Wagenknecht-Partei Bündnis im Aufbau
Die Chancen stehen gut für die Wagenknecht-Partei, bei den Wahlen im Osten in die Landesparlamente einzuziehen. Doch das BSW formiert sich noch. In Sachsen ist heute Landesparteitag.
An diesem Wochenende soll es nun klappen mit dem Parteitag der Wagenknecht-Partei in Dresden. Es ist der zweite Anlauf - ursprünglich sollte sich der sächsische Landesverband bereits Ende April treffen, um Kandidaten und Wahlprogramm für die Landtagswahl im Herbst zu beschließen. Doch dann wurde kurzfristig alles abgesagt und auf Mitte Mai verschoben. "Wir brauchten einfach noch Zeit, um unser Wahlprogramm mit Thüringen und Brandenburg abzustimmen", sagt die sächsische Landesvorsitzende Sabine Zimmermann.
Der Zeitplan war wohl doch zu optimistisch. Erst Ende Februar war der sächsische Landesverband des "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) gegründet worden, neben Sabine Zimmermann war der Chemnitzer Unternehmer Jörg Scheibe zum Landesvorsitzenden gewählt worden. Seitdem wird weiter am Parteiaufbau geschraubt, zudem finden Anfang Juni in Sachsen Kommunalwahlen statt. Das BSW wird in fast allen Landkreisen Kandidaten aufstellen. Der Aufwand war groß: Die neue Partei brauchte für jeden Kandidaten Unterschriften, nicht alle konnten diese Hürde überwinden.
Landesvorsitzende auf vorderen Listenplätzen
Nur auf die Kommunalwahlen konzentrieren kann sich die Partei aber nicht, denn im Herbst steht die Landtagswahl an. Die Vorschläge für die Landesliste stehen inzwischen. Nach Informationen des MDR aus Parteikreisen kandidieren für die vorderen Listenplätze die Landesvorsitzenden und stellvertretenden Landesvorsitzenden. Auch der Entwurf des Wahlprogramms, der dem MDR vorliegt, ist inzwischen beschlussreif. Zuerst hatte der "Spiegel" über den Entwurf berichtet.
Das Papier besteht aus vier Kernbereichen. Ganz oben auf der Liste stehen die Forderungen nach Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, und zwar "ohne Vorbedingungen". Auch wenn betont wird, dass man den "völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine" verurteile. Zudem will sich die Partei unter anderem für eine Stärkung der Kommunen sowie eine "deutliche Begrenzung und klare Steuerung von Migration" einsetzen. Auch soziale Gerechtigkeit und eine Aufarbeitung der Corona-Zeit wird gefordert.
Sabine Zimmermann, die BSW-Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali und Jörg Scheibe
Koalition zwischen CDU und BSW denkbar?
Derzeit hat die Partei in Sachsen laut Umfragen gute Chancen, ins Landesparlament einzuziehen. Und das, obwohl sie in dem Bundesland erst 64 Mitglieder hat. Dennoch könnte sie im Herbst wegen der komplizierten politischen Ausgangslage vor der Frage stehen, ob sie eine Koalition mit der CDU eingehen will.
Die sächsische CDU selbst hält sich zwar bedeckt, doch in den inhaltlichen Ausrichtungen der Parteien gibt es Überschneidungen. Auch wenn im BSW-Programm steht: "Jede Stimme für die CDU bei der Landtagswahl in Sachsen ist auch Rückenwind für Friedrich Merz, der uns durch die Lieferung von 'Taurus'-Raketen noch tiefer in den Ukraine-Krieg hineinziehen möchte."
Die BSW-Landesvorsitzende Zimmermann ist bemüht, die Diskussion um eine mögliche Koalition mit der CDU zu bremsen. Ihre Partei sei kein Mehrheitsbeschaffer. Zimmermann sagt aber auch: "Wenn es notwendig ist, dann denken wir auch über eine Koalitionsbeteiligung nach." Eine solche schließe sie derzeit nur mit der AfD und - unter Vorbehalt - auch mit dem Grünen aus.
Auch in Thüringen könnte es auf das BSW ankommen
Im Nachbarland Thüringen ist die Partei, was die Grünen angeht, offener. "Wir sprechen nach der Wahl selbstverständlich mit allen demokratischen Parteien. Diese Gespräche sind ergebnisoffen", sagt die Thüringer BSW-Landeschefin Katja Wolf. Die noch amtierende Oberbürgermeisterin von Eisenach ist wie Sabine Zimmermann aus Sachsen ehemalige Linken-Politikerin. Doch Wolf trat erst Anfang des Jahres bei der Linken aus und überraschte und verstörte damals viele in ihrer Partei.
Wolf betont, dass es noch nicht um Regierungsverantwortung oder Posten gehe. Doch in Thüringen steht die Partei in Umfragen derzeit sogar noch deutlich besser da als in Sachsen. Zudem gibt es das Problem, dass nach der Wahl eine sehr starke AfD mit Björn Höcke drei Parteien mit jeweils 20 oder etwas weniger Prozenten an Wählerstimmen gegenüberstehen könnte: der CDU, den Linken und gegebenenfalls auch der Wagenknecht-Partei. Da Linke und CDU bisher nicht offen für eine Koalition sind, würde es dann auf das BSW ankommen.
Kampfabstimmungen um einzelne Listenplätze möglich
Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. In Thüringen wurde der erste Termin für den Parteitag ebenfalls abgesagt, um das Wahlprogramm besser mit den Landesverbänden in Sachsen und Brandenburg abzustimmen. Auch wenn man in der Partei betont, dass Thüringen eigene Akzente setzen wolle. Hauptthema im Landtagswahlkampf beim BSW soll die Bildungspolitik sein. Der Thüringer Landesverband will Programm und Landesliste nun Anfang Juni beschließen.
Der erweiterte Landesvorstand habe sich bereits auf eine Liste verständigt, so Katja Wolf. Dabei gehe es um fachliche Kompetenz und "damit um die Arbeitsfähigkeit einer künftigen Fraktion", sagt sie. "Darüber hinaus geht es um Teamfähigkeit und eine möglichst ausgewogene Liste mit Hinblick auf Geschlecht, Politikerfahrung und regionale Verortung."
Allerdings schließt sie auch Alternativkandidaturen für einzelne Listenplätze nicht aus. Es könnte auf dem Parteitag Anfang Juni also zu Kampfabstimmungen kommen. Offenbar wollten nicht alle Kandidaten den Listenvorschlag, der nicht nur Parteimitglieder beinhalten soll, akzeptieren. Derzeit hat das BSW in Thüringen lediglich 47 Mitglieder, die Aufnahmegespräche sollen nach dem Parteitag fortgesetzt werden.
Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen werden für die Wagenknecht-Partei nach der Europawahl ein Gradmesser sein, wie stark die Partei in einzelnen Regionen punkten kann. In beiden Ländern setzt sie vor allem auf eine Mischung aus ehemaligen Linken-Politikern und Politikneulingen. Sollte die Partei in beide Landesparlamente einziehen, und so sieht es derzeit aus, dann kommt es vor allem auf die Politikerfahrenen an.
Unsicherheiten bei möglicher Regierungsbeteiligung
Der Politologe Sven Leunig von der Universität Jena sieht jedoch Schwierigkeiten für die erst wenige Monate alte Partei mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung. Das zeige sich vor allem an den verschobenen Parteitagen. Dem MDR sagte Leunig: "Offensichtlich braucht man sehr viel mehr Zeit, um sich auf ein Programm zu einigen."
Das sei auch eine gewisse Unsicherheit für eine mögliche Regierung. "Wenn man an der Regierung beteiligt ist und sich die Personen selbst noch nicht ganz einig sind, worauf sie hinauswollen und was sie wollen, dann ist das für die Partner in der Koalition natürlich außerordentlich kompliziert. Denn sie müssen sich auf die ja verlassen können."
Die Wagenknecht-Partei ist sich offenbar bewusst, dass sich die Politikneulinge in der Partei im Wahlkampf und später, sollten sie gewählt werden, im neuen Landtag schnell zurechtfinden müssen. Nach dem Parteitag will der Thüringer Landesverband seinen Kandidaten deshalb unter anderem Medienkompetenz beibringen und Rhetoriktraining anbieten. Und auch mit den groben Abläufen im Landtag sollen sich die Kandidaten möglichst schon vertraut machen.