Spitzenkandidaten in Sachsen Mit wem die Parteien zur Wahl antreten
In Sachsen kämpfen mehrere Parteien noch um den Einzug in den Landtag. Eine neue Kraft dürfte allerdings sicher drin sein. Mit wem SPD, Grüne, BSW, Linke, Freie Wähler und FDP in die Wahl gehen.
- Ministerpräsident Michael Kretschmer führt die CDU in die Landtagswahl
- AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban gibt sich bürgerlich, denkt aber radikal
SPD: Sozialministerin Köpping
"Die Richtige für Sachsen", so steht es auf den SPD-Plakaten für Petra Köpping. Das wirkt, als kandidiere Sachsens Sozial- und Gesundheitsministerin für das Amt der Ministerpräsidentin. Dabei steht ihre Partei in Umfragen bei fünf bis sieben Prozent.
Köpping soll deshalb vor allem "die richtige" Partnerin für CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sein. Obwohl gerade die Sozialdemokraten in der Dresdner Koalition mitunter als unberechenbar galten, beschwören sie nun den gemeinsamen Geist mit der CDU.
Petra Köpping wirbt in Sachsen für eine "stabile Regierung". Sie profiliert ihre SPD als verlässlicher Partner für die CDU gegenüber BSW, Grünen und AfD.
Köpping, 64, ehemalige Bürgermeisterin und Landrätin, sitzt seit 2014 im Kabinett. Als Gesundheitsministerin wurde sie zum Gesicht der Corona-Pandemie-Politik. Radikale Maßnahmengegner zogen damals mit Fackeln vor ihr Privathaus.
Zu ihrem Parteigenossen in Berlin, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, ging Köpping bei gleich mehreren Reformvorhaben auf Distanz. Im Wahlkampf verspricht sie den Erhalt der sächsischen Krankenhausstruktur, höhere Löhne und den Kampf gegen den Lehrermangel.
Grüne: Justizministerin Meier
Seit fünf Jahren ist Katja Meier nicht nur Sachsens Justizministerin, sondern auch Ministerin für Demokratie. Die Entfremdung von Teilen der Gesellschaft in der Pandemie und die Zerrüttung der schwarz-grün-roten Koalition konnte die Grüne allerdings nicht verhindern.
Für die schlechte Stimmung in Sachsen machte Meier Ministerpräsident Kretschmer mitverantwortlich - wegen seines "ständigen Schlechtgemache und Kaputtgerede". Und wegen fortwährender Angriffe auf ihre Partei warf sie ihm fehlenden Anstand vor.
Obwohl sie unter der Dresdner Kenia-Koalition oft gelitten haben, wollen die Grünen weiterregieren. Erstmal müssen Katja Meier & Co. aber den Wiedereinzug in den Landtag absichern.
Als Ministerin setzte sich Meier für einen besseren Schutz von Politikern vor Übergriffen ein und forderte die Prüfung eines AfD-Verbots. 2020 stand sie im Fokus einer hitzigen Debatte, weil eine Punkband, in der Meier als Jugendliche Mitglied war, über Gewalt an Polizisten gesungen hatte. Meier distanzierte sich davon.
Im Wahlkampf tritt Meier nun für ein "vielfältiges und offenes Sachsen". Die 44-jährige gebürtige Zwickauerin bildet mit Umweltminister Wolfram Günther und der Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Franziska Schubert, ein Spitzentrio. Das erklärte Ziel bleibt eine erneute Regierungsbeteiligung.
BSW: Ex-MdB Zimmermann
Sabine Zimmermann ist die Spitzenkandidatin, von der es kaum Plakate gibt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht hängt vor allem das Gesicht seiner Namensgeberin.
Dabei hat Zimmermann den Landesverband Sachsen quasi allein aufgebaut. Unzählige Telefonate und Autokilometer investierte die frühere Bundestagsabgeordnete dafür. Schon in der Linken gehörte sie zum Wagenknecht-Lager und bekannte sich als eine der ersten zum Neustart. Davor war Zimmermann in der SPD gewesen, bis die Hartz-Reformen kamen.
Sahra Wagenknecht steht gar nicht zur Wahl - und doch ist mit dem "Bündnis Sahra Wagenknecht" zu rechnen. Sabine Zimmermann wird sich für den jungen Landesverband behaupten müssen.
Im Landtagswahlkampf stellte sich Zimmermann hinter die Forderungen von Sahra Wagenknecht, dass eine künftige Koalition sich in der "Friedensfrage" klar positionieren müsse. Das heißt: gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, für Verhandlungen mit Russland.
Umfragen sehen das BSW sicher im Landtag. Zimmermann würde dann gerne eine Koalition von CDU und BSW wagen, auch wegen vieler Überschneidungen mit Michael Kretschmer.
Allerdings kritisierte sie den zuletzt deutlich für seine Haltung zu einer möglichen Stationierung von US-Mittelstreckenraten in Deutschland. Gespräche mit Grünen und AfD hat Zimmermann ausgeschlossen.
Linke: Landtagsabgeordnete Schaper
"Ostdeutsch. Sächsisch. Links" - mit diesem Slogan wirbt die Partei Die Linke. Spitzenkandidatin Susanne Schaper erfüllt alle drei Kriterien.
Die 46-Jährige wurde in Chemnitz geboren, als die Stadt noch Karl-Marx-Stadt hieß, und trat kurz nach der Wende als Jugendliche in die Partei ein, als diese noch PDS hieß. Auf Plakaten heute posiert Schaper vor einem Trabbi mit ihren drei Hunden.
Wohl ebenfalls historisch ist Schapers Aufgabe: Vor 20 Jahren holte die Linke 23,6 Prozent bei der Landtagswahl. 2019 waren es dann noch 10,4 Prozent. Laut Umfragen wird es dieses Mal knapp mit der Fünf-Prozent-Hürde. Schaper muss das Fiasko abwenden.
Sabine Schaper kennt sich als Krankenschwester mit der Versorgung von Patienten aus. Die Rolle als mögliche Retterin der sächsischen Linkspartei wurde Schaper aber erst spät angetragen.
Die gelernte Krankenschwester, die als solche regelmäßig ehrenamtlichen Dienst für eine NGO in Vietnam tut, kam 2014 in den Landtag. Schaper setzt auf soziale Themen: kostenloses Mittagessen für Kita-Kinder und Schüler, mehr Geld für medizinische Versorgung und den ÖPNV.
In einer Wahlkampfdebatte überraschte sie mit einer Wutrede zu Meinungsfreiheit und Anti-Gender-Rhetorik. Dafür bekam sie ein Lob von CDU-Ministerpräsident Kretschmer. Der hatte offenbar überhört, dass er wohl mitgemeint war.
Freie Wähler: Oberbürgermeister Berger
Dieses Mal wollen die Freien Wähler alles richtig machen: Um erstmals in den Landtag zu kommen, setzen sie vor allem auf populäre Kommunalpolitiker. Damit tritt auch Matthias Berger, bislang Oberbürgermeister von Grimma, in die erste Reihe.
Berger, selbst parteilos, wurde deutschlandweit bekannt durch zwei Hochwasser, die Grimma schwer trafen. Er managte die Rettungsmaßnahmen und den Wiederaufbau.
Matthias Berger hält es nicht mehr in "seinem" Grimma. Im Wahlkampf hatte er es aber schwer: Die Freien Wähler wurden zu mehreren Spitzendebatten nicht eingeladen.
Da der 54-jährige Rechtsanwalt dreimal mit überdurchschnittlichen Ergebnissen im Oberbürgermeisteramt bestätigt wurde, hofft seine Partei, dass Berger ein Direktmandat holen kann. Klappt es anderswo auch noch, würde diesmal die sächsische Grundmandatsklausel ziehen, sollten die Freien Wähler doch unter fünf Prozent bleiben.
Berger will kostenlose Kitas, erheblich mehr Geld für die Kommunen und vor allem weniger Bürokratie. Dabei spricht er schon mal vom Staat, der "degeneriert", oder von "Polit-Zombies".
Mit der SPD und ihrer Spitzenkandidatin Petra Köpping verbindet Berger eine längere Abneigung, die auf die sächsische Kreisreform 2008 zurückgeht. Er will die Blockade-Haltung gegenüber der AfD im Landtag aufbrechen, lehnt aber eine Koalition ab.
FDP: Kommunalpolitiker Malorny
Ihren Wahlkampf hat die FDP auf die "Mission Malorny" zugeschnitten. Früh hat sie sich auf den Dresdner Stadtrat Robert Malorny als Spitzenkandidaten festgelegt. Der 45-jährige Ingenieur und ehemalige Zeitsoldat trat erst vor zehn Jahren in die Partei ein und sieht es als Vorteil, dass er spät in die Politik gekommen ist.
Er verteidigt die Waffenhilfen an die Ukraine und setzt auf Wirtschaftsförderung, mehr Lehrer in Schulen und eine leichtere Integration von Migranten in den sächsischen Arbeitsmarkt.
In den letzten Umfragen landete die FDP nur noch unter "Sonstige". Sollte Robert Malorny dennoch der Einzug in den Landtag gelingen, wäre es wohl die größte Überraschung des Wahlabends.
Malornys Problem: Er ist nicht Holger Zastrow. Der war jahrelang der wohl bekannteste sächsische Liberale - bis er im Januar die Partei verließ. Schlimmer noch: Zastrow hat eine eigene Partei gegründet und kandidiert zur Landtagswahl in Dresden.
In Sachsen ist die FDP ohnehin eher ein politischer Außenseiter. Der Einzug in den Landtag gelang zuletzt 2009. Auch in den 1990er-Jahren war die Partei längere Zeit in der außerparlamentarischen Opposition.
Auf den letzten Metern warnt Robert Malorny nun vor einer Koalition von CDU und BSW. Ein Plakat zeigt Michael Kretschmer und Sahra Wagenknecht im sozialistischen Bruderkuss, angelehnt an ein bekanntes Bild von Leonid Breschnew und Erich Honecker. Der erhoffte Skandal blieb allerdings aus.