Aussagen zum Umgang mit AfD Ex-Landeschef Hans zweifelt an Merz' Führungsstärke
Die Aussagen des CDU-Vorsitzenden Merz zum Umgang mit der AfD sorgen weiter für Wirbel. Und es regen sich Zweifel, ob ein solch angeschlagener Parteichef die richtige Wahl im Kampf ums Kanzleramt wäre.
Die Kritik an Friedrich Merz nach dessen Aussagen zum Umgang mit der AfD reißt nicht ab. Unisono betont die Union ihre klare Abgrenzung zur AfD. Dass dies infolge der Äußerungen des CDU-Chefs notwendig ist, lässt den ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans - ebenfalls CDU - an der Führungsstärke des Parteivorsitzenden zweifeln.
Hans bezeichnete die AfD im "Stern"-Interview klar als "politischen Feind". Die CDU müsse einen Konsens mit demokratischen Parteien suchen und nicht mit der AfD. Anhand der derzeit steigenden Umfragewerte der Alternative für Deutschland warnte Hans: "Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Das muss auch Friedrich Merz endlich sehen." Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend kommt die AfD auf 20 Prozent der Wählerstimmen und ist damit die zweitstärkste Kraft hinter der Union.
Hans weckt Zweifel an Kanzler-Potenzial
Doch nicht nur die Aussage von Merz im ZDF-Sommerinterview ruft bei dem früheren saarländischen Landeschef Sorgen hervor. Hans erinnerte auch an Äußerungen des CDU-Vorsitzenden, der seine Partei als "Alternative für Deutschland - mit Substanz" bezeichnet oder die Grünen zum "Hauptgegner" erklärt hatte. "Mir drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass es sich dabei um eine Strategie handelt, um den Versuch, einen neuen Sound in der CDU zu etablieren. Das ist der Abschied vom Kurs der Mitte, mit dem die CDU fast 20 Jahre lang erfolgreich regiert hat", betonte Hans.
Und für Hans stellt sich die Frage, ob ein solcher CDU-Chef der Richtige ist, wenn es in den Wahlkampf für die nächste Bundestagswahl und um das Kanzleramt geht. "Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass der Spitzenkandidat einer Partei Regierungserfahrung mitbringt - und Fingerspitzengefühl bei schwierigen Fragen", betonte Hans - und fügte hinzu:
Mittlerweile muss man vor jedem Sommerinterview zittern, weil man nicht weiß, was am Ende dabei herauskommt. Ich möchte mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass ein von der CDU gestellter Bundeskanzler solche Sorgen hervorruft.
"Klare, eindeutige Brandmauer zur AfD"
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein sieht Merz hingegen nicht als beschädigt an. Das sagte er im Interview mit den tagesthemen. Es habe "Missverständnisse" und "Fehlinterpretationen" gegeben. Am Ende habe Merz seine Position klargemacht. Im Übrigen habe Merz den Beschluss des Parteivorstandes zur Unvereinbarkeit mit der AfD selbst herbeigeführt, machte Rhein deutlich.
Rhein, der im Herbst in Hessen Landtagswahlen zu bestehen hat, sprach von einer "wilden Debatte" um die Äußerungen von Merz. Nun sei aber dadurch "sehr viel Klarheit" geschaffen worden. "Es gibt eine klare, eindeutige und auch sehr dicke Brandmauer zur AfD", sagte Rhein. "Die Brandmauer steht und sie steht sehr fest", fügte er hinzu. Und es gebe nicht nur eine Trennlinie und Brandmauer, sondern auch einen "ganz tiefen Graben zwischen AfD und CDU".
Merz: Beschlusslage der CDU gilt
CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Sonntag im ZDF-Sommerinterview zwar bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD kooperieren werde. Er beschränkte dies aber auf "gesetzgebende Körperschaften" - etwa auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. Wenn in Thüringen ein Landrat und in Sachsen-Anhalt ein Bürgermeister von der AfD gewählt worden sei, dann seien das demokratische Wahlen, so Merz. "Das haben wir doch zu akzeptieren. Und natürlich muss in den Kommunalparlamenten dann auch nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet", hatte er im ZDF-Sommerinterview erklärt.
Dafür erntete Merz im Nachgang aber innerhalb der eigenen Partei so heftige Kritik, dass er am Montagmorgen eine Klarstellung veröffentlichte, in der er seine Aussagen relativierte. In einem dpa-Interview nannte es Merz "völlig abwegig", aus seinen Worten abzuleiten, er hätte den Weg geöffnet für die Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Via Twitter hatte der CDU-Chef zudem betont: "Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben.
"Rechtsradikal bleibt rechtsradikal"
In dem sogenannten Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, auf denen mehrere Parteimitglieder verwiesen, heißt es unter anderem: "Jeder, der in der CDU für eine Annäherung oder gar Zusammenarbeit mit der AfD plädiert, muss wissen, dass er sich einer Partei annähert, die rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet. (...). Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab."
Die Vizepräsidentin des Bundestages, Yvonne Magwas, die auch dem CDU-Präsidium angehört, schrieb als Reaktion auf die Aussagen von Merz im ZDF-Interview auf Twitter: "Ob Ortschaftsrat oder Bundestag, rechtsradikal bleibt rechtsradikal. Für Christdemokraten sind Rechtsradikale immer Feind!" Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen betonte, seine Partei habe ein Kooperationsverbot mit der AfD beschlossen. "Jeder, der das ändern will, muss dafür auf einem Bundesparteitag der CDU eine Mehrheit finden."
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung bezeichnete die kommunale Ebene als entscheidend für die Abgrenzung der Union zur AfD. "Die klare Abgrenzung auch in den Kommunen ist das Fundament der Brandmauer zur AfD" sagte Jung der "Augsburger Allgemeinen". "Die AfD ist eine rechtsradikale Partei, die Hass und Hetze duldet", kritisierte Jung. "Unsere Werte verpflichten: Zur AfD kann es deshalb nur klare Kante geben, auf allen Ebenen, heute, morgen und übermorgen", betonte der stellvertretende CDU-Chef. Dies sei auch die Haltung des Parteivorsitzenden. "Friedrich Merz hat unmissverständlich klargestellt: Die Beschlusslage der CDU gilt und es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben", sagte Jung.
Der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte Merz. Für seine Partei sei eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen, sagte er am Montagabend bei einer Veranstaltung der CDU-Hessen in Wiesbaden. Linnemann sagte, Merz habe erst kürzlich bekräftigt, dass es, solange er Parteivorsitzender sei, keine Zusammenarbeit mit der AfD gebe, egal auf welcher Ebene.
Kühnert wirft Union AfD-Fixierung vor
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert appellierte an die Union, sich weniger auf die AfD zu fokussieren. "Ich erlebe eine unglaubliche Nervosität in der Union, in der manche geradezu manisch auf das Thema AfD fixiert sind", sagte Kühnert der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten". In der Union frage man sich dann bei jeder Debatte zuerst: "Was denkt und sagt die AfD? Wie können wir darauf reagieren?" Das müsse aufhören. "Die CDU sollte aufhören, sich als stolze demokratische Partei so klein machen", riet Kühnert.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warf CDU-Chef Merz unterdessen vor, mit seinen Äußerungen zur AfD der Demokratie zu schaden. "Friedrich Merz fährt auf dem Dampfer des Populismus. Das ist hochgefährlich", sagte Göring-Eckardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Er dient sich einer spalterischen rechtspopulistischen Partei an, statt sie inhaltlich zu stellen. Dabei gäbe es dafür genügend Ansatzpunkte, von Rentenkürzungen bis EU-Ablehnung." Wegen der fehlenden Kritik sei auch Merz' Zurückrudern "wenig glaubhaft".