Friedrich Merz
analyse

CDU-Chef Merz unter Druck

Stand: 24.07.2023 17:05 Uhr

Friedrich Merz sorgt mit seiner Aussage zur Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene für Aufregung. Selten zuvor stand der CDU-Chef innerparteilich so in der Kritik.

Von Sarah Frühauf, ARD-Hauptstadtstudio

Das gibt es nicht aller Tage: Ein Tweet, abgesetzt zwei Minuten nach Mitternacht aus der CDU-Bundeszentrale. Carsten Linnemann, gerade einmal zwei Wochen im Amt des Generalsekretärs, sieht sich offenbar genötigt, sich vor seinen Parteivorsitzenden zu stellen. Es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD, egal auf welcher Ebene. Das sehe auch Merz so.

Merz zieht dann am Morgen nach und twittert eine Klarstellung mit dem Autorenkürzel FM, Friedrich Merz persönlich also. Normalerweise übernimmt sein Team die Social-Media-Kommunikation. Aber nach dem Sommerinterview im ZDF ist nichts mehr normal, die Partei ist im Ausnahmezustand.

Merz hat ein Kommunikationsproblem

Ein führendes CDU-Mitglied geht sogar so weit, dass es das nun für Merz gewesen sei, zumindest was die Kanzlerkandidatenfrage angeht: "Vom Hoffnungsträger zum Totengräber", sagte das Parteimitglied gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio. Andere geben sich diplomatischer, glauben aber auch, dass die Debatte nicht mit einem Tweet beendet sein wird.

CDU-Chef Merz unter Druck

Alexander Budweg, ARD Berlin, tagesthemen, 24.07.2023 22:05 Uhr

Dass Merz klar für eine Abgrenzung zur AfD steht, daran zweifeln nicht mal die, die ihn jetzt zum Totengräber degradieren. Der CDU-Chef hat allerdings offenbar ein Kommunikationsproblem. Dass man auf kommunaler Ebene nicht immer an der AfD vorbeikomme, zum Beispiel was die tägliche Arbeit in den Verwaltungen angehe, sei klar, sagte ein Mitglied der Ost-CDU dem ARD-Hauptstadtstudio. Hier kann man die Debatten über den Umgang mit der AfD nicht mehr hören.

Von Thüringens Landeschef Mario Voigt heißt es, es brauche mehr Konzentration auf Themen der normalen Bürger. Debatten über die AfD würden Deutschland nicht aus der Krise bringen.

Erst vergangene Woche sorgte er für Stirnrunzeln

Die Frage aber ist, wie der CDU-Vorsitzende öffentlich damit umgeht. Nun ist der Auftritt im ZDF nicht der erste kommunikative Fehltritt des Parteivorsitzenden. Erst vergangene Woche beim Treffen der CSU-Landesgruppe der Bundestagsfraktion im Kloster Andechs sorgte Merz für ein Stirnrunzeln, auch in seiner Partei. Er sprach davon, dass die CDU eine "Alternative für Deutschland mit Substanz" werden solle.

Nicht erst seit gestern fragen sich einige in der Union: Kann so jemand Kanzler? Denn Merz' kommunikatives Versagen zeigt auch, wie sehr es in der Partei gerade brodelt. Dass führende CDU-Mitglieder sich in den sozialen Netzwerken derart deutlich von einer Äußerung ihres Parteivorsitzenden abgrenzen, lässt die Frage aufkommen, welche Hausmacht Merz eigentlich noch hat.

Luft nach oben in den Beliebtheitswerten

Schon in den vergangenen Wochen sah Merz sich mit einer Debatte um die K-Frage konfrontiert, die für ihn gerade zur Unzeit kommt. Die CDU hat zwar unter Merz einiges in den Umfragen zugelegt, doch die AfD ist in einem Umfragehoch und bei Merz persönlichen Beliebtheitswerten gibt es noch Luft nach oben.

So hatte sich zuletzt Schleswigs-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther vorgewagt und öffentlich vor "populistischem Draufhauen" gewarnt, was politische Beobachter als Seitenhieb gegen Merz verstanden haben.

Über Nordrhein-Westfalens Landeschef Hendrik Wüsts Vorstoß, der kurz zuvor erschienen war, hat sich Merz, so hört man aus der Partei, noch mehr geärgert. Wüst hatte ein Mitspracherecht der Landesverbände bei der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur gefordert.

Die Kritiker dürften lauter werden

Zu Merz' Sommerinterview äußerten sich weder Günther noch Wüst. Auch hier wieder nur Kommunikation über Twitter - Wüst retweetete Merz' Stellungnahme. Wüsts Generalsekretär Paul Ziemiak schob nach: Die CDU in NRW würde jede Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen, auch auf kommunaler Ebene. Ein öffentliches Nachtreten der beiden käme einer Kampfansage gleich.

Bayerns Landeschef Markus Söder, auch ein möglicher Mitbewerber um die Kanzlerkandidatur, ist weniger zurückhaltend. Er setzte schon am Morgen einen Tweet ab, mit ähnlichem Wortlaut wie aus Nordrhein-Westfalen. In einer Pressekonferenz am Mittag legte er noch einmal nach: "Ein Nein heißt ein Nein. Dort gibt es keine Relativierung und kein Aufweichen."

Bisher hatte es zwischen Söder und Merz scheinbar so etwas wie einen Nichtangriffspakt gegeben. Auch Söder kann kurz vor der Landtagswahl in Bayern keine Personaldebatten gebrauchen. Nur dürfte er Stratege genug sein, um ein Momentum wie dieses für sich zu erkennen - und scheint in der Personaldebatte ein Ausrufezeichen in Richtung Union zu wollen, nach dem Motto: Er in Bayern wisse, wie man sich um Umgang mit der AfD zu verhalten habe.

Merz braucht nun eine eindeutige Strategie. Ansonsten dürften seine Kritiker in der Partei lauter werden - und das in regelmäßigen Abständen.

Thorsten Faas, Politikwissenschaftler Freie Universität Berlin, zur Äußerung von CDU-Chef Merz zur Zusammenarbeit mit der AfD

tagesschau24, 24.07.2023 18:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 24. Juli 2023 um 14:00 Uhr.