Überlastung von Gefängnissen Einlassstopp in der Justizvollzugsanstalt
In deutschen Gefängnissen geht es eng zu. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten spricht von einem dramatischen Personalmangel. Zudem steige die Arbeitsbelastung.
Andreas Doller kontrolliert die Zelle ganz genau. Beim Schichtwechsel hat ihn seine Kollegin informiert, dass es eine Rangelei zwischen zwei Inhaftierten gegeben habe. Offenbar hatten die beiden einen Streit um Tabak. Nun will der Justizvollzugsbeamte überprüfen, ob in der Zelle etwas Verdächtiges zu entdecken ist.
Doller arbeitet in der JVA Münster. Etwa 260 Häftlinge sitzen hier wegen Ladendiebstahls, Betrugs, Körperverletzung, Sexualdelikten oder Mordes ein. Die Insassen sind aus 40 Nationen, jeder zweite ist Ausländer.
Keine Schicht sei wie die andere, der Job sei fordernd und auch gefährlich, berichtet Doller. Er ist seit 2011 in der JVA Münster tätig. Die Arbeit sei deutlich anspruchsvoller geworden, berichtet er.
"Im Laufe der Jahre hat sich das immer mehr dahingehend verändert, dass wir mehr psychisch auffällige Inhaftierte haben", sagt Doller. "Wenn man mehrere Inhaftierte hat, die permanent den Lichtruf drücken, weil sie gar nicht verstehen, wo sie hier sind. Oder die sich mit Exkrementen oder so etwas einreiben oder aggressiv gegen uns sind. Das erfordert natürlich einen intensiveren Personaleinsatz."
Andreas Doller ist seit 2011 in der JVA Münster tätig.
Etwa 35 Gefangene pro Strafvollzugsbediensteten
Deutschlandweit gibt es etwa 55.700 Strafgefangene, etwa 14.000 Häftlinge sitzen derzeit in Gefängnissen in Nordrhein-Westfalen. In dem Bundesland trifft im geschlossenen Erwachsenenvollzug durchschnittlich ein Beamter oder eine Beamte auf 35 Häftlinge. Auch in der JVA Münster ist das so.
Anstaltsleiter Carsten Heim zufolge gibt es offene Planstellen. Das Problem sei es, dafür Personal zu finden.
"Wir sind alle bemüht, diese Stellen zu besetzen", sagt Heim. "Wenn sich dann jemand hinstellt und sagt, euer Alltag sieht so aus, dass ihr jeden Tag bespuckt, beschimpft und am besten auch eure Autos angezündet werden. Und ihr seid mit 70 Gefangenen allein, dann weiß ich nicht, ob das dafür sorgt, dieses Problem zu lösen." Dann werde sich niemand mehr bewerben.
Gewerkschaft: 900 Planstellen alleine in NRW unbesetzt
Die zuständige Gewerkschaft, der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), fordert, schnell Maßnahmen zu ergreifen, um mehr Personal einstellen zu können. Laut dem stellvertretenden Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, Achim Hirtz, sind momentan rund 900 Planstellen im Strafvollzug in dem Bundesland unbesetzt.
"Dadurch gibt es NRW-weit vielleicht Abteilungen mit 50 bis 60 Inhaftierten, wo nur ein Kollege zuständig ist", sagt Hirtz. "Das macht sich natürlich in der Behandlung deutlich. Wir haben einen Resozialisierungsauftrag und das Klientel, was aktuell bei uns einsitzt, ist oft psychisch auffällig. Und die muss man erstmal sozialisieren, damit man überhaupt diesen gesetzlichen Auftrag in Angriff nehmen kann."
Mehr Gefangene als Plätze in Bremen
Nordrhein-Westfalen steht mit seinen Problemen nicht alleine da. Im Bremer Gefängnis sitzen beispielsweise derzeit mehr Gefangene ein, als es eigentlich Plätze gibt. Das liegt unter anderem daran, dass immer mehr Untersuchungshäftlinge in Haft genommen werden.
Am 14. Juni gab es 723 Gefangene, offiziell ist aber nur Platz für 717 Personen. Das geht aus einem Brief des zuständigen Staatsrats Björn Tschöpe an die Bremer Staatsanwaltschaft hervor. Der Appell des SPD-Politikers: Bis Mitte Oktober sollen keine neuen Häftlinge aufgenommen werden, die wegen nicht gezahlter Geldstrafen verurteilt wurden. Dies solle die Situation etwas entspannen. Dies sei die einzige Möglichkeit, um "angemessene Haftbedingungen zu gewährleisten", so die Begründung aus dem Justizressort.
Häufiger Auseinandersetzungen unter Gefangenen
Alle anderen Maßnahmen wie die Doppelbelegung von Einzelzellen, Dreifachbelegung von Doppelzellen oder die Nutzung freier Plätze in anderen Bundesländern seien ausgeschöpft. Zudem gebe es häufiger Auseinandersetzungen unter den Gefangenen. Nun verhandelt Bremen mit dem benachbarten Bundesland Niedersachsen, Gefangene zu verlegen.
Die angespannte Lage sorgt auch für eine gereizte Stimmung im Alltag der Haftanstalten. Andreas Doller aus der JVA Münster fände es deshalb gerecht, wenn die Bezahlung an die Realität angepasst würde. Er wünscht sich höhere finanzielle Zuschläge am Wochenende.
Ansonsten hofft er, dass alle Stellen an einem Strang ziehen, um die Probleme zu lösen. Wenn man im Strafvollzug etwas erreichen wolle, sei es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren.