Pellmann: "Wahlsieg ist politische Zäsur"
Der Linken-Ostbeauftragte Sören Pellmann sagte, der Sieg der AfD sei eine politische Zäsur. "Das muss ein allerletzter Warnschuss für alle Bundestagsparteien sein", forderte der Leipziger Bundestagsabgeordnete. "Insbesondere die Bundesregierung darf nicht länger eine Politik machen, die keine Probleme löst, sondern zusätzliche schafft".
Es gelte nun, Landtagswahlsiege der AfD in Ostdeutschland im kommenden Jahr zu verhindern. Dafür müsse die Politik Normalbürger in den Mittelpunkt rücken. "Wer die AfD klein machen will, muss die Wähler zurückgewinnen", meinte Pellmann. "Dafür braucht es eine Politik der ausgestreckten Hand."
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sieht den AfD-Wahlerfolg als Signal der Unzufriedenheit. "Ich glaube, wir müssen den Geist der deutschen Einheit neu definieren, dass wir die Ostdeutschen mitnehmen und nicht das Gefühl auslösen, dass über sie gelacht wird oder über sie nur geredet wird", sagte der Linken-Politiker im ZDF.