Bundeskanzler im ZDF-Interview Scholz lehnt Vertrauensfrage ab
Bundeskanzler Scholz hat Forderungen nach einer Vertrauensfrage eine Absage erteilt. Er wolle die Regierungsarbeit fortsetzen und bei der Bundestagswahl ein starkes Mandat bekommen. Die Regierungsbildung werde aber auf Jahre schwierig bleiben.
Bundeskanzler Olaf Scholz will im Bundestag keine Vertrauensfrage stellen und somit auch keine vorgezogene Bundestagswahl einleiten. Die Regierung habe eine Mehrheit, die Aufgaben zu tun, um die es jetzt gehe, sagte der SPD-Politiker im ZDF-Sommerinterview. "Das ist doch ein kleines Oppositionsideechen, dass man mal immer so alle drei Wochen dieses Wort sagt", sagte Scholz.
Er geht davon aus, dass Regierungsbildungen in Deutschland auf absehbare Zeit schwierig sein werden. "Wenn ich mit Ihnen meine Zahnschmerzen teilen darf: Ich befürchte, wie auch immer alles in den nächsten Jahren sein wird, wir werden noch viele, viele Jahre in Deutschland Konstellationen haben, in der es sehr kompliziert ist, Regierungen zu bilden." Das werde man im Bund wie in den Ländern sehen.
Scholz: Haben Migration nicht unterschätzt
"Und deshalb kommt es darauf an, dass wir einen Stil miteinander zustande kriegen, in dem die Tatsache, dass Parteien miteinander regieren, die das vielleicht nicht bei ihrer Geburt gedacht haben, trotzdem so ausgeht, dass man was schafft." Auf dieser Ebene habe die Ampel viel geleistet.
Vor möglichen neuen Migrationsverhandlungen von Regierung, Opposition und Ländern zeigte sich Scholz kompromissbereit. "Wir haben schon Zurückweisungen an der Grenze, wir haben schon Grenzkontrollen, und ein effektives Grenzmanagement ist etwas, was wir gern weiter und auch mit Unterstützung der Opposition ausbauen wollen", sagte der Kanzler. Es werde gute Vorschläge geben, "die alle sich im Rahmen der europäischen Gesetze, der internationalen Verträge und unseres Grundgesetzes bewegen."
Scholz verneinte energisch die Frage, ob die Ampelkoalition das Thema Migration unterschätzt habe. Es sei falsch, den Eindruck zu erwecken, dass die Regierung jetzt erst handele. "Ich habe die größte Wende im Umgang mit Migration zustande gebracht in der Geschichte der letzten zehn, 20 Jahre", sagte er. "Wir haben dafür gesorgt, dass jahrzehntelang nicht durchsetzbare Entscheidungen durchgesetzt worden sind, was die Frage betrifft des Managements der irregulären Migration."
Scholz: Die SPD ist eine "kampferprobte Partei"
Mit Blick auf das schlechte Abschneiden der SPD bei den Landtagswahlen Anfang September in Sachsen und Thüringen sagte Scholz, solche Ergebnisse ließen sich "nicht schönreden". Insbesondere die Wahlergebnisse für die AfD seien "bedrückend". "Arbeit machen und anpacken, das sind die Dinge, um die es geht", sagte Scholz. Er wolle kämpfen, um "bei der nächsten Bundestagswahl ein starkes Mandat zu kriegen", sagte Scholz. "Wir haben das ja schon mal geschafft." Und die SPD sei eine "kampferprobte Partei".
Scholz will Friedenskonferenz mit Ukraine und Russland
Angesprochen auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine drang Scholz darauf, dass man sich intensiver als bisher um Friedenslösungen im Ukraine-Krieg bemühen müsse. "Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen als das gegenwärtig den Eindruck macht", so der SPD-Politiker.
"Es ist wichtig, dass wir da vorankommen. Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben", betont der Kanzler. Er habe gerade mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein sehr vertrauliches Gespräch geführt. Beide seien sich einig, dass auch Russland an der nächsten Friedenskonferenz teilnehmen müsse.
Scholz will Ukraine weiter unterstützen
Scholz wich der Frage aus, ob er dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj noch vertraue, nachdem bekannt wurde, dass ein Ukrainer an der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee beteiligt gewesen sein soll. "Ich habe ein gutes Verhältnis zu Wolodymyr Selenskyj", sagte der Kanzler. "Und gleichzeitig ist für mich völlig klar, dass diese Sache aufgeklärt werden muss." Er sei froh, dass der Generalbundesanwalt und die Sicherheitsbehörden bei ihren Ermittlungen so weit gekommen seien, wie berichtet werde.
Der Kanzler räumte ein, dass die jüngsten Wahlergebnisse auch damit zu tun hätten, "dass einige Bürgerinnen und Bürger nicht damit einverstanden sind, dass wir die Ukraine unterstützen". Er finde dies aber richtig und werde daran festhalten.