Sozialpolitik und Haushalt Der FDP ist das Bürgergeld zu hoch
Nach der Debatte um schärfere Sanktionen für Arbeitsverweigerer rüttelt die FDP nun an der Höhe des Bürgergelds für alle Empfänger. Fraktionschef Dürr spricht sich für eine Senkung um bis zu 20 Euro aus. Das Sozialministerium verweist auf die Rechtslage.
Das Bürgergeld ist noch keine 600 Tage alt - und fast täglich in den Schlagzeilen. Zuletzt hatte die Union ihre Angriffe auf den Nachfolger von Hartz IV erheblich verstärkt und härtere Sanktionen für Arbeitsverweigerer gefordert.
Auch die FDP hatte sich dafür ausgesprochen, das SPD-geführte Arbeitsministerium kündigte Änderungen an und sprach von einem "vertretbaren Nachsteuern". So sollen etwa die Vorgaben für den Bezug von Bürgergeld verschärft werden.
"Aktuell 14 bis 20 Euro im Monat zu hoch"
Doch reißt die Kritik am Bürgergeld nicht ab, was auch daran liegt, dass die Ampelkoalition fieberhaft auf der Suche nach Milliarden ist, um die Haushaltslücke für 2025 verfassungskonform zu schließen. Alleinstehende Bürgergeld-Empfänger bekommen aktuell 563 Euro im Monat. Zu viel, findet FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Angesichts der Inflationsentwicklung falle das Bürgergeld "aktuell 14 bis 20 Euro im Monat zu hoch aus", sagte er der Bild-Zeitung.
"Mein Vorschlag wäre eine Anpassung nach unten, weil bei der letzten Berechnung die Inflation höher eingeschätzt wurde, als sie sich tatsächlich entwickelt hat. Das würde sowohl die Steuerzahler um bis zu 850 Millionen Euro entlasten als auch die Arbeitsanreize erhöhen", sagte Dürr.
Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte die Forderung seiner Partei nach einem Kurswechsel beim Bürgergeld, um "falsche Anreize" zu korrigieren. Wer einer Arbeit nachgehe, müsse am Ende auch mehr Geld in der Tasche haben.
SPD kritisiert FDP
Die SPD reagierte verärgert über den neuen Vorstoß des Regierungspartners. Er halte "überhaupt nichts davon, ständig mit völlig unausgegorenen Ideen fernab jeder Realität für Verunsicherung zu sorgen", sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Rosemann.
Er forderte die Liberalen auf, "nach fast drei Jahren" endlich in ihrer "Rolle als Teil einer Regierungskoalition und damit in einer Verantwortungsgemeinschaft" anzukommen.
Ministerium verweist auf die Rechtslage
Das Arbeits- und Sozialministerium verwies auf die geltende Rechtslage. Die Fortschreibung der sogenannten Regelbedarfsstufen erfolge gemäß den gesetzlichen Vorgaben, sagte eine Sprecherin in Berlin. Es gebe für Bürgergeld-Empfänger eine "gesetzliche Besitzschutzregelung". Deswegen gebe es für Kürzungen kein Entscheidungsspielraum. Sie rechne damit, dass es im kommenden Jahr wegen der rückläufigen Preissteigerungsraten eine Nullrunde beim Bürgergeld geben werde.
Zwölf Prozent mehr - wegen der hohen Inflation
Zuletzt war das Bürgergeld Anfang 2024 um insgesamt zwölf Prozent gestiegen - im Vergleich zu den Vorjahren war das ein vergleichsweise hoher Anstieg. Alleinstehende bekommen seither 563 Euro im Monat, 61 Euro mehr.
Der Regelsatz wird jährlich an Preise und Löhne angepasst und berücksichtigt auch die Inflation. Auch aktuelle Entwicklungen von bestimmten Preisen, wie Lebensmitteln oder Kleidung, werden eingerechnet. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) hatte gesagt, wenn die Inflation jetzt deutlich sinke, werde die nächste Anpassung entsprechend niedrig sein. Die dafür nötigen Daten liefere das Statistische Bundesamt im Sommer.
Nullrunde zu erwarten
Momentan sieht es so aus, als ob sich Bürgergeldempfänger für 2025 auf eine Nullrunde einstellen müssen. "Wir rechnen im Moment damit, dass angesichts der jetzt rückläufigen Preissteigerungsraten wahrscheinlich nach jetziger Lage zum 1. Januar 2025 es auch sein kann, dass es keine Erhöhung geben wird", sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums Ende Juli.
Auch Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatte im ARD-Sommerinterview seine Erwartung bekräftigt, wonach die Sätze 2025 nicht steigen würden. Im nächsten Jahr werde es eine Nullrunde beim Bürgergeld geben, sagte er. "Es wird nicht erhöht, während die arbeitende Bevölkerung bei der Lohn- und Einkommensteuer entlastet wird. Das vergrößert den Abstand wieder, auch das erwartet die Bevölkerung."
Diskussion über Gerechtigkeit
Der Staat kann das Bürgergeld nicht beliebig kürzen. Es soll denjenigen ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken können.
Neben der Debatte um die Höhe des Bürgergelds gab es zuletzt auch eine Diskussion um den Umgang mit Arbeitsverweigerern. Also Menschen, die Unterstützung vom Staat bekommen und sich zugleich aber nicht um einen Job bemühen. Verfolgte man die diese Debatte in den vergangenen Wochen, konnte man leicht annehmen, es handele sich um den Großteil der Bürgergeld-Beziehenden. Dem ist nicht so. Nach Zahlen der Arbeitsagentur handelt es sich um rund 16.000 Menschen.
Nichtsdestotrotz sieht sich vor allem die SPD in Rechtfertigungsnot. Er erlebe bei Diskussionen, dass viele Menschen Teile des Bürgergeldes als ungerecht empfänden, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil im ARD-Sommerinterview. "Das, was die Menschen trifft in ihrem Gerechtigkeitsempfinden, ist, wenn da auf einmal 16.000 sind, die sich jeglicher Mitarbeit mit dem Staat verweigern. Die also Solidarität des Staates ausnutzen, sich zurücklehnen und sagen, ich muss nichts machen. Und denen muss man sehr klar sagen, es gibt kein Recht auf Faulheit."