Angeblich 20.000 Kinder entführt Massive Fake-News-Kampagne gegen Schweden
Den Fake News folgten Drohungen: Islamistische Aktivisten verbreiten massenhaft falsche Behauptungen über Schweden. Angeblich hätten die Behörden dort Tausende Flüchtlingskinder entführt.
Islamistische Aktivisten verbreiten gezielt falsche Informationen über schwedische Behörden und Gemeinden, die angeblich Tausende Kinder entführen. Entsprechende Videos und Postings werden seit Tagen massiv auf verschiedenen Plattformen geteilt - unter anderem YouTube, Twitter und Reddit.
Einzelne Videos wurden bereits weit mehr als eine Million mal abgerufen und führen zu handfesten Drohungen gegen das skandinavische Land. In einzelnen Beiträgen wird behauptet, Schweden habe fast 20.000 Kinder "gekidnappt".
Die ersten entsprechenden Meldungen wurden bereits Ende Dezember auf einer islamistischen Webseite veröffentlicht. Dort wird auch über angebliche Kinderporno-Ringe berichtet, die mit schwedischen Behörden kooperierten. Dabei beruft sich die Seite beispielsweise auf ein älteres Buch, in dem wilde Anschuldigungen gegen schwedische Behörden erhoben wurden. Die Erzählungen erinnern stark an die "Pizzagate"-Legende in den USA.
Große Reichweite
Im Laufe des Januar und Anfang Februar griffen arabische YouTuber und Social-Media-Nutzer die Behauptungen über Schweden auf - darunter ein ägyptischer YouTuber mit allein drei Millionen Abonnenten. In Facebook-Gruppen wird behauptet, muslimische Kinder würden aus den Familien geholt, umgesiedelt und dazu gezwungen, Schweinefleisch zu essen.
Es handele sich um einen Krieg gegen den Islam, Schweden müsse boykottiert werden und sei ein "faschistisches Land". Entsprechende Hashtags sind auf Twitter sowohl auf Arabisch, Englisch und Schwedisch, aber mittlerweile auch Deutsch zu finden.
Ein Video, das mindestens fünf Jahre alt ist, wird als Beweis für massenhafte "Entführungen" geteilt.
Wahrer Kern, erfundener Kontext
Wie zumeist bei Desinformation gibt es auch hier einen wahren Kern: So können schwedische Sozialdienste Kinder nach dem Jugendfürsorgegesetz (LVU) aus Familien nehmen - beispielsweise wegen häuslicher Gewalt. Solche Fälle wurden aus ihrem jeweiligen Kontext gerissen und mit einer neuen Erzählung aufgeladen - nämlich dass die Maßnahmen darauf ausgerichtet seien, gezielt gegen muslimische Familien vorzugehen. Zudem werden die Fallzahlen stark übertrieben und Details erfunden, reale Hintergründe hingegen weggelassen.
Mikael Tofvesson von der Behörde für psychologische Verteidigung warnte im Schwedischen Rundfunk vor einer gezielten Kampagne, deren Ziel es sei, dem Land zu schaden. Sowohl Gemeinden als auch Sozialdienste wurden demnach von Accounts angegriffen, die mit radikalen islamischen Organisationen in Verbindung stehen und behaupten, dass schwedische Behörden muslimische Kinder von ihren Eltern entführt hätten.
Gerüchte in Schweden
Der schwedische Forscher Magnus Ranstorp sagte der norwegischen Zeitung "Verdens Gang", Gerüchte über den Sozialdienst für Kinder kursierten bereits seit Jahren, hätten sich mittlerweile aber mit handfesten Folgen weiterentwickelt. Ranstorp geht davon aus, dass die Desinformation in Schweden ihren Ursprung hat - und via Social Media arabische Nutzer erreichte. Schwedische Medien berichteten ebenfalls, dass die Kampagne von Schweden aus befeuert werde - aus dem islamistischen Milieu.
Die Behörde für psychologische Verteidigung kündigte an, auf die Verbreitung falscher Informationen in arabischsprachigen Medien zu reagieren. Wie diese Reaktion konkret aussieht, blieb bislang allerdings unklar. "Es gab eine starke und koordinierte Reaktion", sagte Mikael Tofvesson. Er verwies auf Drohungen in diesem Kontext, die immer ernster würden - bis hin zu terroristischen Anschlägen.