Asylpolitik Merz verlangt ein Machtwort des Kanzlers
CDU-Chef Merz bleibt bei seiner Frist: Bis Dienstag solle sich die Ampelkoalition für Zurückweisungen an den Grenzen entscheiden, sonst verlasse man die gemeinsamen Gespräche. Auch die FDP pocht auf eine Kursänderung.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, in der umstrittenen Frage der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze notfalls ein Machtwort in der Ampel zu sprechen. Mit Blick auf das für den kommenden Dienstag anvisierte neue Gespräch über die Asylpolitik sagte Merz in Neuhardenberg:
"Wenn der Bundeskanzler einen Konsens in seiner Regierung erzielt bis dahin, ist das gut. Wenn er ihn nicht erzielt, kann er von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und sagen: Das machen wir jetzt so." Scholz habe die Union dabei an seiner Seite. "Wir werden das unterstützen", so der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag bei der Klausur des geschäftsführenden Vorstands der Fraktion.
Scholz müsse vor dem geplanten neuen Migrationsgespräch von Bundesregierung, Opposition und Ländern klarstellen, was er wolle, sagte Merz. "Und dazu gehört aus unserer Sicht unverzichtbar die Entscheidung der Bundesregierung, Zurückweisungen an den Grenzen sofort vorzunehmen - und zwar umfassend, nicht irgendwie und ein bisschen." Niemand solle Höflichkeit in seinen Formulierungen in den vergangenen Tagen als ein Aufweichen der Unions-Position missinterpretieren.
FDP schlägt 50 Maßnahmen vor
Am vergangenen Dienstag hatten Vertreter der Ampel-Regierung, der Länder und der Unions-Bundestagsfraktion über eine Verschärfung des Kurses in der Migrationspolitik beraten. Beschlüsse gab es nicht, betont wurde aber die Konstruktivität der Gespräche. Von Seiten der Regierung wurde der zweite Gesprächstermin am Dienstag bislang nicht offiziell bestätigt.
Auch die FDP-Bundestagsfraktion saß in Klausur zusammen. Sie verabschiedete ein Positionspapier mit mehr als 50 Punkten, das ebenfalls eine härtere Gangart in der Asyl- und Migrationspolitik vorsieht - unter anderem Zurückweisungen an den deutschen Grenzen und Pilotprojekte für Asylverfahren in Drittstaaten. Ebenso sollten Migrationsanreize verringert werden. "Es muss leichter sein, nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten, als nach Deutschland zu kommen, um nicht zu arbeiten", sagte Fraktionschef Christian Dürr.
Aus Reihen der Grünen kamen ablehnende Worte bezüglich dauerhaften Grenzkontrollen. Die Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Brandenburg in zwei Wochen, Antje Töpfer, sagte dem RBB: "Wenn wir Polizei an die Grenzen holen und dort dauerhaft einsetzen, fehlen sie auch im Land, in der Fläche." Das sei nicht förderlich für die Sicherheit.
"Nationale Alleingänge lösen keine Probleme"
Die Grüne Jugend forderte einen Abbruch der Gespräche mit der Union. Diese dürfe sich mit den Forderung nach Zurückweisungen an der Grenze "auf gar keinen Fall durchsetzen", sagte Co-Sprecherin Katharina Stolla dem ZDF.
Die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg bekräftigte rechtliche und europapolitische Bedenken gegen pauschale Zurückweisungen. "Rechtswidrige Forderungen sind kein konstruktiver Beitrag zur Debatte", sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe der Süddeutschen Zeitung. Auch habe die Erfahrung gezeigt, "dass nationale Alleingänge keine Probleme lösen".
Mehr Absprachen mit den Nachbarländern mahnte auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) an. Demnach sollte Deutschland nicht unabgestimmt Geflüchtete an den Grenzen zurückweisen. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Wüst: "Wenn der Außengrenzschutz der EU noch nicht klappt, dann muss man die Binnengrenzen schützen." Wie Zurückweisungen im Detail vollzogen werden, "ist selbstverständlich auch mit den europäischen Partnern zu besprechen".
Zahl der Asylanträge 2024 bislang deutlich rückläufig
Unterdessen wurde bekannt, dass die Zahl der Asylanträge in Deutschland in diesem Jahr bis einschließlich August deutlich zurückgegangen ist. In den ersten acht Monaten 2024 hätten insgesamt 174.369 Personen einen Antrag gestellt, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit. Das seien 21,7 Prozent weniger gewesen als im Vorjahreszeitraum. Im August alleine wurden demnach 20.005 Asylanträge gestellt, 0,4 Prozent weniger als im Juli.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wertete diese Entwicklung als Erfolg der Bundesregierung: "Unsere umfassenden Maßnahmen zur Reduzierung irregulärer Migration wirken", erklärte die SPD-Politikerin auf der Plattform X. "Unsere Grenzkontrollen genauso wie der verstärkte Personaleinsatz und eine noch engere Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern führen zu einem stetigen Rückgang der Asylanträge."
Die meisten Antragsteller kamen den Angaben zufolge aus Syrien: In den ersten acht Monaten waren dies 53.313 Menschen. Es folgten Afghanistan mit 26.938 und die Türkei mit 21.590. Die folgenden Herkunftsländer waren Irak, Somalia, Iran, Russland, Kolumbien und Guinea. Bei 3.764 Personen habe die Herkunft nicht geklärt werden können.