Kosten für Geflüchtete Was der Bund zahlt
Es dürften komplizierte Verhandlungen werden beim Flüchtlingsgipfel am Mittwoch im Kanzleramt. Mehr Geld fordern Länder und Kommunen vom Bund. Zu Recht? Nein, findet man in Berlin.
Die Hilfe aus Berlin könne sich sehen lassen, meint Stephan Thomae. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion hält die Rufe der Länder und Kommunen nach mehr Geld für unfair. Es entstehe oft der Eindruck, dass der Bund den größten Teil der Steuereinnahmen erhielte und sich die Kommunen mit Brotkrumen zufriedengeben müssten. "Ganz so ist es nicht", sagt der Bundestagsabgeordnete aus dem Allgäu im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Tatsächlich fließt ein immer größerer Teil der Steuern an Städte, Gemeinden und Länder. Der Steueranteil des Bundes sinkt dagegen. Beispiel Umsatzsteuer: Nach der Wiedervereinigung flossen 65 Prozent an den Bund. Jetzt sind es 45 Prozent - also 20 Prozentpunkte weniger. Während im Bundeshaushalt ein Minus in dreistelliger Milliardenhöhe steht, machen Länder und Kommunen Überschüsse.
Die Aufgabe der Länder
FDP-Innenpolitiker Thomae weist auch darauf hin, dass die Kommunen Steuern erhalten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. "Und zu ihren Aufgaben gehört eben auch die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen." Diese Aufgabenverteilung ergibt sich aus dem Grundgesetz.
Dennoch hat der Bund in den vergangenen Jahren seine Unterstützung mehr und mehr ausgebaut. Begründet wurde das auch damit, dass die Asylverfahren des Bundesamts für Migration in der Vergangenheit sehr lange gedauert haben. Das hat sich mittlerweile geändert.
Zudem übernimmt der Bund die meisten Sozialleistungen für Geflüchtete aus der Ukraine. Allein in diesem Jahr macht das etwa fünf Milliarden Euro aus. Nochmal gut fünf Milliarden Euro zahlt der Bund für Sozialleistungen für Geflüchtete aus anderen Ländern. Dazu kommen Integrationsleistungen (2,7 Milliarden Euro) und eine allgemeine Pauschale in Höhe von 2,75 Milliarden Euro, die über die Umsatzsteuer an die Länder geht.
Der Bund ist vorbereitet
Insgesamt kalkuliert die Bundesregierung in diesem Jahr damit, Länder und Kommunen um etwa 15,6 Milliarden Euro zu entlasten. Nicht eingerechnet sind knapp elf Milliarden Euro, die ins Ausland fließen, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Außerdem unterstützt der Bund über eigene Programme zum Beispiel den Kita-Ausbau, die Digitalisierung der Schulen oder den sozialen Wohnungsbau.
Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios hat die Bundesregierung in den vergangenen Tagen diese Zahlen zusammengetragen, um sich für die Verhandlungen mit den Ländern vorzubereiten. Damit zeichnet sich ab, dass Bundeskanzler Olaf Scholz die Rufe nach mehr Bundesgeld beim Spitzentreffen mit den Ländern am Mittwoch ins Leere laufen lassen will. Die Verhandlungen dürften kompliziert werden.
Für seine Haltung bekommt der Kanzler Unterstützung aus seiner SPD-Bundestagsfraktion. "Es ist zu kurz gesprungen, immer auf dem Bund zu zeigen und zu sagen: Die sollen das zahlen. Da müssen schon alle ran und alle mit anpacken, auch finanziell", sagt Innenpolitiker Uli Grötsch. Der Bundestagsabgeordnete aus der Oberpfalz widerspricht damit der Union. Die hatte neulich Bürgermeister und Landräte in den Bundestag eingeladen und sich deren Forderungen nach mehr Geld vom Bund zu eigen gemacht.
Grüne zeigen Verständnis
Während sich SPD und FDP hart geben, zeigen die Grünen innerhalb der Ampel noch am meisten Verständnis für die Forderungen aus Ländern und Kommunen. Die grüne Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor kennt die Herausforderungen aus ihrer Heimat Duisburg. Nach ihren Worten fehlen Lehrer, Kita-Personal, Integrations- und Sprachkurse. Außerdem sei der Wohnungsmarkt in einigen Kommunen leergefegt.
Deshalb überlässt der Bund den Ländern und Kommunen aktuell etwa 340 Liegenschaften mit rund 70.000 Plätzen für Geflüchtete - ohne dafür Miete zu verlangen. Außerdem übernimmt der Bund die Kosten für Renovierungen. Die Bundesregierung beziffert den Wert auf gut 86 Millionen Euro.
Die Grünen können sich darüber hinaus vorstellen, besonders belastete Kommunen gezielt zu unterstützen. Rechtlich dürfte das schwierig werden, denn Bund und Kommunen haben keine direkten Finanzbeziehungen. Alles läuft über die Länder. Dass die das Geld des Bundes zügig und vollständig an ihre Kommunen weiterleiten, bezweifeln etliche Abgeordnete in Berlin.
Geld allein ist nicht die Lösung
Für die grüne Innenpolitikerin Kaddor ist klar, dass Geld allein nicht die Lösung ist, um Flüchtlinge unterzubringen und zu integrieren: "Geld kann einen Teil des Problems lösen. Es wird aber nicht alles lösen können."
Der Bund könnte stattdessen Regeln ändern, um schneller Wohnungen zu bauen oder Asyl- und Gerichtsverfahren zu digitalisieren. Es dürfte auch kein Zufall sein, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in den vergangenen Tagen immer wieder die Verhandlungen in der EU über ein gemeinsames Asylsystem betont hat.
Außerdem arbeitet die Bundesregierung an Migrationsabkommen mit verschiedenen Herkunftsländern. Auch das würde Länder und Kommunen entlasten - und wäre vermutlich deutlich günstiger.