"Bündnis Sahra Wagenknecht" "Wir sind keine Linke 2.0"
Mit scharfen Attacken gegen die Ampel hat Wagenknecht ihre neue Partei auf das Wahljahr 2024 eingestimmt. Beim ersten Parteitag des "Bündnis Sahra Wagenknecht" nannte die Gründerin die Ampel erneut "die dümmste Regierung Europas".
Mit viel Kritik an der Bundesregierung und einer Einladung an alle Unzufriedenen hat der Parteitag des neu gegründeten "Bündnisses Sahra Wagenknecht" in Berlin begonnen. Die Co-Vorsitzende und Namensgeberin Wagenknecht sagte, die Politik müsse geändert werden. "Da ist etwas am Kippen in unserer Gesellschaft."
Es gebe "so viele Probleme, Unsicherheit, aber auch Empörung und Wut", sagte Wagenknecht in ihrer Rede unter dem Beifall der knapp 400 Delegierten. "Immer mehr Menschen in unserem Land sind politisch heimatlos geworden." Das Versagen der Ampel-Politik führe dazu, dass die AfD in Umfragen auf über 20 Prozent komme und teilweise stärkste Kraft in einigen ostdeutschen Ländern sei.
Der Erfolg der AfD, der laut Wagenknecht Nazis und Rechtsextremisten angehören, sei "nicht das Ergebnis genialer Arbeit der AfD", sondern ein Versagen der Ampelkoalition - laut Wagenknecht die "dümmste Regierung Europas". Dass die Politiker der Bundesregierung nun selbst auf die Straße gegen rechts gehen, sei "Heuchelei".
Waffenexporte in die Ukraine stoppen, Krieg beenden
Gleichzeitig kritisierte sie, dass viele Demonstrationen in Medien zu schnell in die rechte Ecke gestellt würden. "Das Werben für Frieden - rechts, die Verteidigung der Bauernhöfe - rechts, die Kritik an Schulschließungen und Konformitätsdruck in der Corona-Zeit - rechts, die Forderung nach Begrenzung der Zuwanderung und die Sorge vor islamistischen Parallelgesellschaften - rechts."
Von der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP und Kanzler Olaf Scholz (SPD) forderte sie, die Belastungen für Landwirte komplett zurückzunehmen. Außerdem müssten Waffenexporte in die Ukraine gestoppt werden. Wagenknecht sagte, der Krieg in der Ukraine könne auf dem Verhandlungsweg beendet werden und zwar schnell. Wie genau, ließ sie offen.
Wagenknecht stellte auch das Thema gesellschaftliche Ungleichheit als eines der Schwerpunkte der neuen Partei vor. Die Ampel-Regierung habe den Bürgern einen Mix aus Steuersenkungen und Steuererhöhungen zum Jahresbeginn offeriert. Dies belaste wieder einmal die Ärmeren und die untere Mitte, während die, die richtig viel verdienten, am Ende sogar noch mehr Geld in ihrem Geldbeutel hätten. "Es müsste doch gerade umgekehrt sein. Dafür setzen wir uns ein", sagte Wagenknecht.
BSW-Parteispitze gewählt
Im ersten Teil des Parteitags wurde auch die Parteispitze um die beiden Vorsitzenden Wagenknecht und die Ex-Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali komplettiert. Die Delegierten wählten die Berlinerin Friederike Benda und Amid Rabieh aus Nordrhein-Westfalen zu stellvertretenden Parteivorsitzenden. Beide waren zuvor für die Linke aktiv, Rabieh war stellvertretender NRW-Landesvorsitzender.
Dritter Parteivize ist der Wirtschaftswissenschaftler Shervin Haghsheno. Haghsheno wurde ebenso wie die Doppelspitze aus Wagenknecht und Mohamed Ali bereits auf dem Gründungsparteitag am 8. Januar gewählt. Generalsekretär der neuen Partei ist der Bundestagsabgeordnete Christian Leye, Schatzmeister der Unternehmer Ralph Suikat und Bundesgeschäftsführer Lukas Schön. Am Nachmittag sollten noch 14 Mitglieder für den erweiterten Parteivorstand gewählt werden.
Wagenknecht forderte ihre Mitstreiter auf, an einem Strang zu ziehen. Die Parteimitglieder seien sehr unterschiedlich, sagte Wagenknecht. Darunter seien etwa Gewerkschafter, Unternehmer, Krankenpfleger, Polizisten, Theologen, Großstädter und Dorfbewohner. Die Partei werde nur erfolgreich sein, wenn die Mitglieder diese "Unterschiedlichkeit als Gewinn begreifen, wenn wir Toleranz und Respekt nicht nur in der Gesellschaft einfordern, sondern auch hier in unserer Partei leben. Das muss unser Auftrag, und das muss unser Ziel sein."
"Wir sind keine Linke 2.0"
Wagenknecht sagte weiter: "Wir sind keine Linke 2.0. Das muss auch für unseren Umgang miteinander gelten. Lasst uns eine Partei des Miteinanders werden und nicht eine Partei der Intrigen und des Postengeschachers wie alle anderen." Es sollten Strukturen im BSW geschaffen werden, in denen sich nicht die Rücksichtslosesten und Intrigantesten durchsetzen, sondern die Talentiertesten und Besten. "Denn das wollen wir auch in der Gesellschaft. Dann fangen wir bei uns an. Das ist ganz wichtig, das wird uns von allen anderen unterscheiden, wenn wir so sind."
Wagenknecht rief die Mitglieder dazu auf, pfleglich miteinander umzugehen - das müsse das Credo sein. "Wir haben Großes vor für unser Land und für die Menschen, die große Erwartungen in uns setzen. Wir sind es ihnen schuldig, unsere Sache gut zu machen."
Am Nachmittag wurde das Europawahlprogramm debattiert und verabschiedet. Die Delegierten sollen zudem die Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl am 9. Juni bestimmen. Als Spitzenkandidaten sind der frühere Linken-Politiker Fabio de Masi und der ehemalige SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, vorgesehen.
Kritik an der EU
Kernpunkte des Europawahlprogramms sind weniger EU-Vorgaben, gelockerte europäische Schuldenregeln und eine strikte Migrationspolitik. Außerdem wird die Abkehr vom zentralen Instrument der bisherigen Klimaschutzpolitik gefordert: Nach dem Willen des BSW soll der Handel mit CO2-Zertifikaten abgeschafft werden. "Dieser Zertifikatehandel ist völlig ungeeignet, um klimapolitische Ziele zu erreichen", heißt im Programm. Es fordert die unbefristete Nutzung von Verbrennermotoren und die Rückkehr zu Importen von Öl und Gas aus Russland.
Das Papier übt fundamentale Kritik an der EU in jetziger Form und fordert einen Rückbau: "Die EU in ihrer aktuellen Verfassung schadet der europäischen Idee", heißt es. Als Ziel wird formuliert: "Was lokal, regional oder nationalstaatlich besser und demokratischer regelbar ist, darf nicht der Regelungswut der EU-Technokratie überlassen werden."
Der Ukraine-Krieg wird als Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland bezeichnet, der vom Westen hätte verhindert werden können. In der Migrationspolitik plädiert das Programm für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen oder in Drittstaaten und für die Bekämpfung von Fluchtursachen.
Schlusswort von Lafontaine
Das Schlusswort des Parteitags, der im ehemaligen DDR-Kino Kosmos in Berlin stattfindet, soll Wagenknechts Ehemann, der frühere SPD- und Linkenpolitiker Oskar Lafontaine, halten. Der 80-Jährige sagte dem Deutschlandfunk, die gegenwärtige Politik in Deutschland und insbesondere der Ampelkoalition werde von vielen Menschen abgelehnt. Daher benötige das Land eine neue politische Kraft, zu der die Menschen Vertrauen fassen könnten.
Sahra Wagenknecht hatte ihre Partei am 8. Januar mit etwa 40 Menschen gegründet und die ersten 450 Mitglieder aufgenommen.