Ordnungswidrigkeit statt Straftat Kein Gefängnis mehr fürs Schwarzfahren
Eine Gefängnisstrafe wegen wiederholten Schwarzfahrens gibt es in Köln nicht mehr. Auch der Bund plant Regelungen, das Fahren ohne Ticket zu entkriminalisieren. Gefängnisstrafen treffen derzeit vor allem Ärmere.
Ins Gefängnis, weil jemand ohne Fahrschein den öffentlichen Nahverkehr genutzt hat? Klingt für die meisten überraschend, betrifft aber jedes Jahr hunderte Menschen. In Köln ist damit nun Schluss. Im Dezember hatte der Stadtrat beschlossen, keine Strafanzeige mehr zu stellen, wenn Schwarzfahrer erwischt werden. Nun wird es Realität.
Auch künftig wird zwar eine Strafe in Höhe von 60 Euro fällig, mehr aber nicht. "Die bisherige Praxis sah so aus, dass gegen eine Person, die dreimal innerhalb eines Jahres oder vier Mal innerhalb von zwei Jahren aufgefallen ist, Anzeige erstattet wurde. Dabei darf der letzte Vorgang allerdings nicht länger als drei Monate zurückliegen. Das entfällt jetzt", so Matthias Pesch, Leiter der Unternehmenskommunikation bei den Kölner Verkehrsbetrieben (KVB).
Es gebe aber weiter die Möglichkeit, das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro auf zivilrechtlichem Weg einzuklagen. "Von dieser Möglichkeit werden wir auch weiterhin Gebrauch machen", so der Sprecher der KVB.
Vor allem Ärmere von Gefängnisstrafen betroffen
Die Gefängnisstrafe betraf vor allem Menschen, die wegen Fahrens ohne Ticket zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber nicht bezahlen konnten. In der Praxis waren das vor allem Arme, Wohnungslose oder Suchterkrankte.
Der Vorstoß im Kölner Stadtrat, die Regel nun zu ändern, kam im Dezember vergangenen Jahres von der FDP. Durch den Verzicht auf Strafanzeigen werde die Justiz entlastet, argumentierte damals der FDP-Ratspolitiker Volker Görzel. Für das Falschparken würden in Köln nur Knöllchen kassiert, beim Fahren ohne Fahrschein dagegen könne man ins Gefängnis kommen. Das sei nicht gerecht.
Die Linken-Politikerin Güldane Tokyürek betonte, durch Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft werde in den meisten Fällen "keine Zahlungsfähigkeit hergestellt". Bei Menschen, die KVB-Fahrscheine schlicht nicht bezahlen könnten, wirke dieses Druckmittel nicht.
Verband spricht von Millionenschaden
Die Forderung, das Fahren ohne Ticket zu entkriminalisieren, gibt es schon lange. Andere Städte wie Düsseldorf haben sie bereits umgesetzt.
Der Verband Deutscher Verkehrsbetriebe sieht das skeptisch. Das Fahren ohne Fahrschein schade allen und dürfe nicht verharmlost werden. Es komme die Verkehrsbetriebe teuer zu stehen.
Trotz regelmäßiger Kontrollen rechnet der Verband mit einem jährlichen Schaden von bis zu 300 Millionen Euro. Allein in Nordrhein-Westfalen landeten 2021 schätzungsweise über 700 Menschen wegen Fahrens ohne Fahrschein im Gefängnis.
Bei den Kölner Verkehrsbetrieben lag die Quote derjenigen, die ohne gültigen Fahrausweis kontrolliert wurden, 2022 bei rund 2,7 Prozent. Das waren insgesamt mehr als 37.800 Fahrgäste. Gegen knapp 1.800 von ihnen wurde nach Angaben der KVB Anzeige erstattet. Es kam zu 393 Verurteilungen.
"Wir befürchten durch den Verzicht eine negative Signalwirkung, die die Quote der Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis erhöhen könnte. Eine Folge wären höhere Einnahmeverluste im ÖPNV, die wiederum zu erhöhten Ticketpreisen führen könnten. Inwieweit sich die Entscheidung allerdings tatsächlich finanziell und in der Alltagspraxis auf die KVB auswirkt, muss abgewartet werden", so KVB-Sprecher Pesch.
Auch Bund plant Änderungen
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann möchte das Fahren ohne Ticket entkriminalisieren und sich bei den Strafen am Falschparken orientieren. "Wir wollen die sogenannte Beförderungserschleichung, oder populär gesagt: das Fahren ohne Fahrschein, nicht mehr unter Strafe stellen, sondern zu einer Ordnungswidrigkeit machen", sagte der FDP-Politiker gegenüber der "Zeit".
Es sei zwar nicht in Ordnung, eine Leistung in Anspruch zu nehmen, "für die alle anständigen Menschen bezahlen". Das Sanktionsverfahren solle aber standardisiert, die Bearbeitung weniger personalintensiv werden. Das Fahren ohne Fahrschein zu entkriminalisieren ist Teil der geplanten Reform des Strafgesetzbuches. Ein konkreter Entwurf ist aktuell in Arbeit.
Laut einer Umfrage von infratest dimap sprechen sich mehr als zwei Drittel der Deutschen dafür aus, das Fahren ohne Ticket zu entkriminalisieren. Linke und Grüne drängen schon seit einigen Jahren darauf.