Screenshot eines Twitter-Posts von Adam Kinzinger
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Desinformation zum Ukraine-Krieg Veraltete Bilder und fiktive Journalisten

Stand: 01.03.2022 13:09 Uhr

Viele Angriffe auf die Ukraine werden durch Handy-Videos dokumentiert und lassen sich verifizieren. Aber es gibt auch veraltete Fotos, eine manipulierte Putin-Rede und sogar fiktive Journalisten.

Von Patrick Gensing, ARD-aktuell

Der Krieg gegen die Ukraine dominiert die internationalen Nachrichten. Viele Berichte über die russischen Angriffe stützen sich auf Bildmaterial, das Menschen vor Ort mit ihren Mobiltelefonen aufnehmen und über Soziale Medien teilen.

Viele dieser Aufnahmen lassen sich verifizieren und sind authentisch, andere erweisen sich als falsch. So tauchen zahlreiche manipulierte oder veraltete Bilder auf. Einige Beispiele:

  • Von Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde ein manipuliertes Bild verbreitet, um ihn als angeblichen Nazi zu verunglimpfen. Basis war ein älteres Foto des Präsidenten, auf dem er ein Trikot der Fußball-Nationalmannschaft der Ukraine zeigte. Unbekannte haben darauf ein Hakenkreuz montiert und dieses Motiv dann verbreitet. Die Lüge, in Kiew herrsche ein "Nazi-Regime", ist eine zentrale Begründung des Kreml für den Angriff auf die Ukraine.
  • Berichte über abgeschossene russische Flugzeuge wurden mit einem Bild versehen, das bereits viele Jahre alt ist, wie eine Rückwärtssuche mit TinEye zeigt. Reuters stieß in diesem Kontext zudem auf Fotos von einem Unglück bei einer Flugshow im Jahr 1993.
Screenshot eines explodierenden Kampffliegers

Eine Rückwärtssuche mit TinEye zeigt, dass das angebliche Bild vom Krieg in der Ukraine bereits mehrere Jahre alt ist.

  • Ein Mädchen soll einem russischen Soldaten sagen, er solle wieder nach Hause gehen. Dieses Bild stammt allerdings nicht aus dem derzeitigen Krieg, sondern aus einem YouTube-Video, das bereits vor Jahren veröffentlicht wurde und ein palästinensisches Mädchen und einen israelischen Soldaten zeigen soll. FullFact recherchierte weitere Details dazu.
Ein Soldat spricht mit einem Mädchen.

Angeblich will ein Mädchen einen russischen Soldaten nach Hause schicken - doch es handelt sich um einen Screenshot eines Videos aus Nahost.

  • Auch das Foto von zwei Kindern, die Soldaten der Ukraine salutieren, ist nicht aktuell, sondern stammt aus dem Jahr 2016. Das Foto ist zuletzt massenhaft geteilt worden und wurde von vielen Nutzern als Beleg für die Entschlossenheit der Bevölkerung in der Ukraine interpretiert.
Screenshot eines Twitter-Posts von Adam Kinzinger

Ein US-Politiker teilte das Bild von salutierenden Kindern.

Ein Screenshot von TinEye zeigt Kinder vor einem Panzer.

Die Rückwärtssuche zeigt: Das Bild ist mehrere Jahre alt.

"Deep Fake" von Putin

Außerdem tauchte ein Video von Putin auf, in dem er den Rückzug aus der Ukraine verkündet. Dieses ist aber nicht authentisch, sondern es handelt sich dabei offenkundig um einen "Deep Fake".

Mit dieser Technik können Videos manipuliert werden, sodass es so erscheint, als spreche Putin wirklich selbst. Damit solche mit "Künstlicher Intelligenz" erstellten Videos authentisch wirken, ist möglichst viel Bildmaterial nötig - im Fall von Putin gibt es mehrere lange Reden, in denen er sehr ähnlich sitzt, spricht und angezogen ist. Ideale Voraussetzungen für einen "Deep Fake".

Um solche Fälschungen zu erkennen, hilft eine inhaltliche Analyse: So spricht Putin in dem Video - das tagesschau.de bewusst nicht verlinkt - über die Verhandlungen mit der Ukraine, welche absolut erfolgreich verlaufen seien für die russische Seite. Der Frieden sei erreicht, gemeinsam mit der EU und den USA habe Russland einen Wiederaufbaufonds für die Infrastruktur vereinbart, die Krim solle zur Ukraine gehören.

Nichts davon stimmt mit den Aussagen und Informationen über die Verhandlungen überein. Es gibt auch keine seriösen Quellen, die dieses Video verbreiten. Es handelt sich um eine Fälschung, die mit bloßem Auge aber kaum zu erkennen ist.

Journalisten, die nicht existieren

Noch weiter sind Urheber von Desinformation gegangen, um als Ukrainer getarnt die Propaganda Putins zu verbreiten. Der Facebook-Mutterkonzern Meta teilte mit, mehrere gesperrte Profile hätten Websites betrieben, die sich als unabhängige Nachrichtendienste ausgaben. Sie schufen zudem auf Plattformen wie Facebook, Instagram, Twitter, YouTube, Telegram und dem russischen Odnoklassniki sowie VK gefälschte Identitäten. Die Spuren führen bei verschiedenen Untersuchungen zu einer Trollfabrik nach St. Petersburg.

Die angeblichen Blogger aus Kiew nutzten Profilbilder, die mutmaßlich mit einem Tool wie "This Person does not exist" erstellt wurden. Solche Seiten generieren Bilder von Personen, die gar nicht existieren. Die entsprechenden Fotos wirken bei genauer Betrachtung oft nicht natürlich, weil Gesichtspartien oder Kopfform nicht zusammenpassen.

In den vergangenen Tagen hätten Analysten vermehrt Angriffe auf Personen in der Ukraine, einschließlich ukrainischer Militärs und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beobachtet, teilte Meta weiter mit.

Die Strategie, russische Propaganda "unter falscher Flagge" zu verbreiten, ist nicht neu. Recherchen hatten beispielsweise gezeigt, dass der russische Sender Sputnik in Moldau einen Autoren erfunden hatte. Auch Facebook sperrte bereits ein Netzwerk von Journalisten, die gar nicht existieren.

Zudem zeigten Untersuchungen, wie russische Fake-Profile es schafften, öffentliche Diskussionen zu beeinflussen. Beispielsweise hatten britische Medien in mehr als 100 Fällen Tweets von russischen Trollen übernommen und als vermeintlich authentische Netz-Reaktionen präsentiert.

"Informationskrieg"

Russische Staatsmedien sollen als "Waffen im Informationskrieg" dienen. Der Erfolg von Desinformation - unabhängig von der Urheberschaft - hängt davon ab, inwieweit Nutzerinnen und Nutzer solche irreführende Inhalte teilen.

Daher ist es entscheidend, sich Zeit zu nehmen. Zwar ist nicht in allen Fällen zu erkennen, ob es sich um vertrauenswürdige Inhalte handelt - aber zumindest gibt es einige einfache Schritte, um unseriöse oder gezielt irreführende Meldungen zu erkennen - und so nicht auf Desinformation hereinzufallen.