EVP-Kandidaten-Wahl Gesucht: Ein neuer Martin Schulz
Wer ersetzt Martin Schulz als Chef des EU-Parlaments? Heute wählt die größte Fraktion, die Christdemokraten, ihren Kandidaten.
Von Sebastian Schöbel, ARD-Studio Brüssel
Am späten Abend in den Tiefen des Straßburger Europaparlaments kommen sie zusammen: Europas Christdemokraten, inklusive der EU-Parlamentarier von CDU und CSU. Sie wollen entscheiden, wer der neue Martin Schulz werden soll. Der Vorwahlkampf tobt seit Wochen, meist aber hinter verschlossenen Türen, in Einzelgesprächen und mit per E-Mail verschickten Bewerbungsschreiben.
Vier Kandidaten sind im Rennen
Nummer 1: Alojz Peterle. Der Idealist. Sloweniens erster frei gewählter Premierminister, der das osteuropäische Land in den 1990er Jahren in die Unabhängigkeit führte. Eine Erfahrung, die der 68-Jährige Peterle zum Motto seines Wahlkampfes macht. In emotionalen Onlinebotschaften auf seiner Internetseite schreibt er zum Beispiel: "Ich habe Europa geteilt erlebt - und will das nie wieder tun. Wir müssen eine erneute Phase der Zerstörung in Europa verhindern. Deswegen müssen wir alles tun, damit das EU-Projekt überlebt."
Als Parlamentspräsident will Peterle vor allem den Dialog mit den nationalen Parlamenten, also auch dem Bundestag, stärken. Zudem sollen EU-Kommissare vom EU-Parlament gewählt werden, nicht von den Mitgliedsstaaten entsandt. Peterles Chancen stehen nicht schlecht, zumal er sechs Sprachen spricht. Darunter Deutsch, was ihm mit den deutschen Unionsabgeordneten helfen könnte.
Alojz Peterle: Dialog mit nationalen Parlamenten
Nummer 2 auf der Liste: Alain Lamassoure. Das Urgestein. Mit 72 Jahren ist der Franzose der älteste Kandidat im Rennen. Er war Bürgermeister, französischer Abgeordneter und Regierungsminister und ist seit 1999 EU-Parlamentarier. Lamassoure war beim Verfassungskonvent der EU im Jahr 2000 dabei und hat an den Lissaboner Verträgen mitgearbeitet. Jetzt präsentiert er sich als Anti-Schulz: Kein parteiischer Lautsprecher will er sein, sondern ein vermittelnder, überparteilicher Präsident. Allerdings auch einer, der eine Runderneuerung der EU vorantreibt.
Alain Lamassoure: Vermittelnd und überparteilich will er sein
So ähnlich verspricht es auch Kandidat Nummer drei: Antonio Tajani aus Italien. Der krasse Außenseiter. Tajani, ehemaliger Luftwaffenoffizier und Journalist, kommt von der Partei "Forza Italia" und gilt als Berlusconi-Intimus - was in Brüssel eher als Problem gesehen wird. Genauso wie seine sieben Jahre als EU-Kommissar. Dabei war er unter anderem zuständig für die Autoindustrie, was ihm nach dem Dieselgate-Skandal eine unangenehme Befragung im Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments einbrachte. Seitdem gilt Tajanis Image als beschädigt.
Antonio Tajani: Gilt als Berlusconi-Vertrauter
Bleibt noch Nummer vier: Die Irin Mairead McGuiness. Das frische Gesicht. Eloquent und medienaffin präsentiert sich die 57-jährige Agrarökonomin. Seit zehn Jahren sitzt sie im EU-Parlament, vorher hat sie unter anderem als TV-Journalistin gearbeitet. Erfahrungen, die sie zum Beispiel nutzt, um mit jungen Wählern über das Internetphänomen der "Falschnachrichten" ins Gespräch zu kommen. Als Irin vertritt sie zudem das vom Brexit-Votum am stärksten betroffene EU-Mitglied - nach Großbritannien natürlich.
Die Fine Gael-Politikerin gilt zudem - anders als Tajani oder Lamassoure - über Parteigrenzen hinweg als wählbar. Vor allem die Grünen zeigten sich ihrer Kandidatur gegenüber zuletzt sehr offen. Sie wäre erst die dritte Frau an der Spitze des Europaparlaments - auch das ein möglicherweise entscheidender Faktor. Denn am Ende wird auch der Kandidat oder die Kandidatin der größten Fraktion im EU-Parlament auf die Stimmen der anderen Fraktionen angewiesen sein.
Mairead McGuinness: Das frische Gesicht. Hat sie die Nase vorn?