Nach Aussagen von CDU-Chef Merz Kretschmer für "pragmatischen Umgang" mit AfD
Sachsens Regierungschef Kretschmer glaubt nicht, dass in Kommunen eine "lupenreine Trennung" zur AfD durchzuhalten ist. Er empfiehlt der CDU einen pragmatischen Umgang. Parteichef Merz hatte zuvor mit ähnlichen Äußerungen für Wirbel gesorgt.
In der Debatte über eine etwaige Kooperation von CDU und AfD in Kommunen hat der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer für einen "pragmatischen Umgang" mit der Partei plädiert. Eine "lupenreine Trennung" sei bei Sachentscheidungen auf kommunaler Ebene nicht durchzuhalten, sagte Kretschmer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es reiche bei Sachentscheidungen in Städten und Gemeinden nicht zu sagen: "Wir sind dagegen, weil die AfD dafür ist."
Der CDU-Politiker mahnte in dem Interview, allen Beteiligten auf der kommunalen Ebene müsse immer klar sein, mit welcher Sorte Partei sie es mit der AfD zu tun hätten. "Die Frau oder der Mann, die dort für die AfD sitzen - mögen sie noch so angesehene Handwerker oder bekannt in einem Ort sein -, sind Mitglieder einer Partei, die mit diesem Land Schlimmes vorhat", sagte er.
Kretschmer beklagte, vielen Wählern sei der wahre Kern der AfD offenbar nicht bewusst. Deshalb dürfe man es sich mit Ausgrenzung und Brandmauern nicht zu leicht machen, sondern müsse erläutern, was drohe, wenn die AfD an die Macht kommen sollte.
Beschlusslage der CDU gilt laut Merz
Ähnlich hatte sich am Sonntag CDU-Chef Friedrich Merz geäußert. Er hatte im ZDF-Sommerinterview zwar bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD kooperieren werde - beschränkte dies aber auf "gesetzgebende Körperschaften" - etwa auf europäischer, Bundes- oder Landesebene.
Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, so Merz. "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet", hatte er im ZDF erklärt.
Dafür erntete Merz im Nachgang auch innerhalb der eigenen Partei heftige Kritik, so dass er am Montagmorgen eine Klarstellung veröffentlichte, in der er seine Aussagen relativierte. In einem dpa-Interview nannte es Merz "völlig abwegig", aus seinen Worten abzuleiten, er hätte den Weg geöffnet für die Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Via Twitter betonte der CDU-Chef: "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."
Hans zweifelt an Merz' Führungsstärke
Kritikerinnen und Kritiker hatten ihm vorgeworfen, entgegen der Beschlusslage der Partei Wege der Zusammenarbeit mit der AfD zu suchen. In dem sogenannten Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, auf denen mehrere Parteimitglieder verwiesen, heißt es unter anderem: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab."
Obwohl Merz versucht hatte, am Montag die Wogen innerhalb der CDU zu glätten, riss Kritik an seiner Aussage aus dem ZDF-Sommerinterview auch am Dienstag nicht ab. Unisono betonte die Union umso mehr ihre klare Abgrenzung zur AfD. Der ehemalige saarländische Ministerpräsident Tobias Hans nahm das zum Anlass, an der Führungsstärke von Merz zu zweifeln.
"Fünf nach zwölf"
Hans bezeichnete die AfD im "Stern"-Interview klar als "politischen Feind". Die CDU müsse einen Konsens mit demokratischen Parteien suchen und nicht mit der AfD. Anhand der derzeit steigenden Umfragewerte der Alternative für Deutschland warnte Hans: "Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Das muss auch Friedrich Merz endlich sehen."
Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend kommt die AfD auf 20 Prozent der Wählerstimmen und ist damit die zweitstärkste Kraft hinter der Union.
Nicht nur die Aussage von Merz im ZDF rief bei dem früheren saarländischen Landeschef Sorgen hervor. Hans erinnerte auch an Äußerungen des CDU-Vorsitzenden, der seine Partei als "Alternative für Deutschland - mit Substanz" bezeichnet oder die Grünen zum "Hauptgegner" erklärt hatte.
"Mir drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass es sich dabei um eine Strategie handelt, um den Versuch, einen neuen Sound in der CDU zu etablieren. Das ist der Abschied vom Kurs der Mitte, mit dem die CDU fast 20 Jahre lang erfolgreich regiert hat", betonte Hans. Für ihn stelle sich die Frage, ob ein solcher CDU-Chef der Richtige ist, wenn es in den Wahlkampf für die nächste Bundestagswahl und um das Kanzleramt geht.
Rhein: "Klare, eindeutige Brandmauer zur AfD"
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein sieht Merz hingegen nicht als beschädigt an. Das sagte er am Montag im Interview mit den tagesthemen. Es habe "Missverständnisse" und "Fehlinterpretationen" gegeben. Am Ende habe Merz seine Position klargemacht. Im Übrigen habe der CDU-Chef den Beschluss des Parteivorstandes zur Unvereinbarkeit mit der AfD selbst herbeigeführt, machte Rhein deutlich.
Rhein, der im Herbst in Hessen Landtagswahlen zu bestehen hat, sprach von einer "wilden Debatte" um die Äußerungen von Merz. Nun sei aber dadurch "sehr viel Klarheit" geschaffen worden. "Es gibt eine klare, eindeutige und auch sehr dicke Brandmauer zur AfD", sagte Rhein. "Die Brandmauer steht und sie steht sehr fest", fügte er hinzu. Und es gebe nicht nur eine Trennlinie und Brandmauer, sondern auch einen "ganz tiefen Graben zwischen AfD und CDU".